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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Wurfen empfangen, dieser aber solche nicht entgegennehmen können. Die Spannung, die
infolgedessen zwischen dem Vatikan und Paris eingetreten ist, wird selbstverständlich
nicht von Dauer sein. Eines Tags wird an ihre Stelle die Erkenntnis treten, daß
Frankreich und das Papsttum einander bedürfen. Aber für das Ansehen des
Heiligen Stuhls ist es immerhin ein Präzedenzfall von bleibender historischer Trag¬
weite, daß das katholische Oberhaupt eines katholischen Staates, obendrein Frank¬
reichs, zum offiziellen Bestich des Königs von Italien nach Rom kam -- und den
Papst ignorierte. Frankreich hatte allerdings an Italien viel gut zu machen. Es
mußte endgiltig den Eindruck verwischen, daß der Weg nach Rom für das junge
Königreich über Sedan gegangen war, und daß nnr die Erfolge der deutschen
Waffen der italienischen Trikolore die Entfaltung in der ewigen Stadt ermöglicht
hatten. Loubets Besuch bedeutete unter den obwaltenden Umständen eine so gründ¬
liche und endgiltige Anerkennung der italienischen Einheit, wie sie Italien von
Frankreich aus bisher noch nicht zuteil geworden war. Für den Liberalismus
und namentlich für den Republikanismus in Italien begründete das zugleich eine
innere Annäherung. Nur schade, daß der Besuch des deutschen Kaisers in Neapel,
sein Verkehr als Monarch zu Monarch mit dem König Viktor Emanuel und die
lebhafte Betonung des Dreibundes vorangegangen waren.

Ein gutes Verhältnis zu Frankreich ist für Italien gewiß bequem und an¬
genehm, namentlich solange seine wirtschaftliche Lage die möglichsten Einschränkungen
in der Entfaltung seiner Wehrkraft gebietet. Aber jeder verständige Italiener
wird sich sagen, daß das Verhältnis zu Frankreich abhängig bleibt von dessen
innerer Politik, daß ein klerikales Regime, eine klerikale Kammermehrheit in Paris
die heutige Lage leicht in ihr Gegenteil Verkehren können, während Italien von
Deutschland niemals eine Gefährdung seiner nationalen Existenz und Integrität
zu befürchten haben wird. Irgend ein Gegensatz deutscher und italienischer Inter¬
essen ist so gut wie ausgeschlossen, während jede Machterweiternng Frankreichs im
Mittelmeer so ipso eine Bedrohung für Italien in sich schließt. Die franco-
italienische Annäherung hat mithin doch nur den Wert einer je nach der Tageszeit
wechselnden Beleuchtung. Sogar wenn sich Italien seinen Dreibundpflichten völlig ver¬
sagen sollte, oder sich der französischen Unterstützung für irgend welche Zukunftsträume
versichert haben sollte, kann Deutschland auch einen solchen Wechsel der Situation
in ruhiger Gelassenheit mit ansehen. Dasselbe gilt von den unzähligen Kommen¬
taren, mit denen englische und namentlich französische Blätter den Besuch König
Edwards in Kiel im voraus überhäufen. Den Franzosen mag die Sache etwas un¬
bequem sein; sie haben offenbar die Sorge, daß der königliche Oheim für seinen kaiser¬
lichen Neffen, dem er schon im Mittelmeer so große Aufmerksamkeiten hat erweisen
lassen, die Grundlage einer deutsch-englischen Annäherung in der Tasche mitbringe,
und daß die englisch-französische Annäherung dadurch aufgewogen werden könnte. Diese
nervöse Unruhe in der französischen oder von Paris aus inspirierten englischen
Presse mag dem deutschen Leser solcher Blätter immerhin einiges Amüsement ge¬
währen. Irgend welche Bedeutung für unsern Frieden haben die Pariser Sorgen
nicht; sie beweisen für Deutsche höchstens, daß wir selbst in unsrer angeblichen
"Isolierung" fortgesetzt der Gegenstand der Besorgnis unsrer Nachbarn sind.

Die Sozialdemokraten

haben die Zahl ihrer Anträge und Interpellationen
zuguderletzt noch um zwei köstliche Nummern bereichert: die erste ist ein Nieder¬
schlag aus der Kommissionsberatung über die Eisenbahn Lome-Pallme (Togobahn).
In dieser sehr eingehenden Beratung ist auch eine Schrift von Dr. Foerfter mit zur
Erörterung gelangt, worin behauptet wird, daß die Togogesellschaft ihren Landbesitz in
unzulässiger Weise erworben habe durch Verträge mit den Häuptlingen, die nicht be¬
rechtigt gewesen seien, das den einzelnen Stämmen gemeinsam gehörende Land abzutreten,
und durch Zahlung eines unzulässig niedrigen Kaufpreises von 440 Mark 1 Pfennig
für den Hektar. Von der Kolonialverwaltung waren diese Behauptungen im
wesentlichen richtiggestellt worden. Der Kaufpreis von 440 Mark sei nicht gegeben


