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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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War Vctavio Viccolomini der Verräter Wallensteins?

dienst angehört haben, und denen der Geist einheitlich geschlossener straffer Be¬
amtenzucht wie angeboren ist, fortwährend neues Blut aus allen Erwerbsständen
in sich aufzunehmen und damit meist einen Strom frischerer Unabhängigkeit,
geringerer Scheu vor Neuerungen zu gewinnen, sodaß sich beide Strömungen
wohltätig durchdringen. Zu den wertvollsten Mitgliedern dieser Art hat von
jeher der Zuwachs aus dem unabhängigen Grundadel namentlich der Ost-
Provinzen gehört, und es wird immer zu den wichtigsten Aufgaben des Fidei-
kommißrechts gehören, dies Bewußtsein der Unabhängigkeit nach allen Seiten
im Großgrundbesitzerstande zu erhalten und nicht etwa dadurch zu vernichten,
daß er in seinem Privatleben zum Organ einer Genossenschaft, einer Familie,
herabgedrückt wird. ^^"a solgy




A)ar Octavio piccolomini der Verräter Wallensteins?
Ein Beitrag zur Geschichte Wallensteins aus den Akten des Archivs
zu Nachod G. Elfter, prinzlich Schaumburg-Lippischem Archivar von

eit Schiller in seiner großen Wallensteintragödie die Worte nieder¬
geschrieben hat: "Du hasts erreicht, Octavio!" und diesem zum
Schluß der Tragödie den kaiserlichen Brief mit der Aufschrift "Dem
Fürsten Piccolomini" überreichen läßt, steht Octavio Piccolomini in
den Augen der literarisch gebildeten Welt als der Typus des im
Geheimen schleichenden Verräters da. Das tragische Schicksal Wallensteins hat
das Mitleid der Mit- und der Nachwelt wachgerufen, und die stehn gebrandmarkt
^- die an dem Sturze des großen Feldherrn mitarbeiteten, gebrandmarkt als
Verräter des Mannes, der ihnen so große Wohltaten erwiesen hatte, gebrand-
Mcirkt als kluge Streber, die ihrem eignen Ehrgeiz und ihrer Habsucht den
Stößern Mann opferten, der ihnen im Wege stand. Auch Historiker, die teils
w leidenschaftlicher Weise für Wallenstein Partei nahmen, haben Octavio Picco¬
lomini des Verrath an Wallenstein geziehen und als Grund seines Ver¬
raterischen Treibens seinen Ehrgeiz, seine Habsucht angegeben. Ja, der leiden¬
schaftlichste Verteidiger Wallensteins, E. Schebeck in Prag, nennt Piccolomini
zugleich mjt dem Kanzler Grafen Slawata die Seele der Intrigue, die jahre¬
lang gegen Wallenstein gepflogen sein soll. Auch Fr. Förster hebt in seiner
^ogrciphie Wallensteins unter den Feinden Wallensteins den Octavio Picco-
lrnnini besonders hervor. So schreibt er Seite 253: "Diese eifrige Bemühung
Gallensteins um den Frieden war es nun vornehmlich, wodurch seine Feinde,
insbesondre Piccolomini und die andern Italiener, welche "das Leben vom
Stegreife" in Deutschland sehr einträglich fanden, immer mehr veranlaßt wurden,
^)n bei dem Kaiser zu verdächtigen, um sich seiner sobald wie möglich entledigen
SU können." Als andre italienische Intriganten gegen Wallenstein führt Förster
°le Generale Gallas, Aldringen (!), Mamdas, Colloredo (!), de Suys, Caretto,


War Vctavio Viccolomini der Verräter Wallensteins?

dienst angehört haben, und denen der Geist einheitlich geschlossener straffer Be¬
amtenzucht wie angeboren ist, fortwährend neues Blut aus allen Erwerbsständen
in sich aufzunehmen und damit meist einen Strom frischerer Unabhängigkeit,
geringerer Scheu vor Neuerungen zu gewinnen, sodaß sich beide Strömungen
wohltätig durchdringen. Zu den wertvollsten Mitgliedern dieser Art hat von
jeher der Zuwachs aus dem unabhängigen Grundadel namentlich der Ost-
Provinzen gehört, und es wird immer zu den wichtigsten Aufgaben des Fidei-
kommißrechts gehören, dies Bewußtsein der Unabhängigkeit nach allen Seiten
im Großgrundbesitzerstande zu erhalten und nicht etwa dadurch zu vernichten,
daß er in seinem Privatleben zum Organ einer Genossenschaft, einer Familie,
herabgedrückt wird. ^^„a solgy




