Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.Eindrücke aus der modernen Verwaltung Preußens aus dem Ressort der Negierung herausgenommen und ihm besonders zuge¬ Schließlich kommt auch heute der Humor noch einmal zu seinem Rechte. Jetzt noch schnell ein Blick ins eigne Dienstzimmer! Größere Arbeiten Eindrücke aus der modernen Verwaltung Preußens aus dem Ressort der Negierung herausgenommen und ihm besonders zuge¬ Schließlich kommt auch heute der Humor noch einmal zu seinem Rechte. Jetzt noch schnell ein Blick ins eigne Dienstzimmer! Größere Arbeiten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0516" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294135"/> <fw type="header" place="top"> Eindrücke aus der modernen Verwaltung Preußens</fw><lb/> <p xml:id="ID_2313" prev="#ID_2312"> aus dem Ressort der Negierung herausgenommen und ihm besonders zuge¬<lb/> wiesen sind. Man kann sich hierbei oft des Eindrucks nicht erwehren, daß hier<lb/> der natürliche Zusammenhang der Geschäfte willkürlich oder wenigstens unzweck¬<lb/> mäßig zerrissen wird. Die große Überzahl der Kommunalangelegenheiten be¬<lb/> arbeitet der Dezernent der Regierung, er allein kennt infolgedessen genau die<lb/> Verhältnisse der Gemeinden; in einzelnen oft dabei sehr wichtigen Fragen ent¬<lb/> scheidet aber der Bezirksausschuß, worin derselbe Dezernent mit seiner Sach¬<lb/> kenntnis fast nie vertreten und auch nicht durch eine gleiche Sachkunde der<lb/> Mitglieder dieser Behörde ersetzt ist. Man könnte es darum auch dem Bezirks¬<lb/> ausschuß nicht verdenken, wenn er diesen auf seinen Tisch gefahrenen Sachen<lb/> weniger Liebe entgegenbrächte als den Streitsachen, in denen er sich ganz im<lb/> eignen Hause fühlt. Weiter fragt ein Landrat nach der richtigen Auslegung<lb/> einer Bestimmung der hannoverschen Landgemeindeordnung, die wie manche<lb/> Gesetze dieses Landes in der eigentümlichen Weise gearbeitet ist, daß vieles,<lb/> was einst nach Herkommen selbstverständlich war, nicht mit aufgenommen ist.<lb/> Nun verblaßt die Kenntnis, viele der jetzigen Beamten haben eine andre Heimat,<lb/> es entstehn Schwierigkeiten der Auslegung. Sind es Doktorfragen, läßt sich<lb/> auf die eine oder die andre Weise so Verfahren, daß eine Entscheidung über<lb/> die Auslegung umgangen werden kann, so ist es meist das richtige, sie zu ver¬<lb/> meiden. Und auch dann empfiehlt es sich meist nicht, als höhere Behörde der<lb/> fragenden untern die Auslegung einer zweifelhaften Rechtsfrage an die Hand<lb/> zu geben, wenn die höhere Behörde später in derselben Sache als Beschwerde-<lb/> iustanz zu entscheiden berufen ist; jede Behörde soll die Verantwortung ihrer<lb/> Instanz selber tragen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2314"> Schließlich kommt auch heute der Humor noch einmal zu seinem Rechte.<lb/> Ein Wohltäter der Menschheit, dessen Hausgrundstück an einen Wasserlauf<lb/> grenzt, hat auch auf der andern Seite etwas Gartenland. Er hat sich also<lb/> einen Steg über den Bach mit einigen Bohlen gebaut und ist nun bereit, den<lb/> Übergang über die Brücke auch seinen Nachbarn zu erlauben, aber nur wenn<lb/> ihm die Staatsbehörde bewilligt, in der Gemeinde eine Lotterie zur Deckung<lb/> der Baukosten zu veranstalten; der Spielplan muß natürlich dafür sorgen, daß<lb/> er hierbei nicht zu kurz kommt; das Gesuch ist auch von vielen Unterschriften<lb/> der Nachbarn bedeckt, denn der Mann betreibt einen Kramladen. Der<lb/> Dezernent schwankt, ob er das Gesuch nicht doch an den Herrn Oberpräsidenten<lb/> gelangen lassen soll, der über öffentliche Lotterien zu entscheiden hat. Warum<lb/> sollen nicht auch die Dezernenten dieser hohen Behörde eine kleine Freude<lb/> haben? Aber er läßt es doch dem Regierungsrat, den er vertritt, vorläufig<lb/> liegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2315" next="#ID_2316"> Jetzt noch schnell ein Blick ins eigne Dienstzimmer! Größere Arbeiten<lb/> vorzunehmen, ist es heute zu spät geworden. Neue Sachen sind nicht mehr<lb/> viel hinzugekommen. Ein Zirkular wegen des Essens am Geburtstage des<lb/> Kaisers ist die Hauptsache. Das Fest findet in einer Gastwirtschaft statt. Ein<lb/> Klub, der die erste Gesellschaft vereinigte, fehlt noch. Die Schwierigkeit, die<lb/> Aufnahme richtig zu begrenzen, das Risiko, das mit dem Zusammenbruch einer<lb/> solchen Einrichtung verbunden ist, wenn einmal ein Riß die Gesellschaft in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0516]
