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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Erinnerungen

Gneist und andre, eine nicht gerade glücklich redigierte Erklärung gegen die Juden¬
agitation, und im Abgeordnetenhaus ist eine Jnterpellation über die Judenfrage
eingebracht worden. Bei dem allen ist auf beiden Seiten viel Geklingel und agita¬
torische Übertreibung; aber jeder nüchterne Christ muß sich in der Tat die Frage
vorlegen: Wohinaus soll es eigentlich mit der unter Stöckers Führung in Szene
gesetzten Antijudenagitation? Was soll und kann damit schließlich erreicht werden?
Die Juden werden dadurch schwerlich bescheidner werden, und in dem ganzen
antisemitischen Treiben fehlt das Beste, nämlich Gerechtigkeit und wirklich erbar¬
mende Menschenliebe gegen die Juden. Die politische Emanzipation der Juden ist
nicht rückgängig zu machen. Der einzige Weg zu einer Lösung der Judenfrage
wäre doch nur eine Massenbekehrung Israels. Das weist auf die Intermission
hin. Aber für große geschichtliche Erfolge ist jetzt, so weit Menschenaugen sehen,
die Zeit noch nicht gekommen. Mir scheint hier in Berlin zunächst alles in eine
große politische Hetze gegen Stöcker umzuschlagen, dessen Optimismus und Eifer
für eine im großen Stile zu erstrebende Masseneinwirkung auf unser Volksleben
ihn ost genug über das rechte Maß und die rechte Nüchternheit hinaus und in
große wirtschaftliche und soziale Probleme hineinführen, denen er nicht ge¬
wachsen ist.

20. November. Verhandlung im Abgeordnetenhause über die Hänelsche
Jnterpellation wegen der Juden. Hamel begründete sie mit Pathos und viel
Sentimentalität. Die Erklärung der Regierung wurde von dem Grafen Stolberg
in recht guter Form und sehr präzis dahin abgegeben, daß die bestehende Gesetz¬
gebung das Recht aller religiösen Bekenntnisse in staatsbürgerlicher Beziehung
gewährleiste, und daß die Regierung nicht beabsichtige, an diesem Rechtszustande
etwas zu andern. Diese Erklärung machte einen guten Eindruck. Sehr gut
sprachen Peter Reichensperger und der konservative von Heydebrand, nur mäßig
Virchow, pathetisch und gewandt Träger, der die Wendung gebrauchte: Ich nehme
keinen Anstand zu bekennen, daß ich ein gläubiger Christ bin. Möchte er in
Wirklichkeit ein gläubiger Christ sein und es immer mehr werden, wie alle, die
gläubige Christen sind, es immer mehr werden müssen. Die Debatte wird über¬
morgen fortgesetzt, da Stöcker nicht zum Wort kam.

22. November. Im Abgeordnetenhause sprach heute in der Antisemiten¬
debatte Eugen Richter erregt und erregend mit ungewöhnlicher Schärfe und Feind¬
seligkeit gegen Stöcker. Dann kam dieser zum Wort. Im Anfange sprach er
ausgezeichnet. Später wurde er zu breit und las eine ermüdend lange Reihe von
Belegstellen vor. Seinen Gegnern war dies nur willkommen; denn dadurch wurde
die sonst so packende Beredsamkeit Stöckers stark abgeschwächt. Er wurde fort¬
während durch Zwischenrufe unterbrochen und kam in eine sür ihn ungewohnte
Position. Er verteidigte die Antijudenpetition und seine Beteiligung daran. Das
aber ist nicht Stöckers Stärke. Er kann begeistert und begeisternd mit zündender
Rede seine Ideen vertreten; aber sich mit nüchternen, überzeugenden Beweisen kühl
gegen einen Sturm verteidigen, der planmäßig vorbereitet ist, um ihn zu stürzen,
unmöglich zu machen, das ist nicht seine Stärke. Er wurde zuweilen unruhig und
unsicher und gab sich einzelne Blößen, die sofort von seinen fortschrittlichen Feinden
festgelegt und ausgebeutet wurden. Ludwig Löwe sprach gegen Stöcker mit leiden¬
schaftlichem Haß. Der Eindruck der ganzen Diskussion war deshalb wesentlich
ungünstiger als am Sonnabend. Das Vernünftigste, was in der ganzen zwei¬
tägigen Debatte gesagt worden ist, bleibt die von Stolberg abgegebne, besonnene,
auf dem Boden der Gesetzgebung stehende Erklärung der Regierung. Die Petition
der Antisemiten konnte von vornherein keinen wirklichen Erfolg haben. Auch wenn
man von dem jetzt üblichen, sittlich und christlich gar nicht zu rechtfertigenden
Fanatismus der Antisemiten absieht, sind deren Forderungen ungeschichtlich, un¬
preußisch, politisch unerfüllbar. Stöcker hätte das Hauptgewicht auf die von ihm