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Wurfen empfangen, dieser aber solche nicht entgegennehmen können. Die Spannung, die
infolgedessen zwischen dem Vatikan und Paris eingetreten ist, wird selbstverständlich
nicht von Dauer sein. Eines Tags wird an ihre Stelle die Erkenntnis treten, daß
Frankreich und das Papsttum einander bedürfen. Aber für das Ansehen des
Heiligen Stuhls ist es immerhin ein Präzedenzfall von bleibender historischer Trag¬
weite, daß das katholische Oberhaupt eines katholischen Staates, obendrein Frank¬
reichs, zum offiziellen Bestich des Königs von Italien nach Rom kam — und den
Papst ignorierte. Frankreich hatte allerdings an Italien viel gut zu machen. Es
mußte endgiltig den Eindruck verwischen, daß der Weg nach Rom für das junge
Königreich über Sedan gegangen war, und daß nnr die Erfolge der deutschen
Waffen der italienischen Trikolore die Entfaltung in der ewigen Stadt ermöglicht
hatten. Loubets Besuch bedeutete unter den obwaltenden Umständen eine so gründ¬
liche und endgiltige Anerkennung der italienischen Einheit, wie sie Italien von
Frankreich aus bisher noch nicht zuteil geworden war. Für den Liberalismus
und namentlich für den Republikanismus in Italien begründete das zugleich eine
innere Annäherung. Nur schade, daß der Besuch des deutschen Kaisers in Neapel,
sein Verkehr als Monarch zu Monarch mit dem König Viktor Emanuel und die
lebhafte Betonung des Dreibundes vorangegangen waren.

Ein gutes Verhältnis zu Frankreich ist für Italien gewiß bequem und an¬
genehm, namentlich solange seine wirtschaftliche Lage die möglichsten Einschränkungen
in der Entfaltung seiner Wehrkraft gebietet. Aber jeder verständige Italiener
wird sich sagen, daß das Verhältnis zu Frankreich abhängig bleibt von dessen
innerer Politik, daß ein klerikales Regime, eine klerikale Kammermehrheit in Paris
die heutige Lage leicht in ihr Gegenteil Verkehren können, während Italien von
Deutschland niemals eine Gefährdung seiner nationalen Existenz und Integrität
zu befürchten haben wird. Irgend ein Gegensatz deutscher und italienischer Inter¬
essen ist so gut wie ausgeschlossen, während jede Machterweiternng Frankreichs im
Mittelmeer so ipso eine Bedrohung für Italien in sich schließt. Die franco-
italienische Annäherung hat mithin doch nur den Wert einer je nach der Tageszeit
wechselnden Beleuchtung. Sogar wenn sich Italien seinen Dreibundpflichten völlig ver¬
sagen sollte, oder sich der französischen Unterstützung für irgend welche Zukunftsträume
versichert haben sollte, kann Deutschland auch einen solchen Wechsel der Situation
in ruhiger Gelassenheit mit ansehen. Dasselbe gilt von den unzähligen Kommen¬
taren, mit denen englische und namentlich französische Blätter den Besuch König
Edwards in Kiel im voraus überhäufen. Den Franzosen mag die Sache etwas un¬
bequem sein; sie haben offenbar die Sorge, daß der königliche Oheim für seinen kaiser¬
lichen Neffen, dem er schon im Mittelmeer so große Aufmerksamkeiten hat erweisen
lassen, die Grundlage einer deutsch-englischen Annäherung in der Tasche mitbringe,
und daß die englisch-französische Annäherung dadurch aufgewogen werden könnte. Diese
nervöse Unruhe in der französischen oder von Paris aus inspirierten englischen
Presse mag dem deutschen Leser solcher Blätter immerhin einiges Amüsement ge¬
währen. Irgend welche Bedeutung für unsern Frieden haben die Pariser Sorgen
nicht; sie beweisen für Deutsche höchstens, daß wir selbst in unsrer angeblichen
„Isolierung" fortgesetzt der Gegenstand der Besorgnis unsrer Nachbarn sind.

Die Sozialdemokraten

haben die Zahl ihrer Anträge und Interpellationen
zuguderletzt noch um zwei köstliche Nummern bereichert: die erste ist ein Nieder¬
schlag aus der Kommissionsberatung über die Eisenbahn Lome-Pallme (Togobahn).
In dieser sehr eingehenden Beratung ist auch eine Schrift von Dr. Foerfter mit zur
Erörterung gelangt, worin behauptet wird, daß die Togogesellschaft ihren Landbesitz in
unzulässiger Weise erworben habe durch Verträge mit den Häuptlingen, die nicht be¬
rechtigt gewesen seien, das den einzelnen Stämmen gemeinsam gehörende Land abzutreten,
und durch Zahlung eines unzulässig niedrigen Kaufpreises von 440 Mark 1 Pfennig
für den Hektar. Von der Kolonialverwaltung waren diese Behauptungen im
wesentlichen richtiggestellt worden. Der Kaufpreis von 440 Mark sei nicht gegeben


