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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Umänderungen in der Niederlausitz

Zufriedenheit. Diese Mittel bestehn in der persönlichen Anwesenheit des Kaisers
innerhalb des Heeres, Neuordnung der Armeekorps, Regelung des Verpflegungs¬
und des Besoldungswescns. Dann könnte man dem Feinde sehr wohl entgegen¬
treten, da man diesem an effektiven Streitkräften mindestens gleich, wenn nicht
überlegen sei.

Voll ehrlicher Entrüstung wendet er sich sodann aber gegen die seinen
guten Ruf schädigenden Gerüchte, die schon bis zu dem Kaiser gedrungen sind.
Er an der Spitze der italienischen Offiziere soll die Intrigue gegen Wallenstein
geleitet haben, daß er für die Italiener die höchsten Kommandostellcn im Heere
und weitere Reichtümer erlange. Er weist darauf hin, daß er es nicht nötig
gehabt hätte, um solcher Ziele willen Wallenstein zu beseitigen, denn dieser habe
ihm ja die höchsten Kommandostellen im Heer und reiche Güter versprochen.
Zur vollständigen Widerlegung dieses Gerüchts bietet er seine Enthebung von
allen Kommandostellen an und will als einfacher Soldat weiterdienen.

Man könnte sagen, es sei dieses Anerbieten nur eine leere Redensart ge¬
wesen. Aber der Ton, in dem diese Briefe geschrieben sind, widerspricht dieser
Annahme; das Anerbieten, seine Kommandostellen niederzulegen, wird nicht
hypothetisch ausgesprochen, sondern durchaus ernstlich und bedingungslos.
Namentlich der Ton in dem Gesuch an den Kaiser ist so bestimmt, daß man
an dem ernsthaften Willen Piccolominis nicht zweifeln kann.

(Schluß folgt)




Wanderungen in der Niederlausitz
v Otto Lduard Schmidt on
Das Stift Neuzelle an der Oder und sein Hinterland
(Neuzelle, Bremsdorfer Mühle, Siehdichum, Beeskow)

s war an einem Aprilsonntage zur Zeit der sinkenden Sonne, als
wir uns von dem Ufer der Oder aufmachten, um noch vor völliger
Dunkelheit das in der Luftlinie nur etwa acht Kilometer nordwestlich
von der Neißemünduug liegende Stift Neuzelle oder vielmehr das
ihm benachbarte Dorf Schlauen zu erreichen. Dort wollten wir im
s.. u Gasthofe "Zum Prinzen Albrecht von Preußen" unser Quartier auf-
bnll ^ ""s empfohlen worden als der Gasthof, worin die Gerichtstage abge¬
lten werden. Wir kamen auch bald an das größtenteils noch in der Ebene liegende
^"lehnliche Kirchdorf Wellmih, von da an aber steigt das Gelände energisch empor
. bildet ein sich längs der Oderniederung nordwärts bis zum Oder-Spreekanal,
Mwärts bis gegen Beeskow erstreckendes welliges Gebirge. An seinem steil zur
bereue abfüllenden Ostrande liegt das Stift Neuzclle, dessen gewaltiger eiutürmiger
irchenbciu uns schon von weitem grüßt. Die beiden kleinern Türme daneben
Worm der protestantischen Kirche in schlahen. Aber die Chaussee macht starke
irummungen, und so lagen schon die Schatten der Finsternis über den Häusern,
is wir endlich vor dem ersehnten Gasthofe von den Rädern sprangen. Der "Prinz
^Uvrecht" ist ein bescheidner Bau, der nur aus einem Erdgeschosse besteht, aber er
°t genügende Unterkunft und vortreffliche Verpflegung. Überhaupt muß es den


Grenzboten II 1904 61
Umänderungen in der Niederlausitz

Zufriedenheit. Diese Mittel bestehn in der persönlichen Anwesenheit des Kaisers
innerhalb des Heeres, Neuordnung der Armeekorps, Regelung des Verpflegungs¬
und des Besoldungswescns. Dann könnte man dem Feinde sehr wohl entgegen¬
treten, da man diesem an effektiven Streitkräften mindestens gleich, wenn nicht
überlegen sei.

Voll ehrlicher Entrüstung wendet er sich sodann aber gegen die seinen
guten Ruf schädigenden Gerüchte, die schon bis zu dem Kaiser gedrungen sind.
Er an der Spitze der italienischen Offiziere soll die Intrigue gegen Wallenstein
geleitet haben, daß er für die Italiener die höchsten Kommandostellcn im Heere
und weitere Reichtümer erlange. Er weist darauf hin, daß er es nicht nötig
gehabt hätte, um solcher Ziele willen Wallenstein zu beseitigen, denn dieser habe
ihm ja die höchsten Kommandostellen im Heer und reiche Güter versprochen.
Zur vollständigen Widerlegung dieses Gerüchts bietet er seine Enthebung von
allen Kommandostellen an und will als einfacher Soldat weiterdienen.

Man könnte sagen, es sei dieses Anerbieten nur eine leere Redensart ge¬
wesen. Aber der Ton, in dem diese Briefe geschrieben sind, widerspricht dieser
Annahme; das Anerbieten, seine Kommandostellen niederzulegen, wird nicht
hypothetisch ausgesprochen, sondern durchaus ernstlich und bedingungslos.
Namentlich der Ton in dem Gesuch an den Kaiser ist so bestimmt, daß man
an dem ernsthaften Willen Piccolominis nicht zweifeln kann.