Erinnerungen

Gneist und andre, eine nicht gerade glücklich redigierte Erklärung gegen die Juden¬
agitation, und im Abgeordnetenhaus ist eine Jnterpellation über die Judenfrage
eingebracht worden. Bei dem allen ist auf beiden Seiten viel Geklingel und agita¬
torische Übertreibung; aber jeder nüchterne Christ muß sich in der Tat die Frage
vorlegen: Wohinaus soll es eigentlich mit der unter Stöckers Führung in Szene
gesetzten Antijudenagitation? Was soll und kann damit schließlich erreicht werden?
Die Juden werden dadurch schwerlich bescheidner werden, und in dem ganzen
antisemitischen Treiben fehlt das Beste, nämlich Gerechtigkeit und wirklich erbar¬
mende Menschenliebe gegen die Juden. Die politische Emanzipation der Juden ist
nicht rückgängig zu machen. Der einzige Weg zu einer Lösung der Judenfrage
wäre doch nur eine Massenbekehrung Israels. Das weist auf die Intermission
hin. Aber für große geschichtliche Erfolge ist jetzt, so weit Menschenaugen sehen,
die Zeit noch nicht gekommen. Mir scheint hier in Berlin zunächst alles in eine
große politische Hetze gegen Stöcker umzuschlagen, dessen Optimismus und Eifer
für eine im großen Stile zu erstrebende Masseneinwirkung auf unser Volksleben
ihn ost genug über das rechte Maß und die rechte Nüchternheit hinaus und in
große wirtschaftliche und soziale Probleme hineinführen, denen er nicht ge¬
wachsen ist.

20. November. Verhandlung im Abgeordnetenhause über die Hänelsche
Jnterpellation wegen der Juden. Hamel begründete sie mit Pathos und viel
Sentimentalität. Die Erklärung der Regierung wurde von dem Grafen Stolberg
in recht guter Form und sehr präzis dahin abgegeben, daß die bestehende Gesetz¬
gebung das Recht aller religiösen Bekenntnisse in staatsbürgerlicher Beziehung
gewährleiste, und daß die Regierung nicht beabsichtige, an diesem Rechtszustande
etwas zu andern. Diese Erklärung machte einen guten Eindruck. Sehr gut
sprachen Peter Reichensperger und der konservative von Heydebrand, nur mäßig
Virchow, pathetisch und gewandt Träger, der die Wendung gebrauchte: Ich nehme
keinen Anstand zu bekennen, daß ich ein gläubiger Christ bin. Möchte er in
Wirklichkeit ein gläubiger Christ sein und es immer mehr werden, wie alle, die
gläubige Christen sind, es immer mehr werden müssen. Die Debatte wird über¬
morgen fortgesetzt, da Stöcker nicht zum Wort kam.

22. November. Im Abgeordnetenhause sprach heute in der Antisemiten¬
debatte Eugen Richter erregt und erregend mit ungewöhnlicher Schärfe und Feind¬
seligkeit gegen Stöcker. Dann kam dieser zum Wort. Im Anfange sprach er
ausgezeichnet. Später wurde er zu breit und las eine ermüdend lange Reihe von
Belegstellen vor. Seinen Gegnern war dies nur willkommen; denn dadurch wurde
die sonst so packende Beredsamkeit Stöckers stark abgeschwächt. Er wurde fort¬
während durch Zwischenrufe unterbrochen und kam in eine sür ihn ungewohnte
Position. Er verteidigte die Antijudenpetition und seine Beteiligung daran. Das
aber ist nicht Stöckers Stärke. Er kann begeistert und begeisternd mit zündender
Rede seine Ideen vertreten; aber sich mit nüchternen, überzeugenden Beweisen kühl
gegen einen Sturm verteidigen, der planmäßig vorbereitet ist, um ihn zu stürzen,
unmöglich zu machen, das ist nicht seine Stärke. Er wurde zuweilen unruhig und
unsicher und gab sich einzelne Blößen, die sofort von seinen fortschrittlichen Feinden
festgelegt und ausgebeutet wurden. Ludwig Löwe sprach gegen Stöcker mit leiden¬
schaftlichem Haß. Der Eindruck der ganzen Diskussion war deshalb wesentlich
ungünstiger als am Sonnabend. Das Vernünftigste, was in der ganzen zwei¬
tägigen Debatte gesagt worden ist, bleibt die von Stolberg abgegebne, besonnene,
auf dem Boden der Gesetzgebung stehende Erklärung der Regierung. Die Petition
der Antisemiten konnte von vornherein keinen wirklichen Erfolg haben. Auch wenn
man von dem jetzt üblichen, sittlich und christlich gar nicht zu rechtfertigenden
Fanatismus der Antisemiten absieht, sind deren Forderungen ungeschichtlich, un¬
preußisch, politisch unerfüllbar. Stöcker hätte das Hauptgewicht auf die von ihm