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[0667] Maßgebliches und Unmaßgebliches Wurfen empfangen, dieser aber solche nicht entgegennehmen können. Die Spannung, die infolgedessen zwischen dem Vatikan und Paris eingetreten ist, wird selbstverständlich nicht von Dauer sein. Eines Tags wird an ihre Stelle die Erkenntnis treten, daß Frankreich und das Papsttum einander bedürfen. Aber für das Ansehen des Heiligen Stuhls ist es immerhin ein Präzedenzfall von bleibender historischer Trag¬ weite, daß das katholische Oberhaupt eines katholischen Staates, obendrein Frank¬ reichs, zum offiziellen Bestich des Königs von Italien nach Rom kam — und den Papst ignorierte. Frankreich hatte allerdings an Italien viel gut zu machen. Es mußte endgiltig den Eindruck verwischen, daß der Weg nach Rom für das junge Königreich über Sedan gegangen war, und daß nnr die Erfolge der deutschen Waffen der italienischen Trikolore die Entfaltung in der ewigen Stadt ermöglicht hatten. Loubets Besuch bedeutete unter den obwaltenden Umständen eine so gründ¬ liche und endgiltige Anerkennung der italienischen Einheit, wie sie Italien von Frankreich aus bisher noch nicht zuteil geworden war. Für den Liberalismus und namentlich für den Republikanismus in Italien begründete das zugleich eine innere Annäherung. Nur schade, daß der Besuch des deutschen Kaisers in Neapel, sein Verkehr als Monarch zu Monarch mit dem König Viktor Emanuel und die lebhafte Betonung des Dreibundes vorangegangen waren. Ein gutes Verhältnis zu Frankreich ist für Italien gewiß bequem und an¬ genehm, namentlich solange seine wirtschaftliche Lage die möglichsten Einschränkungen in der Entfaltung seiner Wehrkraft gebietet. Aber jeder verständige Italiener wird sich sagen, daß das Verhältnis zu Frankreich abhängig bleibt von dessen innerer Politik, daß ein klerikales Regime, eine klerikale Kammermehrheit in Paris die heutige Lage leicht in ihr Gegenteil Verkehren können, während Italien von Deutschland niemals eine Gefährdung seiner nationalen Existenz und Integrität zu befürchten haben wird. Irgend ein Gegensatz deutscher und italienischer Inter¬ essen ist so gut wie ausgeschlossen, während jede Machterweiternng Frankreichs im Mittelmeer so ipso eine Bedrohung für Italien in sich schließt. Die franco- italienische Annäherung hat mithin doch nur den Wert einer je nach der Tageszeit wechselnden Beleuchtung. Sogar wenn sich Italien seinen Dreibundpflichten völlig ver¬ sagen sollte, oder sich der französischen Unterstützung für irgend welche Zukunftsträume versichert haben sollte, kann Deutschland auch einen solchen Wechsel der Situation in ruhiger Gelassenheit mit ansehen. Dasselbe gilt von den unzähligen Kommen¬ taren, mit denen englische und namentlich französische Blätter den Besuch König Edwards in Kiel im voraus überhäufen. Den Franzosen mag die Sache etwas un¬ bequem sein; sie haben offenbar die Sorge, daß der königliche Oheim für seinen kaiser¬ lichen Neffen, dem er schon im Mittelmeer so große Aufmerksamkeiten hat erweisen lassen, die Grundlage einer deutsch-englischen Annäherung in der Tasche mitbringe, und daß die englisch-französische Annäherung dadurch aufgewogen werden könnte. Diese nervöse Unruhe in der französischen oder von Paris aus inspirierten englischen Presse mag dem deutschen Leser solcher Blätter immerhin einiges Amüsement ge¬ währen. Irgend welche Bedeutung für unsern Frieden haben die Pariser Sorgen nicht; sie beweisen für Deutsche höchstens, daß wir selbst in unsrer angeblichen „Isolierung" fortgesetzt der Gegenstand der Besorgnis unsrer Nachbarn sind. Die Sozialdemokraten haben die Zahl ihrer Anträge und Interpellationen zuguderletzt noch um zwei köstliche Nummern bereichert: die erste ist ein Nieder¬ schlag aus der Kommissionsberatung über die Eisenbahn Lome-Pallme (Togobahn). In dieser sehr eingehenden Beratung ist auch eine Schrift von Dr. Foerfter mit zur Erörterung gelangt, worin behauptet wird, daß die Togogesellschaft ihren Landbesitz in unzulässiger Weise erworben habe durch Verträge mit den Häuptlingen, die nicht be¬ rechtigt gewesen seien, das den einzelnen Stämmen gemeinsam gehörende Land abzutreten, und durch Zahlung eines unzulässig niedrigen Kaufpreises von 440 Mark 1 Pfennig für den Hektar. Von der Kolonialverwaltung waren diese Behauptungen im wesentlichen richtiggestellt worden. Der Kaufpreis von 440 Mark sei nicht gegeben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/667>, abgerufen am 13.11.2024.