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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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koar Vctavio j?iccolomini der Verräter Wallensteins?

lonnni korrespondiert hierüber hauptsächlich mit den Generalen Gallas und
Aldringen und sucht durch Vermittlung des Grafen Gallas Wallenstein von
dem ihm falsch scheinenden Wege abzubringen, wobei er dem Generalissimus tat¬
kräftige Hilfe zusagt. 3. Von der Bedenklichkeit der Wallensteinschen Pläne
überzeugt, glaubt er nach den Mitteilungen des kaiserlichen Abgesandten Wall-
merode an ein Bestehen einer gegen den Kaiser gerichteten Rebellion und ist
entschlossen, nach den Befehlen des Kaisers diese Rebellion durch die
Gefangennahme Wallensteins und seiner Anhänger zu verhindern. 4. Die
Ausführung dieses Planes verzögert sich wegen der unbestimmten Befehle
des Kaisers. Man wagt es nicht, gegen Wallenstein vorzugehn. Man hofft
noch auf einen Ausgleich, und Piccolomini zeigt in dieser Periode noch
immer die Maske des Freundes gegen Wallenstein. 5. Da kommt der be¬
stimmte Befehl des Kaisers, sich Wallensteins "lebend oder tot" zu bemächtigen,
und die Brandmarkung Wallensteins als Rebell und Verräter. Erst jetzt wirft
Piccolomini die Freundesmaske ab und geht offen gegen Wallenstein vor.
6. Wallenstein zieht sich nach Eger zurück. Piccolomini läßt Pilsen besetzen
und gibt an Buttler den kaiserlichen Befehl weiter, Wallenstein "lebend oder
tot" zurückzubringen. 7. Oberst Buttler, der Wallenstein nach Eger begleitet,
verständigt sich mit Gordon und Leslie, und die Ermordung Wallensteins und
seiner nächsten Anhänger findet statt.

Das ist der äußere Verlauf der Dinge! Man sieht, Piccolomini spielt,
ebenso wie Gallas, Aldringen und Colloredo, eine wenig hübsche Rolle in dieser
Tragödie, dessen intellektuelle Leiter aber am Wiener Hof und in der spa¬
nischen Gesandtschaft sowie in der Kanzlei des Kurfürsten von Bayern saßen.
Man muß das Verhalten Piccolominis und der übrigen Generale jedoch aus
den Zeitverhältnissen und aus den herrschenden Umständen erklären. Picco¬
lomini war vor die Wahl zwischen Kaiser und Wallenstein gestellt, er entschied
sich für den ersten. Niemand wird ihm hieraus einen Vorwurf machen können,
zum Vorwurf gereicht ihm nur die Art und Weise der Ausführung der kaiser¬
lichen Befehle. Ihn aber in gehässiger Weise als Typus eines heimtückischen
Verräters seines Freundes Wallenstein hinzustellen, dazu liegt kein Grund
vor. Die treuen Dienste, die er von seinem sechzehnten Jahre bis zu seinem
1656 erfolgten Tode dem Hause Habsburg geleistet hat, müssen dagegen seinem
Charakter zu großem Lobe gereichen. Er hat in dieser Treue gegen das
kaiserliche Haus niemals gewankt, und mehr als einmal war er, wenn sich das
Kriegsglück wandte, der Retter des Hauses Habsburg.




Grenzboten II 19046O
koar Vctavio j?iccolomini der Verräter Wallensteins?

lonnni korrespondiert hierüber hauptsächlich mit den Generalen Gallas und
Aldringen und sucht durch Vermittlung des Grafen Gallas Wallenstein von
dem ihm falsch scheinenden Wege abzubringen, wobei er dem Generalissimus tat¬
kräftige Hilfe zusagt. 3. Von der Bedenklichkeit der Wallensteinschen Pläne
überzeugt, glaubt er nach den Mitteilungen des kaiserlichen Abgesandten Wall-
merode an ein Bestehen einer gegen den Kaiser gerichteten Rebellion und ist
entschlossen, nach den Befehlen des Kaisers diese Rebellion durch die
Gefangennahme Wallensteins und seiner Anhänger zu verhindern. 4. Die
Ausführung dieses Planes verzögert sich wegen der unbestimmten Befehle
des Kaisers. Man wagt es nicht, gegen Wallenstein vorzugehn. Man hofft
noch auf einen Ausgleich, und Piccolomini zeigt in dieser Periode noch
immer die Maske des Freundes gegen Wallenstein. 5. Da kommt der be¬
stimmte Befehl des Kaisers, sich Wallensteins „lebend oder tot" zu bemächtigen,
und die Brandmarkung Wallensteins als Rebell und Verräter. Erst jetzt wirft
Piccolomini die Freundesmaske ab und geht offen gegen Wallenstein vor.
6. Wallenstein zieht sich nach Eger zurück. Piccolomini läßt Pilsen besetzen
und gibt an Buttler den kaiserlichen Befehl weiter, Wallenstein „lebend oder
tot" zurückzubringen. 7. Oberst Buttler, der Wallenstein nach Eger begleitet,
verständigt sich mit Gordon und Leslie, und die Ermordung Wallensteins und
seiner nächsten Anhänger findet statt.

Das ist der äußere Verlauf der Dinge! Man sieht, Piccolomini spielt,
ebenso wie Gallas, Aldringen und Colloredo, eine wenig hübsche Rolle in dieser
Tragödie, dessen intellektuelle Leiter aber am Wiener Hof und in der spa¬
nischen Gesandtschaft sowie in der Kanzlei des Kurfürsten von Bayern saßen.
Man muß das Verhalten Piccolominis und der übrigen Generale jedoch aus
den Zeitverhältnissen und aus den herrschenden Umständen erklären. Picco¬
lomini war vor die Wahl zwischen Kaiser und Wallenstein gestellt, er entschied
sich für den ersten. Niemand wird ihm hieraus einen Vorwurf machen können,
zum Vorwurf gereicht ihm nur die Art und Weise der Ausführung der kaiser¬
lichen Befehle. Ihn aber in gehässiger Weise als Typus eines heimtückischen
Verräters seines Freundes Wallenstein hinzustellen, dazu liegt kein Grund
vor. Die treuen Dienste, die er von seinem sechzehnten Jahre bis zu seinem
1656 erfolgten Tode dem Hause Habsburg geleistet hat, müssen dagegen seinem
Charakter zu großem Lobe gereichen. Er hat in dieser Treue gegen das
kaiserliche Haus niemals gewankt, und mehr als einmal war er, wenn sich das
Kriegsglück wandte, der Retter des Hauses Habsburg.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/525>, abgerufen am 25.07.2024.