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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Die Zukunft der juristischen Professuren

nur durch Ausnutzung möglichst vieler Wege, Rückgriff auf möglichst viele,
möglichst weit voneinander abliegende Mittel. Jedes der Mittel kann und
darf für sich allein ein im Verhältnis zur Größe der Bedrängnis nur be-
fcheidnes Maß von Hilfe bringen, und es ist ein Fehler, mehr von ihm zu
verlangen. Nur darauf kommt es an, daß alle diese kleinen Mittel zusammen
die Fähigkeit des Staates zu helfen so weit nur irgend möglich erweitern und
erschöpfen. Auch die Hilfe durch Zollschutz wird bei den jetzigen Kornpreisen
nie etwas andres als eines der vielen kleinen Mittel sein; ich glaube, es ist
nötig, sich hierüber klar zu bleiben, damit man nicht Unmögliches vom Staate
verlangt und dann notwendig enttäuscht wird.

(Schluß folgt)




Die Zukunft der juristischen Professuren
Lügen Josef i vonn
(Schluß)
3

le als Folge der politischen Einheit allmählich erreichte Rechts¬
einheit brachte in die geschilderten Verhältnisse alsbald eine
gänzliche Änderung. Verhältnismäßig wenig noch auf dem Ge¬
biete des Strafrechts, aber schon sehr stark auf dem Gebiete
des Handels- und des Wechselrechts und ganz besonders auf
dem des Zivil- und des Strafprozesses. An die wissenschaftliche Erforschung
dieser Gebiete, die noch vor zwei Jahrzehnten fast nur den Universitätslehrern
oblag, machten sich die juristischen Praktiker, Richter wie Rechtsanwälte.
Professoren wie Goldschmidt und Thöl, die Begründer der Wissenschaft des
deutschen Handels- und Wechselrcchts, wurden abgelöst von Praktikern wie
Makower, Rießer, Ring, Staub; und Goldschmidt sprach, wie wir seinen Auf¬
zeichnungen entnehmen, oft die schmerzliche Besorgnis aus, daß dereinst die
Fortbildung des Handelsrechts den Universitätslehrern ganz entzogen und
nur von praktischen Juristen besorgt werden würde. Und wie auf dem Gebiet
des Handelsrechts, so nahmen auch auf dem des Zivilprozesses Männer der
Praxis die wissenschaftliche Fortbildung des Prozeßrechts in die Hand: Wil-
mowski und Levy, Struckmanu und Koch, Petersen und Reinke traten an die
Stelle der Theoretiker wie Wetzel, Renaud, Mittermaier und den Universitäts¬
lehrern wie Wach, Seuffert, Gaupp, Richard Schmidt und Stein ebenbürtig
zur Seite.

Eine völlige Umgestaltung des geschilderten Zustandes der Rechtswissen¬
schaft hatte die Neuordnung unsers gesamten bürgerlichen Rechts zur Folge:
mit dem Augenblick, wo das Bürgerliche Gesetzbuch der Öffentlichkeit unter¬
breitet wurde, trat ein dem frühern fast entgegengesetzter Zustand ein; das
Übergewicht, das bis dahin die Universitätslehrer überall, wo es sich um die


Grenzboten II 1904 83
Die Zukunft der juristischen Professuren

nur durch Ausnutzung möglichst vieler Wege, Rückgriff auf möglichst viele,
möglichst weit voneinander abliegende Mittel. Jedes der Mittel kann und
darf für sich allein ein im Verhältnis zur Größe der Bedrängnis nur be-
fcheidnes Maß von Hilfe bringen, und es ist ein Fehler, mehr von ihm zu
verlangen. Nur darauf kommt es an, daß alle diese kleinen Mittel zusammen
die Fähigkeit des Staates zu helfen so weit nur irgend möglich erweitern und
erschöpfen. Auch die Hilfe durch Zollschutz wird bei den jetzigen Kornpreisen
nie etwas andres als eines der vielen kleinen Mittel sein; ich glaube, es ist
nötig, sich hierüber klar zu bleiben, damit man nicht Unmögliches vom Staate
verlangt und dann notwendig enttäuscht wird.

