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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Erinnerungen

die Autonomie, die die katholische Kirche verlange, habe sie ja, und diese sei ihr
eben durch Artikel 15 der Verfassung gewährleistet. Er, Graf Stolberg, habe ganz
erstaunt nachgesehen, ob der Artikel 15 noch bestehe, und habe sich dann überzeugt,
daß er durch Gesetz vom 18. Juni 1875 aufgehoben sei. Das sei doch stark, daß
der Kultusminister einen solchen Schnitzer mache, der, wenn man unbesehens in
diesem Sinne nach Rom geantwortet hätte, zu unabsehbar fatalen Auslegungen
geführt haben würde. Allerdings ein Beweis für die Flüchtigkeit, mit der Herr
v. Puttkamer so wichtige Dinge behandelt. Wenn er sich in Kostin in einen so
entschiednen Gegensatz zu seinem Vorgänger Falk gesetzt hat, so mag dies der
Wahrheit entsprechen. Es fragt sich nur, ob gerade die Einweihung eines neuen
Gymnasiums die geeignete Gelegenheit war sür eine so wichtige programmatische
Erklärung, die im Grunde doch für das ganze Ministerium von charakteristischer
Bedeutung ist. Graf Stolberg will jetzt noch für einige Zeit zur Gemsjagd in die
Alpen gehn. Das ist ihm sehr zu gönnen. Besser aber wäre es, wenn er hier
wäre. Geht auch er noch fort, so ist hier ein Zustand völliger Direktionslosigkeit.
Wer kann es dem Fürsten Bismarck verargen, wenn er darüber unmutig wird?

Andrerseits wird in kleinlichen Dingen mit peinlicher Rücksichtnahme auf den
Fürsten verfahren. Im Staatsministerium wird bis auf den heutigen Tag amtlich
die Kreuzzeitung nicht mehr gehalten, weil das der Fürst vor einigen Jahren zur
Zeit der Deklaranten verboten hatte. Jetzt ist sie aber wieder regierungsfreundlich
und äußerst zahm, ja der Fürst ladet den Redakteur v. Niebelschütz sogar zu seinen
Soireen ein. Ich fragte den Grafen, ob ich unter diesen Umständen die Kreuz¬
zeitung nicht für das Bureau des Staatsministeriums bestellen solle. Er meinte
aber, der Fürst sei gerade in solchen Dingen oft empfindlich; ich möchte es lassen,
wie es sei. Meinetwegen. Ich kann mir nicht helfen, immer wieder sehe ich in
solchen Dingen Symptome dafür, wie wenig die Minister die rechte freimütige
Stellung zum Fürsten finden. Wie kann mau sich da wundern, wenn auch dem
Fürsten das rechte Zutrauen fehlt. Er mag ja schwer zu befriedigen sein, aber die
Schuld liegt nicht allein auf seiner Seite.

22. August. Graf Stolberg ist abgereist. Er ist unerreichbar in Rauris im
Salzburgischen, wo er Gemsen jagt. Auch der Finanzminister ist nach Karlsbad
gegangen. Der preußische Staat regiert sich allein, ohne Minister.

