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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Der arme Dworschak

-- nun ist er auch tot! Wollen wir ihm denn aber nicht
wenigstens im Tode seinen ehrlichen Namen geben? Wie lange soll der Unsinn
noch fortgehn, daß dieser treffliche böhmische Komponist, in dessen Nachlaß sich,,
wie eine Zeitungsnachricht kürzlich mitteilte, noch drei Symphonien vorgefunden haben,
in allen deutschen Zeitungen Dworak gedruckt wird? Der Unsinn ist um so ärger¬
licher, da Dworschak im Böhmischen ein ganz gewöhnlicher und weit verbreiteter
Personenname ist, ungefähr so verbreitet wie im Deutschen der Name Meier.
Dworschak heißt sogar Meier. Schon in dem viersprachigen böhmischen Wörterbuch
von Daniel Adam, das 1598 in Prag erschienen ist unter dem Titel: LilvÄ quaäri-
linAuis voos.vuloruin Lobsinieg.6, I/g,tira,iz, Lsrs,scÄ<z se (FerwÄniog-o linZus,", wird
äworsebÄk übersetzt: "villarms, villieus, eolonus, "/^>o!xos, ^ec-^^s, Meier, Bauer,
der in einem Meierhof oder auf dem Felde wohnet." Wie ist das Wort aber dort
geschrieben, und wie wird es noch heute im Böhmischen geschrieben? DworÄc! Also mit
einem Accent auf der zweiten Silbe und über dem r mit einem Zeichen, das ungefähr
aussieht wie ein auf dem Kopfe stehender aoesnt eirooMsxs. Dieses r mit dem
verkehrten Dächelchen wird aber eben im Böhmischen rhor ausgesprochen. Die
deutschen Druckereien haben natürlich in ihren Setzerkasten diese Type nicht. Wenn
sie sie aber auch hätten und hinsetzten, so würde uns das gar nichts helfen, denn
wieviel Leute in Deutschland wissen denn, wie dieses ? auszusprechen ist? Anstatt
nun das einzig vernünftige zu tun und die Type im Deutschen so auszusetzen,,
wie sie eben klingt, lassen die deutschen Zeitungen das Zeichen über dem r einfach
weg und nennen den armen Mann Dworak. So oft ich es lese oder höre, muß ich
immer an Chodowiecki denken, den man sogar aus dem Munde recht "gebildeter"
Leute als Schodowiekki zu hören bekommt, nur weil auch hier der Unsinn begangen
wird, den Namen so zu schreiben, wie er im Polnischen geschrieben wird (wozu
dann noch zum Zeichen höchster "Bildung" ein bißchen "französische" Aussprache
gebracht wird, nach Schokolade!), anstatt ihn so zu schreiben, wie er im Polnischen
gesprochen wird: Kodowietzki.

Franzosen und Engländer schreiben Personen- und Ortsnamen aus entlegnen
Sprachen immer so, wie sie sie hören. Nur wir Deutschen sind die gründlichen
Narren, die gewissenhaft die Buchstaben nachmalen. Bei dem Namen Dworak
haben wir aber nicht einmal das getan, wir haben den Namen geradezu ver¬
stümmelt, verdorben, gefälscht. Der Mann heißt Dworschak. Hoffentlich wird er
unter diesem Namen in der Musikgeschichte fortleben!




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Karl Marquart in Leipzig




Maßgebliches und Unmaßgebliches

Der arme Dworschak

— nun ist er auch tot! Wollen wir ihm denn aber nicht
wenigstens im Tode seinen ehrlichen Namen geben? Wie lange soll der Unsinn
noch fortgehn, daß dieser treffliche böhmische Komponist, in dessen Nachlaß sich,,
wie eine Zeitungsnachricht kürzlich mitteilte, noch drei Symphonien vorgefunden haben,
in allen deutschen Zeitungen Dworak gedruckt wird? Der Unsinn ist um so ärger¬
licher, da Dworschak im Böhmischen ein ganz gewöhnlicher und weit verbreiteter
Personenname ist, ungefähr so verbreitet wie im Deutschen der Name Meier.
Dworschak heißt sogar Meier. Schon in dem viersprachigen böhmischen Wörterbuch
von Daniel Adam, das 1598 in Prag erschienen ist unter dem Titel: LilvÄ quaäri-
linAuis voos.vuloruin Lobsinieg.6, I/g,tira,iz, Lsrs,scÄ<z se (FerwÄniog-o linZus,«, wird
äworsebÄk übersetzt: „villarms, villieus, eolonus, «/^>o!xos, ^ec-^^s, Meier, Bauer,
der in einem Meierhof oder auf dem Felde wohnet." Wie ist das Wort aber dort
geschrieben, und wie wird es noch heute im Böhmischen geschrieben? DworÄc! Also mit
einem Accent auf der zweiten Silbe und über dem r mit einem Zeichen, das ungefähr
aussieht wie ein auf dem Kopfe stehender aoesnt eirooMsxs. Dieses r mit dem
verkehrten Dächelchen wird aber eben im Böhmischen rhor ausgesprochen. Die
deutschen Druckereien haben natürlich in ihren Setzerkasten diese Type nicht. Wenn
sie sie aber auch hätten und hinsetzten, so würde uns das gar nichts helfen, denn
wieviel Leute in Deutschland wissen denn, wie dieses ? auszusprechen ist? Anstatt
nun das einzig vernünftige zu tun und die Type im Deutschen so auszusetzen,,
wie sie eben klingt, lassen die deutschen Zeitungen das Zeichen über dem r einfach
weg und nennen den armen Mann Dworak. So oft ich es lese oder höre, muß ich
immer an Chodowiecki denken, den man sogar aus dem Munde recht „gebildeter"
Leute als Schodowiekki zu hören bekommt, nur weil auch hier der Unsinn begangen
wird, den Namen so zu schreiben, wie er im Polnischen geschrieben wird (wozu
dann noch zum Zeichen höchster „Bildung" ein bißchen „französische" Aussprache
gebracht wird, nach Schokolade!), anstatt ihn so zu schreiben, wie er im Polnischen
gesprochen wird: Kodowietzki.

