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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

wird ihn der schönste Protest in klassischem Magyarisch nicht retten, und so lange
solche Strömungen ausbleiben, wird der ungarische Staat fortbestehu, mag auch
kein Mensch mehr darin den tatarischen Dialekt sprechen.

Nachträglich lesen wir, daß der ungarische Kultus- und Unterrichtsminister
einen neuen Volksschulgesetzentwurf hat ausarbeiten lassen, wonach in den Staats¬
schulen das Magyarische ausschließliche Unterrichtssprache sein soll, die Konfessions-
schnlen verpflichtet werden, einen magyarischen Parallelunterricht einzuführen, wenn
sie zwanzig Prozent Schüler mit magyarischer Muttersprache haben, und die Lehrer
mit harten Disziplinarstrafen bedroht werden, wenn sie nicht alle ihre Schüler
binnen sechs Jahren so weit bringen, daß sie fertig magyarisch sprechen und
schreiben. Das ist die Regierung, die nach Rats wenig tut und kaum mehr tun
kann, als der natürlichen Entwicklung freien Lauf lassen!


Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache.

Die interessanten Ausführungen, die unter dieser Überschrift im Jahrgang 1903
der Grenzboten erschienen, möchte ich in einem Punkte erweitern. Dieselben leiteten
(S. 661) die Redensart "einen Span wider jemand haben" von der Gepflogenheit
der Femgerichte ab, gefährliche persönliche Ladungen des Angeklagten durch eine
Lies,t,lo An avoua zu ersetzen, bei der unter andern Förmlichkeiten auch Späne aus
der Tür gehauen wurden. Wenn auch nicht bezweifelt werden soll, daß ein Zu¬
sammenhang auch zwischen dieser Gepflogenheit und der Redensart besteht, so kann
man doch kaum annehmen, daß sich an eine immerhin kurzlebige (Ende des vier¬
zehnten sowie im fünfzehnten Jahrhundert) und nur in Westfalen zu voller Ent¬
faltung gelangte Einrichtung allein eine in deutschen Landen weit verbreitete
Redensart anschließen und fünf Jahrhunderte fortleben konnte. Insbesondre kann
man das für Süddeutschland nicht annehmen.

In der Tat konnte man im ältern deutschen Recht auch noch in einem andern
Sinn "einen Span wider jemand haben." Hatte jemand wiederkehrende Abgaben
von einem Grundstück (Reallasten, Gulden, Ewiggelder, Zinsen) zu fordern, und
zahlte der Grundstücksbesitzer nicht in Güte, so erwirkte der Gläubiger vom Gerichte
den Auftrag an den Gerichtsboten, an dem belasteten Grundstück den Span- oder
Wasenschnitt vorzunehmen, d. h. der Gerichtsbote mußte zum Symbol der begin¬
nenden Zwangsvollstreckung aus dem belasteten Haus einen Span, aus dem be¬
lasteten Grund ein Stück Wasen (bayrisch -- Rasen mit Erde) ausschneiden und
diese Objekte dem Gläubiger einhändigen oder zu Gericht bringen. Dieses Ver¬
fahren war weithin in Deutschland von alters her üblich; für Norddeutschland
bezeugt es zum Beispiel Pauli (Wieboldrenten, Lübeck 1865. S. 94). Weit im
deutschen Osten, in Mähren, bestimmt die Olmützer Gerichtsordnung (um 1550)
in Teil I Art. X: "Erlegt der Beklagte in den treiben tagen*) die erbgülde nicht,
und Kläger kombt noch verscheinunge der dreiher tage widerumb zu gerichte, so
erlegt ehr dem Gerichte die gerechtigkeit**) . . . und lest den nochrichter den selben
grund spaehnen, das ist: ehr schneidet einen spähn aus der eueren oder
tuergericht und gibt in dem klaeger." Dasselbe beobachten wir auch im
deutschen Süden, zum Beispiel in Altbayern, wo der Spanschnitt seit uralten Zeiten
als Symbol dafür in Brauch war, daß mau dem Schuldner seine Güter zwangs¬
weise nehme. Kaspar von Schmid, der Kommentator der bayrischen Gesetzgebung
von 1616, spricht von knticma oonsuswäo (vergl. vowrasnt. ecliLwIkm proosWuin
tit. 3 art. 2 n. 2). Die Gantordnung der Stadt München von 1571 enthält für
den Ewiggeldprozeß in Art. 2 den Span- oder den Wasenschnitt als Förmlichkeit
des Verfahrens. In gleichlautenden Bestimmungen trifft die bayrische Landes-
ordnung von 1573 und der Gantprozeß von 1616 Vorsorge, daß von der Obrig-




*) Eine Frist, die ihm auf Verlangen eingeräumt werden mußte.
**) Gebühr.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

wird ihn der schönste Protest in klassischem Magyarisch nicht retten, und so lange
solche Strömungen ausbleiben, wird der ungarische Staat fortbestehu, mag auch
kein Mensch mehr darin den tatarischen Dialekt sprechen.