Am Montag hatte ich noch eine seltsame Affäre zwischen Graf Stolberg und
Bitter erlebt. Von beiden gemeinsam war ein schleuniger Jmmediatbericht an den
Kaiser zu erstatten, und zwar über das Gesuch des Herzogs von Cambridge, ihm
eine beruhigende Erklärung des Kaisers zukommen zu lassen, daß man den Welfen-
fonds nicht konfiszieren und seine, des Herzogs, agnatischen Rechte daran respektieren
werde. Wir hatten deswegen an Bismarck geschrieben, und er hatte eine an mich
adressierte, etwas gewundne Antwort geschickt, worin er die Existenz agnatischer
Rechte am Welfenfonds bestritt und eigentlich Wohl auf eine Konfiskation zielte.
Diese Erklärung hatte ich dem Finanzminister mitgeteilt, und dieser wollte sich die
Gelegenheit nicht entgehn lassen, dem Könige gegenüber die Möglichkeit und Zu-
lässigkeit der Konfiskation schon jetzt zur Sprache zu bringen. Das will aber Graf
Stolberg nicht. Er ist Gegner der Konfiskation, und jedenfalls hat sich das Staats¬
ministerium darüber noch nicht schlüssig gemacht. Ich hatte das dem Referenten im
Finanzministerium, Geheimen Oberfinanzrat Rüdorff, auch mitgeteilt. Infolgedessen
hatte dieser den Entwurf des Jmmedicitberichts zwar ein wenig ans Schrauben
gestellt, hatte aber doch die Möglichkeit der Konfiskation durchblicken lassen. Ich
war der Meinung, daß seine Fassung den Grafen Stolberg nicht geradezu vinlu-
liere, hatte aber gleich vorbehalten, ich könne nicht dafür einstehn, daß Graf Stolberg
den Bericht so zeichnen werde. Der Finanzminister wollte Dienstag früh abreisen,
Graf Stolberg Dienstag Mittag. Montag Nachmittag kam das Konzept des
Jmmediatberichts aus dem Finanzministerium an mich. Ich zeichnete es und schickte


Erinnerungen

die Autonomie, die die katholische Kirche verlange, habe sie ja, und diese sei ihr
eben durch Artikel 15 der Verfassung gewährleistet. Er, Graf Stolberg, habe ganz
erstaunt nachgesehen, ob der Artikel 15 noch bestehe, und habe sich dann überzeugt,
daß er durch Gesetz vom 18. Juni 1875 aufgehoben sei. Das sei doch stark, daß
der Kultusminister einen solchen Schnitzer mache, der, wenn man unbesehens in
diesem Sinne nach Rom geantwortet hätte, zu unabsehbar fatalen Auslegungen
geführt haben würde. Allerdings ein Beweis für die Flüchtigkeit, mit der Herr
v. Puttkamer so wichtige Dinge behandelt. Wenn er sich in Kostin in einen so
entschiednen Gegensatz zu seinem Vorgänger Falk gesetzt hat, so mag dies der
Wahrheit entsprechen. Es fragt sich nur, ob gerade die Einweihung eines neuen
Gymnasiums die geeignete Gelegenheit war sür eine so wichtige programmatische
Erklärung, die im Grunde doch für das ganze Ministerium von charakteristischer
Bedeutung ist. Graf Stolberg will jetzt noch für einige Zeit zur Gemsjagd in die
Alpen gehn. Das ist ihm sehr zu gönnen. Besser aber wäre es, wenn er hier
wäre. Geht auch er noch fort, so ist hier ein Zustand völliger Direktionslosigkeit.
Wer kann es dem Fürsten Bismarck verargen, wenn er darüber unmutig wird?

Andrerseits wird in kleinlichen Dingen mit peinlicher Rücksichtnahme auf den
Fürsten verfahren. Im Staatsministerium wird bis auf den heutigen Tag amtlich
die Kreuzzeitung nicht mehr gehalten, weil das der Fürst vor einigen Jahren zur
Zeit der Deklaranten verboten hatte. Jetzt ist sie aber wieder regierungsfreundlich
und äußerst zahm, ja der Fürst ladet den Redakteur v. Niebelschütz sogar zu seinen
Soireen ein. Ich fragte den Grafen, ob ich unter diesen Umständen die Kreuz¬
zeitung nicht für das Bureau des Staatsministeriums bestellen solle. Er meinte
aber, der Fürst sei gerade in solchen Dingen oft empfindlich; ich möchte es lassen,
wie es sei. Meinetwegen. Ich kann mir nicht helfen, immer wieder sehe ich in
solchen Dingen Symptome dafür, wie wenig die Minister die rechte freimütige
Stellung zum Fürsten finden. Wie kann mau sich da wundern, wenn auch dem
Fürsten das rechte Zutrauen fehlt. Er mag ja schwer zu befriedigen sein, aber die
Schuld liegt nicht allein auf seiner Seite.