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[0655] Erinnerungen Gneist und andre, eine nicht gerade glücklich redigierte Erklärung gegen die Juden¬ agitation, und im Abgeordnetenhaus ist eine Jnterpellation über die Judenfrage eingebracht worden. Bei dem allen ist auf beiden Seiten viel Geklingel und agita¬ torische Übertreibung; aber jeder nüchterne Christ muß sich in der Tat die Frage vorlegen: Wohinaus soll es eigentlich mit der unter Stöckers Führung in Szene gesetzten Antijudenagitation? Was soll und kann damit schließlich erreicht werden? Die Juden werden dadurch schwerlich bescheidner werden, und in dem ganzen antisemitischen Treiben fehlt das Beste, nämlich Gerechtigkeit und wirklich erbar¬ mende Menschenliebe gegen die Juden. Die politische Emanzipation der Juden ist nicht rückgängig zu machen. Der einzige Weg zu einer Lösung der Judenfrage wäre doch nur eine Massenbekehrung Israels. Das weist auf die Intermission hin. Aber für große geschichtliche Erfolge ist jetzt, so weit Menschenaugen sehen, die Zeit noch nicht gekommen. Mir scheint hier in Berlin zunächst alles in eine große politische Hetze gegen Stöcker umzuschlagen, dessen Optimismus und Eifer für eine im großen Stile zu erstrebende Masseneinwirkung auf unser Volksleben ihn ost genug über das rechte Maß und die rechte Nüchternheit hinaus und in große wirtschaftliche und soziale Probleme hineinführen, denen er nicht ge¬ wachsen ist. 20. November. Verhandlung im Abgeordnetenhause über die Hänelsche Jnterpellation wegen der Juden. Hamel begründete sie mit Pathos und viel Sentimentalität. Die Erklärung der Regierung wurde von dem Grafen Stolberg in recht guter Form und sehr präzis dahin abgegeben, daß die bestehende Gesetz¬ gebung das Recht aller religiösen Bekenntnisse in staatsbürgerlicher Beziehung gewährleiste, und daß die Regierung nicht beabsichtige, an diesem Rechtszustande etwas zu andern. Diese Erklärung machte einen guten Eindruck. Sehr gut sprachen Peter Reichensperger und der konservative von Heydebrand, nur mäßig Virchow, pathetisch und gewandt Träger, der die Wendung gebrauchte: Ich nehme keinen Anstand zu bekennen, daß ich ein gläubiger Christ bin. Möchte er in Wirklichkeit ein gläubiger Christ sein und es immer mehr werden, wie alle, die gläubige Christen sind, es immer mehr werden müssen. Die Debatte wird über¬ morgen fortgesetzt, da Stöcker nicht zum Wort kam. 22. November. Im Abgeordnetenhause sprach heute in der Antisemiten¬ debatte Eugen Richter erregt und erregend mit ungewöhnlicher Schärfe und Feind¬ seligkeit gegen Stöcker. Dann kam dieser zum Wort. Im Anfange sprach er ausgezeichnet. Später wurde er zu breit und las eine ermüdend lange Reihe von Belegstellen vor. Seinen Gegnern war dies nur willkommen; denn dadurch wurde die sonst so packende Beredsamkeit Stöckers stark abgeschwächt. Er wurde fort¬ während durch Zwischenrufe unterbrochen und kam in eine sür ihn ungewohnte Position. Er verteidigte die Antijudenpetition und seine Beteiligung daran. Das aber ist nicht Stöckers Stärke. Er kann begeistert und begeisternd mit zündender Rede seine Ideen vertreten; aber sich mit nüchternen, überzeugenden Beweisen kühl gegen einen Sturm verteidigen, der planmäßig vorbereitet ist, um ihn zu stürzen, unmöglich zu machen, das ist nicht seine Stärke. Er wurde zuweilen unruhig und unsicher und gab sich einzelne Blößen, die sofort von seinen fortschrittlichen Feinden festgelegt und ausgebeutet wurden. Ludwig Löwe sprach gegen Stöcker mit leiden¬ schaftlichem Haß. Der Eindruck der ganzen Diskussion war deshalb wesentlich ungünstiger als am Sonnabend. Das Vernünftigste, was in der ganzen zwei¬ tägigen Debatte gesagt worden ist, bleibt die von Stolberg abgegebne, besonnene, auf dem Boden der Gesetzgebung stehende Erklärung der Regierung. Die Petition der Antisemiten konnte von vornherein keinen wirklichen Erfolg haben. Auch wenn man von dem jetzt üblichen, sittlich und christlich gar nicht zu rechtfertigenden Fanatismus der Antisemiten absieht, sind deren Forderungen ungeschichtlich, un¬ preußisch, politisch unerfüllbar. Stöcker hätte das Hauptgewicht auf die von ihm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/655>, abgerufen am 25.07.2024.