Franzosen und Engländer schreiben Personen- und Ortsnamen aus entlegnen
Sprachen immer so, wie sie sie hören. Nur wir Deutschen sind die gründlichen
Narren, die gewissenhaft die Buchstaben nachmalen. Bei dem Namen Dworak
haben wir aber nicht einmal das getan, wir haben den Namen geradezu ver¬
stümmelt, verdorben, gefälscht. Der Mann heißt Dworschak. Hoffentlich wird er
unter diesem Namen in der Musikgeschichte fortleben!




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig




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[0672] Maßgebliches und Unmaßgebliches Der arme Dworschak — nun ist er auch tot! Wollen wir ihm denn aber nicht wenigstens im Tode seinen ehrlichen Namen geben? Wie lange soll der Unsinn noch fortgehn, daß dieser treffliche böhmische Komponist, in dessen Nachlaß sich,, wie eine Zeitungsnachricht kürzlich mitteilte, noch drei Symphonien vorgefunden haben, in allen deutschen Zeitungen Dworak gedruckt wird? Der Unsinn ist um so ärger¬ licher, da Dworschak im Böhmischen ein ganz gewöhnlicher und weit verbreiteter Personenname ist, ungefähr so verbreitet wie im Deutschen der Name Meier. Dworschak heißt sogar Meier. Schon in dem viersprachigen böhmischen Wörterbuch von Daniel Adam, das 1598 in Prag erschienen ist unter dem Titel: LilvÄ quaäri- linAuis voos.vuloruin Lobsinieg.6, I/g,tira,iz, Lsrs,scÄ<z se (FerwÄniog-o linZus,«, wird äworsebÄk übersetzt: „villarms, villieus, eolonus, «/^>o!xos, ^ec-^^s, Meier, Bauer, der in einem Meierhof oder auf dem Felde wohnet." Wie ist das Wort aber dort geschrieben, und wie wird es noch heute im Böhmischen geschrieben? DworÄc! Also mit einem Accent auf der zweiten Silbe und über dem r mit einem Zeichen, das ungefähr aussieht wie ein auf dem Kopfe stehender aoesnt eirooMsxs. Dieses r mit dem verkehrten Dächelchen wird aber eben im Böhmischen rhor ausgesprochen. Die deutschen Druckereien haben natürlich in ihren Setzerkasten diese Type nicht. Wenn sie sie aber auch hätten und hinsetzten, so würde uns das gar nichts helfen, denn wieviel Leute in Deutschland wissen denn, wie dieses ? auszusprechen ist? Anstatt nun das einzig vernünftige zu tun und die Type im Deutschen so auszusetzen,, wie sie eben klingt, lassen die deutschen Zeitungen das Zeichen über dem r einfach weg und nennen den armen Mann Dworak. So oft ich es lese oder höre, muß ich immer an Chodowiecki denken, den man sogar aus dem Munde recht „gebildeter" Leute als Schodowiekki zu hören bekommt, nur weil auch hier der Unsinn begangen wird, den Namen so zu schreiben, wie er im Polnischen geschrieben wird (wozu dann noch zum Zeichen höchster „Bildung" ein bißchen „französische" Aussprache gebracht wird, nach Schokolade!), anstatt ihn so zu schreiben, wie er im Polnischen gesprochen wird: Kodowietzki. Franzosen und Engländer schreiben Personen- und Ortsnamen aus entlegnen Sprachen immer so, wie sie sie hören. Nur wir Deutschen sind die gründlichen Narren, die gewissenhaft die Buchstaben nachmalen. Bei dem Namen Dworak haben wir aber nicht einmal das getan, wir haben den Namen geradezu ver¬ stümmelt, verdorben, gefälscht. Der Mann heißt Dworschak. Hoffentlich wird er unter diesem Namen in der Musikgeschichte fortleben! Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/672>, abgerufen am 13.11.2024.