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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Das "Rotwelsch" des deutschen Gauners

herschen (von beuoSieors) für segnen, Paternoster oder Paternolle für den
Rosenkranz und davon Paternollen oder paternaien für beten (vgl. "Betnoster"
als gaunerischer Spitzname) sowie die Ableitungen: Paternollflebbe, Bittschrift,
Patronellfingen, Gebetbuch, Paternapgacker, der Betbruder u. a. in.

Aber nicht bloß für religiöse Begriffe, auch zur Bezeichnung andrer, zum Teil
sogar recht profaner Dinge ist von den Gaunern das Latein verwertet worden,
wobei es oft sogar ganz in seiner ursprünglichen Form und Bedeutung gelassen
worden ist. So findet sich terra,, die Erde, xallina, die Henne, poreus, das
Schweinefleisch, unis, das Ende, nospss, der Wirt. Eine Bedeutungsüberfetzung
liegt vor bei vouus ales (guter Tag) für die Mütze wegen des Grußes bei ihrem
Abnehmen. Nur geringere Veränderungen der äußern Form zeigen die Hauptwörter
Filus (statt ülum) Faden, Kaval oder Kaball, Pferd, Taur, Ochse, Plump. Blei,
Patris, Vater, Vantis, Kind (wohl vom Genitiv: iulauris); die Eigenschaftswörter:
zickus (zickis, zigis), blind (statt vase-us), quant. viel, groß, gut (von ouMtum); die
Zahlwörter: tribis, drei, quadors, vier; zugleich ein Bedeutungswechsel ist vor¬
handen bei Prndenz als Bezeichnung für eine gewisse Art von Gaunerherbergen.
Dem Deutschen mehr angenähert erscheinen: Terich (Theriak). Erde. Anich. Krug,
auch Wirtshaus (wohl von vns.), und Fetzer (abzuleiten von setzen, machen, arbeiten,
aus laosiö), das zwar in der Regel nur in Zusammensetzungen vorkommt, in diesen
aber eins der beliebtesten rotwelschen Wörter zur Bezeichnung einzelner Berufe ist,
wie zum Beispiel Kling(en)fetzer, Spielmann, Musikant, Briefelfetzer, Schreiber,
Rollfetzer, Müller u. a. in. Bei Spieß für Wirt. Spieße für Wirtshaus liegt
nur äußerlich ein völliger Gleichklang mit dem Deutschen vor, denn entstanden sind
diese Bildungen aus dem lat. Iiospss und bosxitium.

Es gibt aber auch umgekehrt eine ziemliche Menge rotwelscher Wörter, die zwar
ein mehr oder weniger lateinisches Aussehen haben, jedoch teils auf andre fremde
Sprachen zurückgehn (so zum Beispiel Bon um, Maul, Mund, auf das jüdische
xouim, Plur. von poro, Gesicht, Sulum, Stroh, auf das kroatische slamÄ, Balduin,
Prügel, Stecken -- nicht etwa auf das frauzös. wrou, sondern auf das Tschechische),
teils von einem gut deutschen Stamme herzuleiten sind (vgl. zum Beispiel Lex,
Hund, vom deutschen Zeitwort lecken), der meist nur in der Endung latinisiert
worden ist. Hierin hat bekanntlich auch die deutsche Studentensprache von jeher
Erkleckliches geleistet, sodaß schon der Satiriker Fischart am Ende des sechzehnten
Jahrhunderts spottete: ..Es sind nicht alle Lateiner, die Gabelus-Zirkus können."
Ebenso hat die Gaunersprache -- nebst den ihr verwandten Geheimsprachen --
besonders gerade die Endungen -us und -um bevorzugt. Nicht allzu schwer zu er¬
kennen sind die in einem Vokabular der Bordellsprache vou Jakob Hartlieb (1501)
aufgeführten pseudolateinischen Vokabeln maseulim sensris: Vilhelmus, später auch
Vielhalmus, Strohsack, wegen seiner vielen Halme, Vilrineus, Panzer (nach den
vielen Ringen) und Biszinkus, Ofengabel; desgleichen die jüngern rotwelschen
Bildungen: Blasius, der Wind. Schiebus, die Tasche und Pictus, das Essen
(vom rotwelschen Zeitwort picken oder Kicken, essen). Dagegen dürfte einen
Rechtshistoriker auf den ersten Blick wohl der Ausdruck Scabinus für Fusel,
schlechten Schnaps, frappieren, denn er klingt genau so wie die mittelalterliche Be¬
zeichnung des Gerichtsschöffen, hat aber natürlich damit gar nichts zu tun, sondern
ist abzuleiten von dem deutschen Zeitworte "schaben" (echt. hos-dar), bedeutet also
ungefähr so viel wie das in Norddeutschland volkstümliche "Rachenputzer." Von
den Latinisierungen des Rotwelschen auf -um (die auch in der dänischen Gauner¬
sprache häufig sind) seien genannt: Lobium, der Laib Brots (bei Jakob Hartlieb
1501), Trararum oder Trallarum, die Post, der Postwagen, gebildet nach
dem Klänge des Posthorns und Kuschmnrum, das Geschriebne, Brief, Akten, wohl
eine Verstümmelung aus "Geschmierum." Burgemorum, der Bürgermeister (in
der Kundensprache), erinnert stark an ältere studentische Formen (wie "Buckelorum").
Dem auch in unsre Gemeinsprache übergegaugnen Ausdrucke "Hochstapler" (sowie


Das „Rotwelsch" des deutschen Gauners

herschen (von beuoSieors) für segnen, Paternoster oder Paternolle für den
Rosenkranz und davon Paternollen oder paternaien für beten (vgl. „Betnoster"
als gaunerischer Spitzname) sowie die Ableitungen: Paternollflebbe, Bittschrift,
Patronellfingen, Gebetbuch, Paternapgacker, der Betbruder u. a. in.

Aber nicht bloß für religiöse Begriffe, auch zur Bezeichnung andrer, zum Teil
sogar recht profaner Dinge ist von den Gaunern das Latein verwertet worden,
wobei es oft sogar ganz in seiner ursprünglichen Form und Bedeutung gelassen
worden ist. So findet sich terra,, die Erde, xallina, die Henne, poreus, das
Schweinefleisch, unis, das Ende, nospss, der Wirt. Eine Bedeutungsüberfetzung
liegt vor bei vouus ales (guter Tag) für die Mütze wegen des Grußes bei ihrem
Abnehmen. Nur geringere Veränderungen der äußern Form zeigen die Hauptwörter
Filus (statt ülum) Faden, Kaval oder Kaball, Pferd, Taur, Ochse, Plump. Blei,
Patris, Vater, Vantis, Kind (wohl vom Genitiv: iulauris); die Eigenschaftswörter:
zickus (zickis, zigis), blind (statt vase-us), quant. viel, groß, gut (von ouMtum); die
Zahlwörter: tribis, drei, quadors, vier; zugleich ein Bedeutungswechsel ist vor¬
handen bei Prndenz als Bezeichnung für eine gewisse Art von Gaunerherbergen.
Dem Deutschen mehr angenähert erscheinen: Terich (Theriak). Erde. Anich. Krug,
auch Wirtshaus (wohl von vns.), und Fetzer (abzuleiten von setzen, machen, arbeiten,
aus laosiö), das zwar in der Regel nur in Zusammensetzungen vorkommt, in diesen
aber eins der beliebtesten rotwelschen Wörter zur Bezeichnung einzelner Berufe ist,
wie zum Beispiel Kling(en)fetzer, Spielmann, Musikant, Briefelfetzer, Schreiber,
Rollfetzer, Müller u. a. in. Bei Spieß für Wirt. Spieße für Wirtshaus liegt
nur äußerlich ein völliger Gleichklang mit dem Deutschen vor, denn entstanden sind
diese Bildungen aus dem lat. Iiospss und bosxitium.