A)ar Octavio piccolomini der Verräter Wallensteins?
Ein Beitrag zur Geschichte Wallensteins aus den Akten des Archivs
zu Nachod G. Elfter, prinzlich Schaumburg-Lippischem Archivar von

eit Schiller in seiner großen Wallensteintragödie die Worte nieder¬
geschrieben hat: „Du hasts erreicht, Octavio!" und diesem zum
Schluß der Tragödie den kaiserlichen Brief mit der Aufschrift „Dem
Fürsten Piccolomini" überreichen läßt, steht Octavio Piccolomini in
den Augen der literarisch gebildeten Welt als der Typus des im
Geheimen schleichenden Verräters da. Das tragische Schicksal Wallensteins hat
das Mitleid der Mit- und der Nachwelt wachgerufen, und die stehn gebrandmarkt
^- die an dem Sturze des großen Feldherrn mitarbeiteten, gebrandmarkt als
Verräter des Mannes, der ihnen so große Wohltaten erwiesen hatte, gebrand-
Mcirkt als kluge Streber, die ihrem eignen Ehrgeiz und ihrer Habsucht den
Stößern Mann opferten, der ihnen im Wege stand. Auch Historiker, die teils
w leidenschaftlicher Weise für Wallenstein Partei nahmen, haben Octavio Picco¬
lomini des Verrath an Wallenstein geziehen und als Grund seines Ver¬
raterischen Treibens seinen Ehrgeiz, seine Habsucht angegeben. Ja, der leiden¬
schaftlichste Verteidiger Wallensteins, E. Schebeck in Prag, nennt Piccolomini
zugleich mjt dem Kanzler Grafen Slawata die Seele der Intrigue, die jahre¬
lang gegen Wallenstein gepflogen sein soll. Auch Fr. Förster hebt in seiner
^ogrciphie Wallensteins unter den Feinden Wallensteins den Octavio Picco-
lrnnini besonders hervor. So schreibt er Seite 253: „Diese eifrige Bemühung
Gallensteins um den Frieden war es nun vornehmlich, wodurch seine Feinde,
insbesondre Piccolomini und die andern Italiener, welche »das Leben vom
Stegreife« in Deutschland sehr einträglich fanden, immer mehr veranlaßt wurden,
^)n bei dem Kaiser zu verdächtigen, um sich seiner sobald wie möglich entledigen
SU können." Als andre italienische Intriganten gegen Wallenstein führt Förster
°le Generale Gallas, Aldringen (!), Mamdas, Colloredo (!), de Suys, Caretto,


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[0455] War Vctavio Viccolomini der Verräter Wallensteins? dienst angehört haben, und denen der Geist einheitlich geschlossener straffer Be¬ amtenzucht wie angeboren ist, fortwährend neues Blut aus allen Erwerbsständen in sich aufzunehmen und damit meist einen Strom frischerer Unabhängigkeit, geringerer Scheu vor Neuerungen zu gewinnen, sodaß sich beide Strömungen wohltätig durchdringen. Zu den wertvollsten Mitgliedern dieser Art hat von jeher der Zuwachs aus dem unabhängigen Grundadel namentlich der Ost- Provinzen gehört, und es wird immer zu den wichtigsten Aufgaben des Fidei- kommißrechts gehören, dies Bewußtsein der Unabhängigkeit nach allen Seiten im Großgrundbesitzerstande zu erhalten und nicht etwa dadurch zu vernichten, daß er in seinem Privatleben zum Organ einer Genossenschaft, einer Familie, herabgedrückt wird. ^^„a solgy A)ar Octavio piccolomini der Verräter Wallensteins? Ein Beitrag zur Geschichte Wallensteins aus den Akten des Archivs zu Nachod G. Elfter, prinzlich Schaumburg-Lippischem Archivar von eit Schiller in seiner großen Wallensteintragödie die Worte nieder¬ geschrieben hat: „Du hasts erreicht, Octavio!" und diesem zum Schluß der Tragödie den kaiserlichen Brief mit der Aufschrift „Dem Fürsten Piccolomini" überreichen läßt, steht Octavio Piccolomini in den Augen der literarisch gebildeten Welt als der Typus des im Geheimen schleichenden Verräters da. Das tragische Schicksal Wallensteins hat das Mitleid der Mit- und der Nachwelt wachgerufen, und die stehn gebrandmarkt ^- die an dem Sturze des großen Feldherrn mitarbeiteten, gebrandmarkt als Verräter des Mannes, der ihnen so große Wohltaten erwiesen hatte, gebrand- Mcirkt als kluge Streber, die ihrem eignen Ehrgeiz und ihrer Habsucht den Stößern Mann opferten, der ihnen im Wege stand. Auch Historiker, die teils w leidenschaftlicher Weise für Wallenstein Partei nahmen, haben Octavio Picco¬ lomini des Verrath an Wallenstein geziehen und als Grund seines Ver¬ raterischen Treibens seinen Ehrgeiz, seine Habsucht angegeben. Ja, der leiden¬ schaftlichste Verteidiger Wallensteins, E. Schebeck in Prag, nennt Piccolomini zugleich mjt dem Kanzler Grafen Slawata die Seele der Intrigue, die jahre¬ lang gegen Wallenstein gepflogen sein soll. Auch Fr. Förster hebt in seiner ^ogrciphie Wallensteins unter den Feinden Wallensteins den Octavio Picco- lrnnini besonders hervor. So schreibt er Seite 253: „Diese eifrige Bemühung Gallensteins um den Frieden war es nun vornehmlich, wodurch seine Feinde, insbesondre Piccolomini und die andern Italiener, welche »das Leben vom Stegreife« in Deutschland sehr einträglich fanden, immer mehr veranlaßt wurden, ^)n bei dem Kaiser zu verdächtigen, um sich seiner sobald wie möglich entledigen SU können." Als andre italienische Intriganten gegen Wallenstein führt Förster °le Generale Gallas, Aldringen (!), Mamdas, Colloredo (!), de Suys, Caretto,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/455>, abgerufen am 25.07.2024.