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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Das "Rotwelsch" des deutschen Gauners

ungemein weite Verbreitung, ihr gleichmäßiges Vorkommen in den verschiedensten
Geheimsprachen der Welt, wofür u. a. schon I. M. Wagner viele Belege zusammen¬
gestellt seit. Man kann sie im wesentlichen in drei Hauptgruppen einteilen: ab¬
sichtlich vorgenommene Wortverlängerungen, Wortverkürzungcn ("Abbreviaturen")
und Wortvcränderungen durch Ansehung von Buchstaben oder Silben ("Trans¬
positionen").

Die Worterweiteruugen (durch Einschiebung von Buchstaben oder Silben)
spielen bekanntlich in fast allen Kinder- und Schülersprachen eine große Rolle.
Wem ist nicht noch aus seiner Jugendzeit die ganz entsetzlich fade sogenannte
"Erbsensprache" oder die nicht viel weniger geistreiche P- oder B-Sprache in Er¬
innerung? Weniger beliebt sind solche weitschweifigen und schleppenden Formen in
den Gaunersprachen, was leicht daraus erhellt, daß diese doch vor allem auch einer
raschen Verständigung mit den Genossen dienen sollen, die hierbei fast so gut
wie ausgeschlossen erscheint. Immerhin wird man ihre Verwendung im Rot¬
welsch -- wenigstens für die ältern Zeiten -- nicht ganz in Abrede stellen
können. So zählt z. B. der Grammatiker Schottet -- und zwar schon im An¬
schluß an andre Gewährsmänner (wie Leonhard Thurueisser 1583 und Daniel
Schwerter 1620) in seiner 1663 erschienenen "Ausführlicher Arbeit von der
Teutschen Haupt-Sprache" unter den einzelnen Arten des Notwelsch, die er unter¬
scheidet, auch eine solche auf, die fast ganz mit der P-Sprache unsrer Schuljugend
übereinstimmt. Sie besteht nämlich, wie er sich ausdrückt, darin, daß "alle Silben
gedoppelt oder zweymahl mit zwischenmengung des Buchstaben p ausgesprochen
werden," und er versäumt uicht, noch die genauern "Regnier" für die einzelnen Fälle
(wie Anfang oder Endung der Silbe mit einem "Mitlauter" oder "Selbst¬
lauter" usw.) aufs gewissenhafteste und mit Anführung einer Menge wahrhaft
zungeubrecherischer Beispiele durchzugehn. "Nicht leichtlich," meint er mit Recht,
würde wohl jemand, "der dieses Dinges nnberichtet ist," aus dem geschwinde
heruutergeschuurrten Sah: "Deipein wipideperwepertipigeper laupaurepet aupauf
uipichtipes guputepcs, mcipacheve dipich aupaus depem Staupanbepe" dessen Inhalt
("Dein Widerwärtiger lauert auf nichts Gutes, mache dich aus dem Staube")
erkennen.