(Schluß folgt)




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Lügen Josef i vonn
(Schluß)
3

le als Folge der politischen Einheit allmählich erreichte Rechts¬
einheit brachte in die geschilderten Verhältnisse alsbald eine
gänzliche Änderung. Verhältnismäßig wenig noch auf dem Ge¬
biete des Strafrechts, aber schon sehr stark auf dem Gebiete
des Handels- und des Wechselrechts und ganz besonders auf
dem des Zivil- und des Strafprozesses. An die wissenschaftliche Erforschung
dieser Gebiete, die noch vor zwei Jahrzehnten fast nur den Universitätslehrern
oblag, machten sich die juristischen Praktiker, Richter wie Rechtsanwälte.
Professoren wie Goldschmidt und Thöl, die Begründer der Wissenschaft des
deutschen Handels- und Wechselrcchts, wurden abgelöst von Praktikern wie
Makower, Rießer, Ring, Staub; und Goldschmidt sprach, wie wir seinen Auf¬
zeichnungen entnehmen, oft die schmerzliche Besorgnis aus, daß dereinst die
Fortbildung des Handelsrechts den Universitätslehrern ganz entzogen und
nur von praktischen Juristen besorgt werden würde. Und wie auf dem Gebiet
des Handelsrechts, so nahmen auch auf dem des Zivilprozesses Männer der
Praxis die wissenschaftliche Fortbildung des Prozeßrechts in die Hand: Wil-
mowski und Levy, Struckmanu und Koch, Petersen und Reinke traten an die
Stelle der Theoretiker wie Wetzel, Renaud, Mittermaier und den Universitäts¬
lehrern wie Wach, Seuffert, Gaupp, Richard Schmidt und Stein ebenbürtig
zur Seite.

Eine völlige Umgestaltung des geschilderten Zustandes der Rechtswissen¬
schaft hatte die Neuordnung unsers gesamten bürgerlichen Rechts zur Folge:
mit dem Augenblick, wo das Bürgerliche Gesetzbuch der Öffentlichkeit unter¬
breitet wurde, trat ein dem frühern fast entgegengesetzter Zustand ein; das
Übergewicht, das bis dahin die Universitätslehrer überall, wo es sich um die


Grenzboten II 1904 83
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[0629] Die Zukunft der juristischen Professuren nur durch Ausnutzung möglichst vieler Wege, Rückgriff auf möglichst viele, möglichst weit voneinander abliegende Mittel. Jedes der Mittel kann und darf für sich allein ein im Verhältnis zur Größe der Bedrängnis nur be- fcheidnes Maß von Hilfe bringen, und es ist ein Fehler, mehr von ihm zu verlangen. Nur darauf kommt es an, daß alle diese kleinen Mittel zusammen die Fähigkeit des Staates zu helfen so weit nur irgend möglich erweitern und erschöpfen. Auch die Hilfe durch Zollschutz wird bei den jetzigen Kornpreisen nie etwas andres als eines der vielen kleinen Mittel sein; ich glaube, es ist nötig, sich hierüber klar zu bleiben, damit man nicht Unmögliches vom Staate verlangt und dann notwendig enttäuscht wird. (Schluß folgt) Die Zukunft der juristischen Professuren Lügen Josef i vonn (Schluß) 3 le als Folge der politischen Einheit allmählich erreichte Rechts¬ einheit brachte in die geschilderten Verhältnisse alsbald eine gänzliche Änderung. Verhältnismäßig wenig noch auf dem Ge¬ biete des Strafrechts, aber schon sehr stark auf dem Gebiete des Handels- und des Wechselrechts und ganz besonders auf dem des Zivil- und des Strafprozesses. An die wissenschaftliche Erforschung dieser Gebiete, die noch vor zwei Jahrzehnten fast nur den Universitätslehrern oblag, machten sich die juristischen Praktiker, Richter wie Rechtsanwälte. Professoren wie Goldschmidt und Thöl, die Begründer der Wissenschaft des deutschen Handels- und Wechselrcchts, wurden abgelöst von Praktikern wie Makower, Rießer, Ring, Staub; und Goldschmidt sprach, wie wir seinen Auf¬ zeichnungen entnehmen, oft die schmerzliche Besorgnis aus, daß dereinst die Fortbildung des Handelsrechts den Universitätslehrern ganz entzogen und nur von praktischen Juristen besorgt werden würde. Und wie auf dem Gebiet des Handelsrechts, so nahmen auch auf dem des Zivilprozesses Männer der Praxis die wissenschaftliche Fortbildung des Prozeßrechts in die Hand: Wil- mowski und Levy, Struckmanu und Koch, Petersen und Reinke traten an die Stelle der Theoretiker wie Wetzel, Renaud, Mittermaier und den Universitäts¬ lehrern wie Wach, Seuffert, Gaupp, Richard Schmidt und Stein ebenbürtig zur Seite. Eine völlige Umgestaltung des geschilderten Zustandes der Rechtswissen¬ schaft hatte die Neuordnung unsers gesamten bürgerlichen Rechts zur Folge: mit dem Augenblick, wo das Bürgerliche Gesetzbuch der Öffentlichkeit unter¬ breitet wurde, trat ein dem frühern fast entgegengesetzter Zustand ein; das Übergewicht, das bis dahin die Universitätslehrer überall, wo es sich um die Grenzboten II 1904 83

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/629>, abgerufen am 13.11.2024.