Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.Eindrücke aus der moderne" Verwaltung Preußens aus ihrem Bereiche mündlich mit ihnen auszusprechen; Dienstreisen sind ja Man sieht, daß zur Verwaltung einer Registratur eine ähnliche geistige Eindrücke aus der moderne» Verwaltung Preußens aus ihrem Bereiche mündlich mit ihnen auszusprechen; Dienstreisen sind ja Man sieht, daß zur Verwaltung einer Registratur eine ähnliche geistige <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0448" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294067"/> <fw type="header" place="top"> Eindrücke aus der moderne» Verwaltung Preußens</fw><lb/> <p xml:id="ID_2009" prev="#ID_2008"> aus ihrem Bereiche mündlich mit ihnen auszusprechen; Dienstreisen sind ja<lb/> knapp, der Landrat findet, der Dezernent komme viel zu selten in den Kreis;<lb/> so ist die mündliche Besprechung beiden doppelt willkommen. Der nächste ist<lb/> der Expedient, der dem Dezernenten beigegebne Bnreaubeamte. Er kommt mit<lb/> Rücksprachen, Sachen, die der Dezernent ihn: zur Bearbeitung zugeschrieben<lb/> hat, aber erst nach näherer mündlicher Anweisung, nachdem der Expedient<lb/> sie in Ruhe durchgelesen hat und dadurch mit dem Stoff vertraut geworden<lb/> ist. Man unterscheidet zwischen der Expedition, der schriftlichen Bearbeitung<lb/> der laufenden Sachen, und der Registratur, der Bildung der Aktenstücke samt<lb/> ihrer Ordnung, Aufbewahrung und Ausgabe. Dieser letzte Dienst fordert<lb/> vom Subalternbeamten eine weit größere geistige Reife. Ziemlich selbständig<lb/> muß er ermessen, in welches Aktenstück eine erledigte Dienstsache gehört, wie<lb/> er die Aktenstücke zu ordnen hat, um für den Gebrauch immer schnell jedes<lb/> beliebige ältere Schriftstück aus den vielen Tausenden auffinden zu können.<lb/> Jedes Aktenstück ist eine Art Chronik; es soll bei den Generalakten die Ent¬<lb/> wicklung der Ansichten und der Absichten der Verwaltung in einem bestimmten<lb/> Geschäftszweige in historischer Folge wiedergeben, anschaulicher noch als<lb/> manches Geschichtswerk, weil es Rede und Gegenrede, die Vorschlüge der einen,<lb/> die Entscheidungen der andern Behörde vollständig wiedergibt samt dem<lb/> Material, das der Entscheidung zugrunde gelegen hat. Es ist eine Kunst, den<lb/> sachlichen Inhalt eines Generalaktenstücks gegen den seiner Genossen klar und<lb/> gut abzugrenzen. Was bei einem Buche die Einleitung ist, wird bei einer<lb/> Generalakte oft zweckmäßig dadurch ersetzt, daß die Gesetze und die gedruckten<lb/> Bestimmungen der Zentralbehörden, die das Motiv des ganzen Akteninhalts<lb/> ausmachen, diesem vorgeheftct werden. In den Spezialcikten läßt sich das<lb/> historische Prinzip, die Einheitlichkeit im einzelnen Aktenstück fast nie so rein<lb/> durchführen. Um nicht zu viele und dünne Akten zu erhalten und die Über¬<lb/> sicht zu verlieren, müssen viele gleichartige, aber sonst voneinander unabhängige<lb/> Sachen in einem einzigen Bande vereinigt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2010" next="#ID_2011"> Man sieht, daß zur Verwaltung einer Registratur eine ähnliche geistige<lb/> Reife gehört wie zu der einer größern Bibliothek; zur Expedition genügt im<lb/> allgemeinen strenge Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit; was ein