Verständlicher erscheint der Gebrauch absichtlicher Wortverkürzungen in den
Gaunersprachen, da sie ja deren Zwecke weit mehr entgegenkommen. Man kann
für unser Rotwelsch wieder mehrere Unterarten innerhalb dieser Gruppe unter¬
scheiden. Zunächst wird manchmal eine Kürzung von Wortzusammensetzungen da¬
durch bewirkt, daß mau nur die Anfangskvnsonanteu der einzelnen Bestandteile
der Verbindung beibehält und diese sodann durch einen Vokal (meist a oder e)
miteinander verbindet oder "phonetisch belebt" (Ao?-Lallemand). Danach soll
z.B. aus Neichstaler "Rat" (^ R, Ta) oder auch "Rad" als Bezeichnung
für Taler überhaupt geworden sein, die (nach Haus Meyer, Der richtige Berliner
in Wörtern und Redensarten, 6. Aufl., Berlin 1904, S. 98) noch heute allge¬
mein auch in der Reichshauptstadt bekannt ist. Ebenso mag wohl aus "polnischer"
oder "böhmischer Groschen" (vergl. zigcun.: Löüme und noch jetzt berlinerisch:
Behm -- Groschen) die Abkürzung "Pag, Pans" oder "Bag, Bach, Vachem,
Bachen" usw. für den Groschen schlechthin sowie aus "Kopfstück" als einer Be¬
zeichnung für das Zwauzigkreuzerstück "Knsch" entstünden sein. Dieselbe Methode
hat man dann aber auch bei uicht zusammengesetzten Wörtern auf deren einzelne
Silben angewandt und danach z. B. ans Polizei "Pezet" (-- P, Z) gemacht
oder unter Verwertung der jüdisch-deutschen Namen der Buchstaben "Pezaddik"
(-- Pe, Zaddik; zugleich ein Wortspiel, da x-uZilc auch der Gerechte heißt, also
gleichsam ironisch: die liebe, gerechte Polizei). Ebenso ist ans dem Gendarm
(nach der gewöhnlichen Aussprache: Schandarm) ein "Schindollet" (-^ Schim,
Dollet) geworden; und wenn unsre Vagabunden noch heute das Zucht- oder
Arbeitshaus "Schim egelswinde" nennen, so hängt auch das, wenigstens zum


Das „Rotwelsch" des deutschen Gauners

ungemein weite Verbreitung, ihr gleichmäßiges Vorkommen in den verschiedensten
Geheimsprachen der Welt, wofür u. a. schon I. M. Wagner viele Belege zusammen¬
gestellt seit. Man kann sie im wesentlichen in drei Hauptgruppen einteilen: ab¬
sichtlich vorgenommene Wortverlängerungen, Wortverkürzungcn („Abbreviaturen")
und Wortvcränderungen durch Ansehung von Buchstaben oder Silben („Trans¬
positionen").

Die Worterweiteruugen (durch Einschiebung von Buchstaben oder Silben)
spielen bekanntlich in fast allen Kinder- und Schülersprachen eine große Rolle.
Wem ist nicht noch aus seiner Jugendzeit die ganz entsetzlich fade sogenannte
„Erbsensprache" oder die nicht viel weniger geistreiche P- oder B-Sprache in Er¬
innerung? Weniger beliebt sind solche weitschweifigen und schleppenden Formen in
den Gaunersprachen, was leicht daraus erhellt, daß diese doch vor allem auch einer
raschen Verständigung mit den Genossen dienen sollen, die hierbei fast so gut
wie ausgeschlossen erscheint. Immerhin wird man ihre Verwendung im Rot¬
welsch — wenigstens für die ältern Zeiten — nicht ganz in Abrede stellen
können. So zählt z. B. der Grammatiker Schottet — und zwar schon im An¬
schluß an andre Gewährsmänner (wie Leonhard Thurueisser 1583 und Daniel
Schwerter 1620) in seiner 1663 erschienenen „Ausführlicher Arbeit von der
Teutschen Haupt-Sprache" unter den einzelnen Arten des Notwelsch, die er unter¬
scheidet, auch eine solche auf, die fast ganz mit der P-Sprache unsrer Schuljugend
übereinstimmt. Sie besteht nämlich, wie er sich ausdrückt, darin, daß „alle Silben
gedoppelt oder zweymahl mit zwischenmengung des Buchstaben p ausgesprochen
werden," und er versäumt uicht, noch die genauern „Regnier" für die einzelnen Fälle
(wie Anfang oder Endung der Silbe mit einem „Mitlauter" oder „Selbst¬
lauter" usw.) aufs gewissenhafteste und mit Anführung einer Menge wahrhaft
zungeubrecherischer Beispiele durchzugehn. „Nicht leichtlich," meint er mit Recht,
würde wohl jemand, „der dieses Dinges nnberichtet ist," aus dem geschwinde
heruutergeschuurrten Sah: „Deipein wipideperwepertipigeper laupaurepet aupauf
uipichtipes guputepcs, mcipacheve dipich aupaus depem Staupanbepe" dessen Inhalt
(„Dein Widerwärtiger lauert auf nichts Gutes, mache dich aus dem Staube")
erkennen.