Eindrücke aus der modernen Verwaltung Preußens
aus dem Ressort der Negierung herausgenommen und ihm besonders zuge¬
wiesen sind. Man kann sich hierbei oft des Eindrucks nicht erwehren, daß hier
der natürliche Zusammenhang der Geschäfte willkürlich oder wenigstens unzweck¬
mäßig zerrissen wird. Die große Überzahl der Kommunalangelegenheiten be¬
arbeitet der Dezernent der Regierung, er allein kennt infolgedessen genau die
Verhältnisse der Gemeinden; in einzelnen oft dabei sehr wichtigen Fragen ent¬
scheidet aber der Bezirksausschuß, worin derselbe Dezernent mit seiner Sach¬
kenntnis fast nie vertreten und auch nicht durch eine gleiche Sachkunde der
Mitglieder dieser Behörde ersetzt ist. Man könnte es darum auch dem Bezirks¬
ausschuß nicht verdenken, wenn er diesen auf seinen Tisch gefahrenen Sachen
weniger Liebe entgegenbrächte als den Streitsachen, in denen er sich ganz im
eignen Hause fühlt. Weiter fragt ein Landrat nach der richtigen Auslegung
einer Bestimmung der hannoverschen Landgemeindeordnung, die wie manche
Gesetze dieses Landes in der eigentümlichen Weise gearbeitet ist, daß vieles,
was einst nach Herkommen selbstverständlich war, nicht mit aufgenommen ist.
Nun verblaßt die Kenntnis, viele der jetzigen Beamten haben eine andre Heimat,
es entstehn Schwierigkeiten der Auslegung. Sind es Doktorfragen, läßt sich
auf die eine oder die andre Weise so Verfahren, daß eine Entscheidung über
die Auslegung umgangen werden kann, so ist es meist das richtige, sie zu ver¬
meiden. Und auch dann empfiehlt es sich meist nicht, als höhere Behörde der
fragenden untern die Auslegung einer zweifelhaften Rechtsfrage an die Hand
zu geben, wenn die höhere Behörde später in derselben Sache als Beschwerde-
iustanz zu entscheiden berufen ist; jede Behörde soll die Verantwortung ihrer
Instanz selber tragen.
Schließlich kommt auch heute der Humor noch einmal zu seinem Rechte.
Ein Wohltäter der Menschheit, dessen Hausgrundstück an einen Wasserlauf
grenzt, hat auch auf der andern Seite etwas Gartenland. Er hat sich also
einen Steg über den Bach mit einigen Bohlen gebaut und ist nun bereit, den
Übergang über die Brücke auch seinen Nachbarn zu erlauben, aber nur wenn
ihm die Staatsbehörde bewilligt, in der Gemeinde eine Lotterie zur Deckung
der Baukosten zu veranstalten; der Spielplan muß natürlich dafür sorgen, daß
er hierbei nicht zu kurz kommt; das Gesuch ist auch von vielen Unterschriften
der Nachbarn bedeckt, denn der Mann betreibt einen Kramladen. Der
Dezernent schwankt, ob er das Gesuch nicht doch an den Herrn Oberpräsidenten
gelangen lassen soll, der über öffentliche Lotterien zu entscheiden hat. Warum
sollen nicht auch die Dezernenten dieser hohen Behörde eine kleine Freude
haben? Aber er läßt es doch dem Regierungsrat, den er vertritt, vorläufig
liegen.
Jetzt noch schnell ein Blick ins eigne Dienstzimmer! Größere Arbeiten
vorzunehmen, ist es heute zu spät geworden. Neue Sachen sind nicht mehr
viel hinzugekommen. Ein Zirkular wegen des Essens am Geburtstage des
Kaisers ist die Hauptsache. Das Fest findet in einer Gastwirtschaft statt. Ein
Klub, der die erste Gesellschaft vereinigte, fehlt noch. Die Schwierigkeit, die
Aufnahme richtig zu begrenzen, das Risiko, das mit dem Zusammenbruch einer
solchen Einrichtung verbunden ist, wenn einmal ein Riß die Gesellschaft in
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |