Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.Goethe als Erneuerer erinnert: "Mir wurde wie eine neue Seele." Goethe selbst gebraucht gern So ergeht es ihm ja auch, als er Amor dem Landschaftsmaler zusieht: Als geliebtes Symbol aus der Natur für das hohe Ideal eines immer gleichen Sie: Laß regnen, gleich erscheint die neue, Du weinst! Schon bin ich wieder da. Er: Ja du bist wohl an Iris zu vergleichen! Ein liebenswürdig Wunderzeichen. So schmiegsam herrlich, bunt in Harmonie, Und immer neu und immer gleich wie sie. Aber keinem Ideale war Goethe so verpflichtet wie der Wahrheit; neben Goethe als Erneuerer erinnert: „Mir wurde wie eine neue Seele." Goethe selbst gebraucht gern So ergeht es ihm ja auch, als er Amor dem Landschaftsmaler zusieht: Als geliebtes Symbol aus der Natur für das hohe Ideal eines immer gleichen Sie: Laß regnen, gleich erscheint die neue, Du weinst! Schon bin ich wieder da. Er: Ja du bist wohl an Iris zu vergleichen! Ein liebenswürdig Wunderzeichen. So schmiegsam herrlich, bunt in Harmonie, Und immer neu und immer gleich wie sie. Aber keinem Ideale war Goethe so verpflichtet wie der Wahrheit; neben <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0163" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294580"/> <fw type="header" place="top"> Goethe als Erneuerer</fw><lb/> <p xml:id="ID_630" prev="#ID_629" next="#ID_631"> erinnert: „Mir wurde wie eine neue Seele." Goethe selbst gebraucht gern<lb/> den rundem Ausdruck: wie neugeboren sein. Neu geboren kam er sich bei<lb/> seiner Ankunft in Italien vor, im Frühjahr darauf schrieb er abermals nach<lb/> Hause: „Gewiß, es wäre besser, ich käme gar nicht wieder, wenn ich nicht<lb/> wiedergeboren zurück käme." Orientalisch fühlend läßt er den Paria betend<lb/> danken: Uns, die tief herabgesetzten, alle hast du neugeboren; in guter Laune<lb/> erklärt er Flasche wie Liebchen für gleich unüberwindlich und sich trotz tausendmal<lb/> geschwornen Mißtrauens gegen sie doch bei ihrem Anblick „wie neugeboren."<lb/> Auch hohes Kunstentzücken gewährt ihm ein Gefühl dieser vollständigen Er¬<lb/> neuerung: ^ ^<lb/> oineraudi</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_19" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_631" prev="#ID_630" next="#ID_632"> So ergeht es ihm ja auch, als er Amor dem Landschaftsmaler zusieht:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_20" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_632" prev="#ID_631"> Als geliebtes Symbol aus der Natur für das hohe Ideal eines immer gleichen<lb/> und immer neuen Daseins dient ihm der immer wieder einzig neue Anblick<lb/> des Regenbogens, wie es am innigsten die Äolsharfen andeuten:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_21" type="poem"> <l><note type="speaker"> Sie:</note> Laß regnen, gleich erscheint die neue,<lb/> Du weinst! Schon bin ich wieder da.<lb/><note type="speaker"> Er:</note> Ja du bist wohl an Iris zu vergleichen!<lb/> Ein liebenswürdig Wunderzeichen.<lb/> So schmiegsam herrlich, bunt in Harmonie,<lb/> Und immer neu und immer gleich wie sie.<lb/></l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_633"> Aber keinem Ideale war Goethe so verpflichtet wie der Wahrheit; neben<lb/> allem Erneuerungsdenken hat er das in ihm selbst heraufziehende Alter nicht<lb/> verkannt. Und wenn er sich dann fragte, ob denn nicht ein seelischer Begriff<lb/> aus dem Leben herauszuheben sei, der trotz übrigem Altern ewige Neuheit in<lb/> sich schließe, so bot sich ihm der der Lust. Darum will zu unsrer, der wenn<lb/> nicht Klügern, so doch Neuen Lust noch seine Liebe dauern, und darum stellte<lb/> er für die alte herzensfrische Herzogin Alter und Jugend auf der Bühne dar<lb/> als Altrat und Neulust<note type="byline"> Rudolf wustmann</note> , Paläophron und Neoterpe.<lb/> ^ ^ ^ </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0163]
Goethe als Erneuerer
erinnert: „Mir wurde wie eine neue Seele." Goethe selbst gebraucht gern
den rundem Ausdruck: wie neugeboren sein. Neu geboren kam er sich bei
seiner Ankunft in Italien vor, im Frühjahr darauf schrieb er abermals nach
Hause: „Gewiß, es wäre besser, ich käme gar nicht wieder, wenn ich nicht
wiedergeboren zurück käme." Orientalisch fühlend läßt er den Paria betend
danken: Uns, die tief herabgesetzten, alle hast du neugeboren; in guter Laune
erklärt er Flasche wie Liebchen für gleich unüberwindlich und sich trotz tausendmal
geschwornen Mißtrauens gegen sie doch bei ihrem Anblick „wie neugeboren."
Auch hohes Kunstentzücken gewährt ihm ein Gefühl dieser vollständigen Er¬
neuerung: ^ ^
oineraudi
So ergeht es ihm ja auch, als er Amor dem Landschaftsmaler zusieht:
Als geliebtes Symbol aus der Natur für das hohe Ideal eines immer gleichen
und immer neuen Daseins dient ihm der immer wieder einzig neue Anblick
des Regenbogens, wie es am innigsten die Äolsharfen andeuten:
Sie: Laß regnen, gleich erscheint die neue,
Du weinst! Schon bin ich wieder da.
Er: Ja du bist wohl an Iris zu vergleichen!
Ein liebenswürdig Wunderzeichen.
So schmiegsam herrlich, bunt in Harmonie,
Und immer neu und immer gleich wie sie.
Aber keinem Ideale war Goethe so verpflichtet wie der Wahrheit; neben
allem Erneuerungsdenken hat er das in ihm selbst heraufziehende Alter nicht
verkannt. Und wenn er sich dann fragte, ob denn nicht ein seelischer Begriff
aus dem Leben herauszuheben sei, der trotz übrigem Altern ewige Neuheit in
sich schließe, so bot sich ihm der der Lust. Darum will zu unsrer, der wenn
nicht Klügern, so doch Neuen Lust noch seine Liebe dauern, und darum stellte
er für die alte herzensfrische Herzogin Alter und Jugend auf der Bühne dar
als Altrat und Neulust Rudolf wustmann , Paläophron und Neoterpe.
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