Nachträglich lesen wir, daß der ungarische Kultus- und Unterrichtsminister
einen neuen Volksschulgesetzentwurf hat ausarbeiten lassen, wonach in den Staats¬
schulen das Magyarische ausschließliche Unterrichtssprache sein soll, die Konfessions-
schnlen verpflichtet werden, einen magyarischen Parallelunterricht einzuführen, wenn
sie zwanzig Prozent Schüler mit magyarischer Muttersprache haben, und die Lehrer
mit harten Disziplinarstrafen bedroht werden, wenn sie nicht alle ihre Schüler
binnen sechs Jahren so weit bringen, daß sie fertig magyarisch sprechen und
schreiben. Das ist die Regierung, die nach Rats wenig tut und kaum mehr tun
kann, als der natürlichen Entwicklung freien Lauf lassen!


Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache.

Die interessanten Ausführungen, die unter dieser Überschrift im Jahrgang 1903
der Grenzboten erschienen, möchte ich in einem Punkte erweitern. Dieselben leiteten
(S. 661) die Redensart „einen Span wider jemand haben" von der Gepflogenheit
der Femgerichte ab, gefährliche persönliche Ladungen des Angeklagten durch eine
Lies,t,lo An avoua zu ersetzen, bei der unter andern Förmlichkeiten auch Späne aus
der Tür gehauen wurden. Wenn auch nicht bezweifelt werden soll, daß ein Zu¬
sammenhang auch zwischen dieser Gepflogenheit und der Redensart besteht, so kann
man doch kaum annehmen, daß sich an eine immerhin kurzlebige (Ende des vier¬
zehnten sowie im fünfzehnten Jahrhundert) und nur in Westfalen zu voller Ent¬
faltung gelangte Einrichtung allein eine in deutschen Landen weit verbreitete
Redensart anschließen und fünf Jahrhunderte fortleben konnte. Insbesondre kann
man das für Süddeutschland nicht annehmen.

In der Tat konnte man im ältern deutschen Recht auch noch in einem andern
Sinn „einen Span wider jemand haben." Hatte jemand wiederkehrende Abgaben
von einem Grundstück (Reallasten, Gulden, Ewiggelder, Zinsen) zu fordern, und
zahlte der Grundstücksbesitzer nicht in Güte, so erwirkte der Gläubiger vom Gerichte
den Auftrag an den Gerichtsboten, an dem belasteten Grundstück den Span- oder
Wasenschnitt vorzunehmen, d. h. der Gerichtsbote mußte zum Symbol der begin¬
nenden Zwangsvollstreckung aus dem belasteten Haus einen Span, aus dem be¬
lasteten Grund ein Stück Wasen (bayrisch — Rasen mit Erde) ausschneiden und
diese Objekte dem Gläubiger einhändigen oder zu Gericht bringen. Dieses Ver¬
fahren war weithin in Deutschland von alters her üblich; für Norddeutschland
bezeugt es zum Beispiel Pauli (Wieboldrenten, Lübeck 1865. S. 94). Weit im
deutschen Osten, in Mähren, bestimmt die Olmützer Gerichtsordnung (um 1550)
in Teil I Art. X: „Erlegt der Beklagte in den treiben tagen*) die erbgülde nicht,
und Kläger kombt noch verscheinunge der dreiher tage widerumb zu gerichte, so
erlegt ehr dem Gerichte die gerechtigkeit**) . . . und lest den nochrichter den selben
grund spaehnen, das ist: ehr schneidet einen spähn aus der eueren oder
tuergericht und gibt in dem klaeger." Dasselbe beobachten wir auch im
deutschen Süden, zum Beispiel in Altbayern, wo der Spanschnitt seit uralten Zeiten
als Symbol dafür in Brauch war, daß mau dem Schuldner seine Güter zwangs¬
weise nehme. Kaspar von Schmid, der Kommentator der bayrischen Gesetzgebung
von 1616, spricht von knticma oonsuswäo (vergl. vowrasnt. ecliLwIkm proosWuin
tit. 3 art. 2 n. 2). Die Gantordnung der Stadt München von 1571 enthält für
den Ewiggeldprozeß in Art. 2 den Span- oder den Wasenschnitt als Förmlichkeit
des Verfahrens. In gleichlautenden Bestimmungen trifft die bayrische Landes-
ordnung von 1573 und der Gantprozeß von 1616 Vorsorge, daß von der Obrig-