22. August. Graf Stolberg ist abgereist. Er ist unerreichbar in Rauris im
Salzburgischen, wo er Gemsen jagt. Auch der Finanzminister ist nach Karlsbad
gegangen. Der preußische Staat regiert sich allein, ohne Minister.

Am Montag hatte ich noch eine seltsame Affäre zwischen Graf Stolberg und
Bitter erlebt. Von beiden gemeinsam war ein schleuniger Jmmediatbericht an den
Kaiser zu erstatten, und zwar über das Gesuch des Herzogs von Cambridge, ihm
eine beruhigende Erklärung des Kaisers zukommen zu lassen, daß man den Welfen-
fonds nicht konfiszieren und seine, des Herzogs, agnatischen Rechte daran respektieren
werde. Wir hatten deswegen an Bismarck geschrieben, und er hatte eine an mich
adressierte, etwas gewundne Antwort geschickt, worin er die Existenz agnatischer
Rechte am Welfenfonds bestritt und eigentlich Wohl auf eine Konfiskation zielte.
Diese Erklärung hatte ich dem Finanzminister mitgeteilt, und dieser wollte sich die
Gelegenheit nicht entgehn lassen, dem Könige gegenüber die Möglichkeit und Zu-
lässigkeit der Konfiskation schon jetzt zur Sprache zu bringen. Das will aber Graf
Stolberg nicht. Er ist Gegner der Konfiskation, und jedenfalls hat sich das Staats¬
ministerium darüber noch nicht schlüssig gemacht. Ich hatte das dem Referenten im
Finanzministerium, Geheimen Oberfinanzrat Rüdorff, auch mitgeteilt. Infolgedessen
hatte dieser den Entwurf des Jmmedicitberichts zwar ein wenig ans Schrauben
gestellt, hatte aber doch die Möglichkeit der Konfiskation durchblicken lassen. Ich
war der Meinung, daß seine Fassung den Grafen Stolberg nicht geradezu vinlu-
liere, hatte aber gleich vorbehalten, ich könne nicht dafür einstehn, daß Graf Stolberg
den Bericht so zeichnen werde. Der Finanzminister wollte Dienstag früh abreisen,
Graf Stolberg Dienstag Mittag. Montag Nachmittag kam das Konzept des
Jmmediatberichts aus dem Finanzministerium an mich. Ich zeichnete es und schickte