Es gibt aber auch umgekehrt eine ziemliche Menge rotwelscher Wörter, die zwar
ein mehr oder weniger lateinisches Aussehen haben, jedoch teils auf andre fremde
Sprachen zurückgehn (so zum Beispiel Bon um, Maul, Mund, auf das jüdische
xouim, Plur. von poro, Gesicht, Sulum, Stroh, auf das kroatische slamÄ, Balduin,
Prügel, Stecken — nicht etwa auf das frauzös. wrou, sondern auf das Tschechische),
teils von einem gut deutschen Stamme herzuleiten sind (vgl. zum Beispiel Lex,
Hund, vom deutschen Zeitwort lecken), der meist nur in der Endung latinisiert
worden ist. Hierin hat bekanntlich auch die deutsche Studentensprache von jeher
Erkleckliches geleistet, sodaß schon der Satiriker Fischart am Ende des sechzehnten
Jahrhunderts spottete: ..Es sind nicht alle Lateiner, die Gabelus-Zirkus können."
Ebenso hat die Gaunersprache — nebst den ihr verwandten Geheimsprachen —
besonders gerade die Endungen -us und -um bevorzugt. Nicht allzu schwer zu er¬
kennen sind die in einem Vokabular der Bordellsprache vou Jakob Hartlieb (1501)
aufgeführten pseudolateinischen Vokabeln maseulim sensris: Vilhelmus, später auch
Vielhalmus, Strohsack, wegen seiner vielen Halme, Vilrineus, Panzer (nach den
vielen Ringen) und Biszinkus, Ofengabel; desgleichen die jüngern rotwelschen
Bildungen: Blasius, der Wind. Schiebus, die Tasche und Pictus, das Essen
(vom rotwelschen Zeitwort picken oder Kicken, essen). Dagegen dürfte einen
Rechtshistoriker auf den ersten Blick wohl der Ausdruck Scabinus für Fusel,
schlechten Schnaps, frappieren, denn er klingt genau so wie die mittelalterliche Be¬
zeichnung des Gerichtsschöffen, hat aber natürlich damit gar nichts zu tun, sondern
ist abzuleiten von dem deutschen Zeitworte „schaben" (echt. hos-dar), bedeutet also
ungefähr so viel wie das in Norddeutschland volkstümliche „Rachenputzer." Von
den Latinisierungen des Rotwelschen auf -um (die auch in der dänischen Gauner¬
sprache häufig sind) seien genannt: Lobium, der Laib Brots (bei Jakob Hartlieb
1501), Trararum oder Trallarum, die Post, der Postwagen, gebildet nach
dem Klänge des Posthorns und Kuschmnrum, das Geschriebne, Brief, Akten, wohl
eine Verstümmelung aus „Geschmierum." Burgemorum, der Bürgermeister (in
der Kundensprache), erinnert stark an ältere studentische Formen (wie „Buckelorum").
Dem auch in unsre Gemeinsprache übergegaugnen Ausdrucke „Hochstapler" (sowie


