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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Der Anteil der Kaiserin Lngenie am Kriege von Ü.370

ausgeübt haben, doch nicht zumuten kann, ihre gesicherte Stellung aufzugeben
und -- Privatdozent zu werden, also einer ungewissen Zukunft entgegenzu-
gehn und in eine für einen Mann, der eine selbständige Stellung bekleidet
hat, nicht recht passende Berufslage einzutreten.

Es besteht eben noch von alten Zeiten her die Anschauung, daß es
zwischen den juristischen Praktikern und den Universitätslehrern einen himmel¬
weiter Unterschied gebe, daß jene "unwissenschaftliche Prüjudizienreiter" seien,
während die Universitätslehrer die wahre Wissenschaft in Erbpacht genommen
Hütten. Mit dieser Anschauung muß aber endlich gründlich aufgeräumt werden.




Der Anteil der Kaiserin Gugenie am Kriege von ^870
Gottlob Egelhaaf von in

.'S-. /AZV
M^S^! eher den Anteil, den die Kaiserin Eugenie an dem Ausbruch des
Kriegs von 1870 hatte, gibt es bekanntlich zwei direkt entgegen¬
gesetzte Ansichten. Nach der im deutschen und im französischen
Volke gleichermaßen verbreiteten Legende hat sie einen ganz
I hervorragenden Einfluß auf den Ausbruch des Kriegs ausgeübt.
Den klassischen Ausdruck hat diese Ansicht in den bekannten Versen des
Kutschkeliedes gefunden:

In Frankreich aber erzählt man sich, sie habe gesagt: v'sse Ausrrs,
ins. xstits Ausrrs, ins, Zusrrs 5, moi; oder zu ihrem Gemahl gewandt: Votrs
ut8 Q6 röMgra xg.s, si 1'ein u'eMes xs.s Lg-clova,. Die Generale Lebrun, Du
Barail und Trochu bestätigen namentlich dieses zweite dynastische Motiv als
bei ihr wirksam. Neben diesem wird ihr noch das andre zugeschrieben, daß sie
aus Haß gegen das ketzerische Preußen gehandelt habe; dessen Vernichtung
sollte die ausgleichende Leistung für die Preisgebung des Papstes an die italie¬
nische Revolution sein.

Nach der andern Anschauung, die Heinrich von Sybel vertritt (siehe be¬
sonders dessen Neue Mitteilungen S. 30 ff., München, 1895), darf die Kaiserin
keineswegs für den Ausbruch des Kriegs verantwortlich gemacht werden; sie
war zu genau von dem trostlosen Gesundheitszustand ihres Gemahls, der am
Blasenstein litt, unterrichtet (siehe dort S. 35), als daß sie sich darüber hätte
täuschen können, daß Napoleon den Krieg nicht hinausführen werde, sobald er
länger dauerte. Ihre Liebe zu ihrem Sohne mußte ihr den Wunsch eingeben,
die Dinge so zu leiten, daß jede gewaltsame Verwicklung vermieden wurde,
bis er selbst imstande war, sie zu beherrschen; andernfalls mußte befürchtet
werden, daß sie sich gegen die Dynastie wenden werde, zu deren Fortbestand
sie heraufbeschworen war. Die erwähnten Äußerungen von ihrem "kleinen


Der Anteil der Kaiserin Lngenie am Kriege von Ü.370

ausgeübt haben, doch nicht zumuten kann, ihre gesicherte Stellung aufzugeben
und — Privatdozent zu werden, also einer ungewissen Zukunft entgegenzu-
gehn und in eine für einen Mann, der eine selbständige Stellung bekleidet
hat, nicht recht passende Berufslage einzutreten.

Es besteht eben noch von alten Zeiten her die Anschauung, daß es
zwischen den juristischen Praktikern und den Universitätslehrern einen himmel¬
weiter Unterschied gebe, daß jene „unwissenschaftliche Prüjudizienreiter" seien,
während die Universitätslehrer die wahre Wissenschaft in Erbpacht genommen
Hütten. Mit dieser Anschauung muß aber endlich gründlich aufgeräumt werden.




Der Anteil der Kaiserin Gugenie am Kriege von ^870
Gottlob Egelhaaf von in

.'S-. /AZV
M^S^! eher den Anteil, den die Kaiserin Eugenie an dem Ausbruch des
Kriegs von 1870 hatte, gibt es bekanntlich zwei direkt entgegen¬
gesetzte Ansichten. Nach der im deutschen und im französischen
Volke gleichermaßen verbreiteten Legende hat sie einen ganz
I hervorragenden Einfluß auf den Ausbruch des Kriegs ausgeübt.
Den klassischen Ausdruck hat diese Ansicht in den bekannten Versen des
Kutschkeliedes gefunden:

In Frankreich aber erzählt man sich, sie habe gesagt: v'sse Ausrrs,
ins. xstits Ausrrs, ins, Zusrrs 5, moi; oder zu ihrem Gemahl gewandt: Votrs
ut8 Q6 röMgra xg.s, si 1'ein u'eMes xs.s Lg-clova,. Die Generale Lebrun, Du
Barail und Trochu bestätigen namentlich dieses zweite dynastische Motiv als
bei ihr wirksam. Neben diesem wird ihr noch das andre zugeschrieben, daß sie
aus Haß gegen das ketzerische Preußen gehandelt habe; dessen Vernichtung
sollte die ausgleichende Leistung für die Preisgebung des Papstes an die italie¬
nische Revolution sein.