Verständlicher erscheint der Gebrauch absichtlicher Wortverkürzungen in den
Gaunersprachen, da sie ja deren Zwecke weit mehr entgegenkommen. Man kann
für unser Rotwelsch wieder mehrere Unterarten innerhalb dieser Gruppe unter¬
scheiden. Zunächst wird manchmal eine Kürzung von Wortzusammensetzungen da¬
durch bewirkt, daß mau nur die Anfangskvnsonanteu der einzelnen Bestandteile
der Verbindung beibehält und diese sodann durch einen Vokal (meist a oder e)
miteinander verbindet oder „phonetisch belebt" (Ao?-Lallemand). Danach soll
z.B. aus Neichstaler „Rat" (^ R, Ta) oder auch „Rad" als Bezeichnung
für Taler überhaupt geworden sein, die (nach Haus Meyer, Der richtige Berliner
in Wörtern und Redensarten, 6. Aufl., Berlin 1904, S. 98) noch heute allge¬
mein auch in der Reichshauptstadt bekannt ist. Ebenso mag wohl aus „polnischer"
oder „böhmischer Groschen" (vergl. zigcun.: Löüme und noch jetzt berlinerisch:
Behm — Groschen) die Abkürzung „Pag, Pans" oder „Bag, Bach, Vachem,
Bachen" usw. für den Groschen schlechthin sowie aus „Kopfstück" als einer Be¬
zeichnung für das Zwauzigkreuzerstück „Knsch" entstünden sein. Dieselbe Methode
hat man dann aber auch bei uicht zusammengesetzten Wörtern auf deren einzelne
Silben angewandt und danach z. B. ans Polizei „Pezet" (— P, Z) gemacht
oder unter Verwertung der jüdisch-deutschen Namen der Buchstaben „Pezaddik"
(— Pe, Zaddik; zugleich ein Wortspiel, da x-uZilc auch der Gerechte heißt, also
gleichsam ironisch: die liebe, gerechte Polizei). Ebenso ist ans dem Gendarm
(nach der gewöhnlichen Aussprache: Schandarm) ein „Schindollet" (-^ Schim,
Dollet) geworden; und wenn unsre Vagabunden noch heute das Zucht- oder
Arbeitshaus „Schim egelswinde" nennen, so hängt auch das, wenigstens zum