(Schluß folgt)




Wanderungen in der Niederlausitz
v Otto Lduard Schmidt on
Das Stift Neuzelle an der Oder und sein Hinterland
(Neuzelle, Bremsdorfer Mühle, Siehdichum, Beeskow)

s war an einem Aprilsonntage zur Zeit der sinkenden Sonne, als
wir uns von dem Ufer der Oder aufmachten, um noch vor völliger
Dunkelheit das in der Luftlinie nur etwa acht Kilometer nordwestlich
von der Neißemünduug liegende Stift Neuzelle oder vielmehr das
ihm benachbarte Dorf Schlauen zu erreichen. Dort wollten wir im
s.. u Gasthofe „Zum Prinzen Albrecht von Preußen" unser Quartier auf-
bnll ^ ""s empfohlen worden als der Gasthof, worin die Gerichtstage abge¬
lten werden. Wir kamen auch bald an das größtenteils noch in der Ebene liegende
^"lehnliche Kirchdorf Wellmih, von da an aber steigt das Gelände energisch empor
. bildet ein sich längs der Oderniederung nordwärts bis zum Oder-Spreekanal,
Mwärts bis gegen Beeskow erstreckendes welliges Gebirge. An seinem steil zur
bereue abfüllenden Ostrande liegt das Stift Neuzclle, dessen gewaltiger eiutürmiger
irchenbciu uns schon von weitem grüßt. Die beiden kleinern Türme daneben
Worm der protestantischen Kirche in schlahen. Aber die Chaussee macht starke
irummungen, und so lagen schon die Schatten der Finsternis über den Häusern,
is wir endlich vor dem ersehnten Gasthofe von den Rädern sprangen. Der „Prinz
^Uvrecht" ist ein bescheidner Bau, der nur aus einem Erdgeschosse besteht, aber er
°t genügende Unterkunft und vortreffliche Verpflegung. Überhaupt muß es den


Grenzboten II 1904 61
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[0465] Umänderungen in der Niederlausitz Zufriedenheit. Diese Mittel bestehn in der persönlichen Anwesenheit des Kaisers innerhalb des Heeres, Neuordnung der Armeekorps, Regelung des Verpflegungs¬ und des Besoldungswescns. Dann könnte man dem Feinde sehr wohl entgegen¬ treten, da man diesem an effektiven Streitkräften mindestens gleich, wenn nicht überlegen sei. Voll ehrlicher Entrüstung wendet er sich sodann aber gegen die seinen guten Ruf schädigenden Gerüchte, die schon bis zu dem Kaiser gedrungen sind. Er an der Spitze der italienischen Offiziere soll die Intrigue gegen Wallenstein geleitet haben, daß er für die Italiener die höchsten Kommandostellcn im Heere und weitere Reichtümer erlange. Er weist darauf hin, daß er es nicht nötig gehabt hätte, um solcher Ziele willen Wallenstein zu beseitigen, denn dieser habe ihm ja die höchsten Kommandostellen im Heer und reiche Güter versprochen. Zur vollständigen Widerlegung dieses Gerüchts bietet er seine Enthebung von allen Kommandostellen an und will als einfacher Soldat weiterdienen. Man könnte sagen, es sei dieses Anerbieten nur eine leere Redensart ge¬ wesen. Aber der Ton, in dem diese Briefe geschrieben sind, widerspricht dieser Annahme; das Anerbieten, seine Kommandostellen niederzulegen, wird nicht hypothetisch ausgesprochen, sondern durchaus ernstlich und bedingungslos. Namentlich der Ton in dem Gesuch an den Kaiser ist so bestimmt, daß man an dem ernsthaften Willen Piccolominis nicht zweifeln kann. (Schluß folgt) Wanderungen in der Niederlausitz v Otto Lduard Schmidt on Das Stift Neuzelle an der Oder und sein Hinterland (Neuzelle, Bremsdorfer Mühle, Siehdichum, Beeskow) s war an einem Aprilsonntage zur Zeit der sinkenden Sonne, als wir uns von dem Ufer der Oder aufmachten, um noch vor völliger Dunkelheit das in der Luftlinie nur etwa acht Kilometer nordwestlich von der Neißemünduug liegende Stift Neuzelle oder vielmehr das ihm benachbarte Dorf Schlauen zu erreichen. Dort wollten wir im s.. u Gasthofe „Zum Prinzen Albrecht von Preußen" unser Quartier auf- bnll ^ ""s empfohlen worden als der Gasthof, worin die Gerichtstage abge¬ lten werden. Wir kamen auch bald an das größtenteils noch in der Ebene liegende ^"lehnliche Kirchdorf Wellmih, von da an aber steigt das Gelände energisch empor . bildet ein sich längs der Oderniederung nordwärts bis zum Oder-Spreekanal, Mwärts bis gegen Beeskow erstreckendes welliges Gebirge. An seinem steil zur bereue abfüllenden Ostrande liegt das Stift Neuzclle, dessen gewaltiger eiutürmiger irchenbciu uns schon von weitem grüßt. Die beiden kleinern Türme daneben Worm der protestantischen Kirche in schlahen. Aber die Chaussee macht starke irummungen, und so lagen schon die Schatten der Finsternis über den Häusern, is wir endlich vor dem ersehnten Gasthofe von den Rädern sprangen. Der „Prinz ^Uvrecht" ist ein bescheidner Bau, der nur aus einem Erdgeschosse besteht, aber er °t genügende Unterkunft und vortreffliche Verpflegung. Überhaupt muß es den Grenzboten II 1904 61

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/465>, abgerufen am 04.07.2024.