*) Eine Frist, die ihm auf Verlangen eingeräumt werden mußte.
**) Gebühr.
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[0731] Maßgebliches und Unmaßgebliches wird ihn der schönste Protest in klassischem Magyarisch nicht retten, und so lange solche Strömungen ausbleiben, wird der ungarische Staat fortbestehu, mag auch kein Mensch mehr darin den tatarischen Dialekt sprechen. Nachträglich lesen wir, daß der ungarische Kultus- und Unterrichtsminister einen neuen Volksschulgesetzentwurf hat ausarbeiten lassen, wonach in den Staats¬ schulen das Magyarische ausschließliche Unterrichtssprache sein soll, die Konfessions- schnlen verpflichtet werden, einen magyarischen Parallelunterricht einzuführen, wenn sie zwanzig Prozent Schüler mit magyarischer Muttersprache haben, und die Lehrer mit harten Disziplinarstrafen bedroht werden, wenn sie nicht alle ihre Schüler binnen sechs Jahren so weit bringen, daß sie fertig magyarisch sprechen und schreiben. Das ist die Regierung, die nach Rats wenig tut und kaum mehr tun kann, als der natürlichen Entwicklung freien Lauf lassen! Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache. Die interessanten Ausführungen, die unter dieser Überschrift im Jahrgang 1903 der Grenzboten erschienen, möchte ich in einem Punkte erweitern. Dieselben leiteten (S. 661) die Redensart „einen Span wider jemand haben" von der Gepflogenheit der Femgerichte ab, gefährliche persönliche Ladungen des Angeklagten durch eine Lies,t,lo An avoua zu ersetzen, bei der unter andern Förmlichkeiten auch Späne aus der Tür gehauen wurden. Wenn auch nicht bezweifelt werden soll, daß ein Zu¬ sammenhang auch zwischen dieser Gepflogenheit und der Redensart besteht, so kann man doch kaum annehmen, daß sich an eine immerhin kurzlebige (Ende des vier¬ zehnten sowie im fünfzehnten Jahrhundert) und nur in Westfalen zu voller Ent¬ faltung gelangte Einrichtung allein eine in deutschen Landen weit verbreitete Redensart anschließen und fünf Jahrhunderte fortleben konnte. Insbesondre kann man das für Süddeutschland nicht annehmen. In der Tat konnte man im ältern deutschen Recht auch noch in einem andern Sinn „einen Span wider jemand haben." Hatte jemand wiederkehrende Abgaben von einem Grundstück (Reallasten, Gulden, Ewiggelder, Zinsen) zu fordern, und zahlte der Grundstücksbesitzer nicht in Güte, so erwirkte der Gläubiger vom Gerichte den Auftrag an den Gerichtsboten, an dem belasteten Grundstück den Span- oder Wasenschnitt vorzunehmen, d. h. der Gerichtsbote mußte zum Symbol der begin¬ nenden Zwangsvollstreckung aus dem belasteten Haus einen Span, aus dem be¬ lasteten Grund ein Stück Wasen (bayrisch — Rasen mit Erde) ausschneiden und diese Objekte dem Gläubiger einhändigen oder zu Gericht bringen. Dieses Ver¬ fahren war weithin in Deutschland von alters her üblich; für Norddeutschland bezeugt es zum Beispiel Pauli (Wieboldrenten, Lübeck 1865. S. 94). Weit im deutschen Osten, in Mähren, bestimmt die Olmützer Gerichtsordnung (um 1550) in Teil I Art. X: „Erlegt der Beklagte in den treiben tagen*) die erbgülde nicht, und Kläger kombt noch verscheinunge der dreiher tage widerumb zu gerichte, so erlegt ehr dem Gerichte die gerechtigkeit**) . . . und lest den nochrichter den selben grund spaehnen, das ist: ehr schneidet einen spähn aus der eueren oder tuergericht und gibt in dem klaeger." Dasselbe beobachten wir auch im deutschen Süden, zum Beispiel in Altbayern, wo der Spanschnitt seit uralten Zeiten als Symbol dafür in Brauch war, daß mau dem Schuldner seine Güter zwangs¬ weise nehme. Kaspar von Schmid, der Kommentator der bayrischen Gesetzgebung von 1616, spricht von knticma oonsuswäo (vergl. vowrasnt. ecliLwIkm proosWuin tit. 3 art. 2 n. 2). Die Gantordnung der Stadt München von 1571 enthält für den Ewiggeldprozeß in Art. 2 den Span- oder den Wasenschnitt als Förmlichkeit des Verfahrens. In gleichlautenden Bestimmungen trifft die bayrische Landes- ordnung von 1573 und der Gantprozeß von 1616 Vorsorge, daß von der Obrig- *) Eine Frist, die ihm auf Verlangen eingeräumt werden mußte. **) Gebühr.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/731>, abgerufen am 13.11.2024.