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[0170] Das „Rotwelsch" des deutschen Gauners ungemein weite Verbreitung, ihr gleichmäßiges Vorkommen in den verschiedensten Geheimsprachen der Welt, wofür u. a. schon I. M. Wagner viele Belege zusammen¬ gestellt seit. Man kann sie im wesentlichen in drei Hauptgruppen einteilen: ab¬ sichtlich vorgenommene Wortverlängerungen, Wortverkürzungcn („Abbreviaturen") und Wortvcränderungen durch Ansehung von Buchstaben oder Silben („Trans¬ positionen"). Die Worterweiteruugen (durch Einschiebung von Buchstaben oder Silben) spielen bekanntlich in fast allen Kinder- und Schülersprachen eine große Rolle. Wem ist nicht noch aus seiner Jugendzeit die ganz entsetzlich fade sogenannte „Erbsensprache" oder die nicht viel weniger geistreiche P- oder B-Sprache in Er¬ innerung? Weniger beliebt sind solche weitschweifigen und schleppenden Formen in den Gaunersprachen, was leicht daraus erhellt, daß diese doch vor allem auch einer raschen Verständigung mit den Genossen dienen sollen, die hierbei fast so gut wie ausgeschlossen erscheint. Immerhin wird man ihre Verwendung im Rot¬ welsch — wenigstens für die ältern Zeiten — nicht ganz in Abrede stellen können. So zählt z. B. der Grammatiker Schottet — und zwar schon im An¬ schluß an andre Gewährsmänner (wie Leonhard Thurueisser 1583 und Daniel Schwerter 1620) in seiner 1663 erschienenen „Ausführlicher Arbeit von der Teutschen Haupt-Sprache" unter den einzelnen Arten des Notwelsch, die er unter¬ scheidet, auch eine solche auf, die fast ganz mit der P-Sprache unsrer Schuljugend übereinstimmt. Sie besteht nämlich, wie er sich ausdrückt, darin, daß „alle Silben gedoppelt oder zweymahl mit zwischenmengung des Buchstaben p ausgesprochen werden," und er versäumt uicht, noch die genauern „Regnier" für die einzelnen Fälle (wie Anfang oder Endung der Silbe mit einem „Mitlauter" oder „Selbst¬ lauter" usw.) aufs gewissenhafteste und mit Anführung einer Menge wahrhaft zungeubrecherischer Beispiele durchzugehn. „Nicht leichtlich," meint er mit Recht, würde wohl jemand, „der dieses Dinges nnberichtet ist," aus dem geschwinde heruutergeschuurrten Sah: „Deipein wipideperwepertipigeper laupaurepet aupauf uipichtipes guputepcs, mcipacheve dipich aupaus depem Staupanbepe" dessen Inhalt („Dein Widerwärtiger lauert auf nichts Gutes, mache dich aus dem Staube") erkennen. Verständlicher erscheint der Gebrauch absichtlicher Wortverkürzungen in den Gaunersprachen, da sie ja deren Zwecke weit mehr entgegenkommen. Man kann für unser Rotwelsch wieder mehrere Unterarten innerhalb dieser Gruppe unter¬ scheiden. Zunächst wird manchmal eine Kürzung von Wortzusammensetzungen da¬ durch bewirkt, daß mau nur die Anfangskvnsonanteu der einzelnen Bestandteile der Verbindung beibehält und diese sodann durch einen Vokal (meist a oder e) miteinander verbindet oder „phonetisch belebt" (Ao?-Lallemand). Danach soll z.B. aus Neichstaler „Rat" (^ R, Ta) oder auch „Rad" als Bezeichnung für Taler überhaupt geworden sein, die (nach Haus Meyer, Der richtige Berliner in Wörtern und Redensarten, 6. Aufl., Berlin 1904, S. 98) noch heute allge¬ mein auch in der Reichshauptstadt bekannt ist. Ebenso mag wohl aus „polnischer" oder „böhmischer Groschen" (vergl. zigcun.: Löüme und noch jetzt berlinerisch: Behm — Groschen) die Abkürzung „Pag, Pans" oder „Bag, Bach, Vachem, Bachen" usw. für den Groschen schlechthin sowie aus „Kopfstück" als einer Be¬ zeichnung für das Zwauzigkreuzerstück „Knsch" entstünden sein. Dieselbe Methode hat man dann aber auch bei uicht zusammengesetzten Wörtern auf deren einzelne Silben angewandt und danach z. B. ans Polizei „Pezet" (— P, Z) gemacht oder unter Verwertung der jüdisch-deutschen Namen der Buchstaben „Pezaddik" (— Pe, Zaddik; zugleich ein Wortspiel, da x-uZilc auch der Gerechte heißt, also gleichsam ironisch: die liebe, gerechte Polizei). Ebenso ist ans dem Gendarm (nach der gewöhnlichen Aussprache: Schandarm) ein „Schindollet" (-^ Schim, Dollet) geworden; und wenn unsre Vagabunden noch heute das Zucht- oder Arbeitshaus „Schim egelswinde" nennen, so hängt auch das, wenigstens zum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/170>, abgerufen am 25.08.2024.