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[0536] Erinnerungen die Autonomie, die die katholische Kirche verlange, habe sie ja, und diese sei ihr eben durch Artikel 15 der Verfassung gewährleistet. Er, Graf Stolberg, habe ganz erstaunt nachgesehen, ob der Artikel 15 noch bestehe, und habe sich dann überzeugt, daß er durch Gesetz vom 18. Juni 1875 aufgehoben sei. Das sei doch stark, daß der Kultusminister einen solchen Schnitzer mache, der, wenn man unbesehens in diesem Sinne nach Rom geantwortet hätte, zu unabsehbar fatalen Auslegungen geführt haben würde. Allerdings ein Beweis für die Flüchtigkeit, mit der Herr v. Puttkamer so wichtige Dinge behandelt. Wenn er sich in Kostin in einen so entschiednen Gegensatz zu seinem Vorgänger Falk gesetzt hat, so mag dies der Wahrheit entsprechen. Es fragt sich nur, ob gerade die Einweihung eines neuen Gymnasiums die geeignete Gelegenheit war sür eine so wichtige programmatische Erklärung, die im Grunde doch für das ganze Ministerium von charakteristischer Bedeutung ist. Graf Stolberg will jetzt noch für einige Zeit zur Gemsjagd in die Alpen gehn. Das ist ihm sehr zu gönnen. Besser aber wäre es, wenn er hier wäre. Geht auch er noch fort, so ist hier ein Zustand völliger Direktionslosigkeit. Wer kann es dem Fürsten Bismarck verargen, wenn er darüber unmutig wird? Andrerseits wird in kleinlichen Dingen mit peinlicher Rücksichtnahme auf den Fürsten verfahren. Im Staatsministerium wird bis auf den heutigen Tag amtlich die Kreuzzeitung nicht mehr gehalten, weil das der Fürst vor einigen Jahren zur Zeit der Deklaranten verboten hatte. Jetzt ist sie aber wieder regierungsfreundlich und äußerst zahm, ja der Fürst ladet den Redakteur v. Niebelschütz sogar zu seinen Soireen ein. Ich fragte den Grafen, ob ich unter diesen Umständen die Kreuz¬ zeitung nicht für das Bureau des Staatsministeriums bestellen solle. Er meinte aber, der Fürst sei gerade in solchen Dingen oft empfindlich; ich möchte es lassen, wie es sei. Meinetwegen. Ich kann mir nicht helfen, immer wieder sehe ich in solchen Dingen Symptome dafür, wie wenig die Minister die rechte freimütige Stellung zum Fürsten finden. Wie kann mau sich da wundern, wenn auch dem Fürsten das rechte Zutrauen fehlt. Er mag ja schwer zu befriedigen sein, aber die Schuld liegt nicht allein auf seiner Seite. 22. August. Graf Stolberg ist abgereist. Er ist unerreichbar in Rauris im Salzburgischen, wo er Gemsen jagt. Auch der Finanzminister ist nach Karlsbad gegangen. Der preußische Staat regiert sich allein, ohne Minister. Am Montag hatte ich noch eine seltsame Affäre zwischen Graf Stolberg und Bitter erlebt. Von beiden gemeinsam war ein schleuniger Jmmediatbericht an den Kaiser zu erstatten, und zwar über das Gesuch des Herzogs von Cambridge, ihm eine beruhigende Erklärung des Kaisers zukommen zu lassen, daß man den Welfen- fonds nicht konfiszieren und seine, des Herzogs, agnatischen Rechte daran respektieren werde. Wir hatten deswegen an Bismarck geschrieben, und er hatte eine an mich adressierte, etwas gewundne Antwort geschickt, worin er die Existenz agnatischer Rechte am Welfenfonds bestritt und eigentlich Wohl auf eine Konfiskation zielte. Diese Erklärung hatte ich dem Finanzminister mitgeteilt, und dieser wollte sich die Gelegenheit nicht entgehn lassen, dem Könige gegenüber die Möglichkeit und Zu- lässigkeit der Konfiskation schon jetzt zur Sprache zu bringen. Das will aber Graf Stolberg nicht. Er ist Gegner der Konfiskation, und jedenfalls hat sich das Staats¬ ministerium darüber noch nicht schlüssig gemacht. Ich hatte das dem Referenten im Finanzministerium, Geheimen Oberfinanzrat Rüdorff, auch mitgeteilt. Infolgedessen hatte dieser den Entwurf des Jmmedicitberichts zwar ein wenig ans Schrauben gestellt, hatte aber doch die Möglichkeit der Konfiskation durchblicken lassen. Ich war der Meinung, daß seine Fassung den Grafen Stolberg nicht geradezu vinlu- liere, hatte aber gleich vorbehalten, ich könne nicht dafür einstehn, daß Graf Stolberg den Bericht so zeichnen werde. Der Finanzminister wollte Dienstag früh abreisen, Graf Stolberg Dienstag Mittag. Montag Nachmittag kam das Konzept des Jmmediatberichts aus dem Finanzministerium an mich. Ich zeichnete es und schickte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/536>, abgerufen am 04.07.2024.