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[0167] Das „Rotwelsch" des deutschen Gauners herschen (von beuoSieors) für segnen, Paternoster oder Paternolle für den Rosenkranz und davon Paternollen oder paternaien für beten (vgl. „Betnoster" als gaunerischer Spitzname) sowie die Ableitungen: Paternollflebbe, Bittschrift, Patronellfingen, Gebetbuch, Paternapgacker, der Betbruder u. a. in. Aber nicht bloß für religiöse Begriffe, auch zur Bezeichnung andrer, zum Teil sogar recht profaner Dinge ist von den Gaunern das Latein verwertet worden, wobei es oft sogar ganz in seiner ursprünglichen Form und Bedeutung gelassen worden ist. So findet sich terra,, die Erde, xallina, die Henne, poreus, das Schweinefleisch, unis, das Ende, nospss, der Wirt. Eine Bedeutungsüberfetzung liegt vor bei vouus ales (guter Tag) für die Mütze wegen des Grußes bei ihrem Abnehmen. Nur geringere Veränderungen der äußern Form zeigen die Hauptwörter Filus (statt ülum) Faden, Kaval oder Kaball, Pferd, Taur, Ochse, Plump. Blei, Patris, Vater, Vantis, Kind (wohl vom Genitiv: iulauris); die Eigenschaftswörter: zickus (zickis, zigis), blind (statt vase-us), quant. viel, groß, gut (von ouMtum); die Zahlwörter: tribis, drei, quadors, vier; zugleich ein Bedeutungswechsel ist vor¬ handen bei Prndenz als Bezeichnung für eine gewisse Art von Gaunerherbergen. Dem Deutschen mehr angenähert erscheinen: Terich (Theriak). Erde. Anich. Krug, auch Wirtshaus (wohl von vns.), und Fetzer (abzuleiten von setzen, machen, arbeiten, aus laosiö), das zwar in der Regel nur in Zusammensetzungen vorkommt, in diesen aber eins der beliebtesten rotwelschen Wörter zur Bezeichnung einzelner Berufe ist, wie zum Beispiel Kling(en)fetzer, Spielmann, Musikant, Briefelfetzer, Schreiber, Rollfetzer, Müller u. a. in. Bei Spieß für Wirt. Spieße für Wirtshaus liegt nur äußerlich ein völliger Gleichklang mit dem Deutschen vor, denn entstanden sind diese Bildungen aus dem lat. Iiospss und bosxitium. Es gibt aber auch umgekehrt eine ziemliche Menge rotwelscher Wörter, die zwar ein mehr oder weniger lateinisches Aussehen haben, jedoch teils auf andre fremde Sprachen zurückgehn (so zum Beispiel Bon um, Maul, Mund, auf das jüdische xouim, Plur. von poro, Gesicht, Sulum, Stroh, auf das kroatische slamÄ, Balduin, Prügel, Stecken — nicht etwa auf das frauzös. wrou, sondern auf das Tschechische), teils von einem gut deutschen Stamme herzuleiten sind (vgl. zum Beispiel Lex, Hund, vom deutschen Zeitwort lecken), der meist nur in der Endung latinisiert worden ist. Hierin hat bekanntlich auch die deutsche Studentensprache von jeher Erkleckliches geleistet, sodaß schon der Satiriker Fischart am Ende des sechzehnten Jahrhunderts spottete: ..Es sind nicht alle Lateiner, die Gabelus-Zirkus können." Ebenso hat die Gaunersprache — nebst den ihr verwandten Geheimsprachen — besonders gerade die Endungen -us und -um bevorzugt. Nicht allzu schwer zu er¬ kennen sind die in einem Vokabular der Bordellsprache vou Jakob Hartlieb (1501) aufgeführten pseudolateinischen Vokabeln maseulim sensris: Vilhelmus, später auch Vielhalmus, Strohsack, wegen seiner vielen Halme, Vilrineus, Panzer (nach den vielen Ringen) und Biszinkus, Ofengabel; desgleichen die jüngern rotwelschen Bildungen: Blasius, der Wind. Schiebus, die Tasche und Pictus, das Essen (vom rotwelschen Zeitwort picken oder Kicken, essen). Dagegen dürfte einen Rechtshistoriker auf den ersten Blick wohl der Ausdruck Scabinus für Fusel, schlechten Schnaps, frappieren, denn er klingt genau so wie die mittelalterliche Be¬ zeichnung des Gerichtsschöffen, hat aber natürlich damit gar nichts zu tun, sondern ist abzuleiten von dem deutschen Zeitworte „schaben" (echt. hos-dar), bedeutet also ungefähr so viel wie das in Norddeutschland volkstümliche „Rachenputzer." Von den Latinisierungen des Rotwelschen auf -um (die auch in der dänischen Gauner¬ sprache häufig sind) seien genannt: Lobium, der Laib Brots (bei Jakob Hartlieb 1501), Trararum oder Trallarum, die Post, der Postwagen, gebildet nach dem Klänge des Posthorns und Kuschmnrum, das Geschriebne, Brief, Akten, wohl eine Verstümmelung aus „Geschmierum." Burgemorum, der Bürgermeister (in der Kundensprache), erinnert stark an ältere studentische Formen (wie „Buckelorum"). Dem auch in unsre Gemeinsprache übergegaugnen Ausdrucke „Hochstapler" (sowie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/167>, abgerufen am 23.07.2024.