Nach der andern Anschauung, die Heinrich von Sybel vertritt (siehe be¬
sonders dessen Neue Mitteilungen S. 30 ff., München, 1895), darf die Kaiserin
keineswegs für den Ausbruch des Kriegs verantwortlich gemacht werden; sie
war zu genau von dem trostlosen Gesundheitszustand ihres Gemahls, der am
Blasenstein litt, unterrichtet (siehe dort S. 35), als daß sie sich darüber hätte
täuschen können, daß Napoleon den Krieg nicht hinausführen werde, sobald er
länger dauerte. Ihre Liebe zu ihrem Sohne mußte ihr den Wunsch eingeben,
die Dinge so zu leiten, daß jede gewaltsame Verwicklung vermieden wurde,
bis er selbst imstande war, sie zu beherrschen; andernfalls mußte befürchtet
werden, daß sie sich gegen die Dynastie wenden werde, zu deren Fortbestand
sie heraufbeschworen war. Die erwähnten Äußerungen von ihrem „kleinen


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[0636] Der Anteil der Kaiserin Lngenie am Kriege von Ü.370 ausgeübt haben, doch nicht zumuten kann, ihre gesicherte Stellung aufzugeben und — Privatdozent zu werden, also einer ungewissen Zukunft entgegenzu- gehn und in eine für einen Mann, der eine selbständige Stellung bekleidet hat, nicht recht passende Berufslage einzutreten. Es besteht eben noch von alten Zeiten her die Anschauung, daß es zwischen den juristischen Praktikern und den Universitätslehrern einen himmel¬ weiter Unterschied gebe, daß jene „unwissenschaftliche Prüjudizienreiter" seien, während die Universitätslehrer die wahre Wissenschaft in Erbpacht genommen Hütten. Mit dieser Anschauung muß aber endlich gründlich aufgeräumt werden. Der Anteil der Kaiserin Gugenie am Kriege von ^870 Gottlob Egelhaaf von in .'S-. /AZV M^S^! eher den Anteil, den die Kaiserin Eugenie an dem Ausbruch des Kriegs von 1870 hatte, gibt es bekanntlich zwei direkt entgegen¬ gesetzte Ansichten. Nach der im deutschen und im französischen Volke gleichermaßen verbreiteten Legende hat sie einen ganz I hervorragenden Einfluß auf den Ausbruch des Kriegs ausgeübt. Den klassischen Ausdruck hat diese Ansicht in den bekannten Versen des Kutschkeliedes gefunden: In Frankreich aber erzählt man sich, sie habe gesagt: v'sse Ausrrs, ins. xstits Ausrrs, ins, Zusrrs 5, moi; oder zu ihrem Gemahl gewandt: Votrs ut8 Q6 röMgra xg.s, si 1'ein u'eMes xs.s Lg-clova,. Die Generale Lebrun, Du Barail und Trochu bestätigen namentlich dieses zweite dynastische Motiv als bei ihr wirksam. Neben diesem wird ihr noch das andre zugeschrieben, daß sie aus Haß gegen das ketzerische Preußen gehandelt habe; dessen Vernichtung sollte die ausgleichende Leistung für die Preisgebung des Papstes an die italie¬ nische Revolution sein. Nach der andern Anschauung, die Heinrich von Sybel vertritt (siehe be¬ sonders dessen Neue Mitteilungen S. 30 ff., München, 1895), darf die Kaiserin keineswegs für den Ausbruch des Kriegs verantwortlich gemacht werden; sie war zu genau von dem trostlosen Gesundheitszustand ihres Gemahls, der am Blasenstein litt, unterrichtet (siehe dort S. 35), als daß sie sich darüber hätte täuschen können, daß Napoleon den Krieg nicht hinausführen werde, sobald er länger dauerte. Ihre Liebe zu ihrem Sohne mußte ihr den Wunsch eingeben, die Dinge so zu leiten, daß jede gewaltsame Verwicklung vermieden wurde, bis er selbst imstande war, sie zu beherrschen; andernfalls mußte befürchtet werden, daß sie sich gegen die Dynastie wenden werde, zu deren Fortbestand sie heraufbeschworen war. Die erwähnten Äußerungen von ihrem „kleinen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/636>, abgerufen am 13.11.2024.