weiteres Über¬<lb/> legen und Nachdenken oder eine Kenntnis mehr als der gebräuchlichsten Vor¬<lb/> schriften fordert, wird der Dezernent selber bearbeiten und hin und wieder auch<lb/> noch dies und jenes an ganz einfachen Sachen; denn namentlich dann, wenn<lb/> die Räume eines Amtsgebändes weitverzweigt sind, kann eine zu weitgehende<lb/> Arbeitteiluug unverhältnismäßig Kraft und Zeit vergeuden. In weitem Um¬<lb/> fange brauchen große Verwaltungen zur Arbeitcrsparnis Formulare; hier wie<lb/> überhaupt bei den Expeditionen ist es wichtig und in einiger Zeit auch nicht<lb/> so sehr schwierig für deu Dezernenten, auch bei Masfeuunterschriften mit einem<lb/> Blick das zu übersehen, worauf es entscheidend ankommt. Denn mit der ver¬<lb/> antwortlichen Unterschrift muß er manches versehen, was er nicht wörtlich durch¬<lb/> lesen kann; ein Großstaat ist auch in seiner Verwaltung auf den Großbetrieb<lb/> angewiesen und muß dessen Übel mit in den Kauf nehmen. Ohne eine ganze<lb/> Dosis Vertraue» zu denen, die zuletzt die ausführende Hand der Regierungs-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0448]
Eindrücke aus der moderne» Verwaltung Preußens
aus ihrem Bereiche mündlich mit ihnen auszusprechen; Dienstreisen sind ja
knapp, der Landrat findet, der Dezernent komme viel zu selten in den Kreis;
so ist die mündliche Besprechung beiden doppelt willkommen. Der nächste ist
der Expedient, der dem Dezernenten beigegebne Bnreaubeamte. Er kommt mit
Rücksprachen, Sachen, die der Dezernent ihn: zur Bearbeitung zugeschrieben
hat, aber erst nach näherer mündlicher Anweisung, nachdem der Expedient
sie in Ruhe durchgelesen hat und dadurch mit dem Stoff vertraut geworden
ist. Man unterscheidet zwischen der Expedition, der schriftlichen Bearbeitung
der laufenden Sachen, und der Registratur, der Bildung der Aktenstücke samt
ihrer Ordnung, Aufbewahrung und Ausgabe. Dieser letzte Dienst fordert
vom Subalternbeamten eine weit größere geistige Reife. Ziemlich selbständig
muß er ermessen, in welches Aktenstück eine erledigte Dienstsache gehört, wie
er die Aktenstücke zu ordnen hat, um für den Gebrauch immer schnell jedes
beliebige ältere Schriftstück aus den vielen Tausenden auffinden zu können.
Jedes Aktenstück ist eine Art Chronik; es soll bei den Generalakten die Ent¬
wicklung der Ansichten und der Absichten der Verwaltung in einem bestimmten
Geschäftszweige in historischer Folge wiedergeben, anschaulicher noch als
manches Geschichtswerk, weil es Rede und Gegenrede, die Vorschlüge der einen,
die Entscheidungen der andern Behörde vollständig wiedergibt samt dem
Material, das der Entscheidung zugrunde gelegen hat. Es ist eine Kunst, den
sachlichen Inhalt eines Generalaktenstücks gegen den seiner Genossen klar und
gut abzugrenzen. Was bei einem Buche die Einleitung ist, wird bei einer
Generalakte oft zweckmäßig dadurch ersetzt, daß die Gesetze und die gedruckten
Bestimmungen der Zentralbehörden, die das Motiv des ganzen Akteninhalts
ausmachen, diesem vorgeheftct werden. In den Spezialcikten läßt sich das
historische Prinzip, die Einheitlichkeit im einzelnen Aktenstück fast nie so rein
durchführen. Um nicht zu viele und dünne Akten zu erhalten und die Über¬
sicht zu verlieren, müssen viele gleichartige, aber sonst voneinander unabhängige
Sachen in einem einzigen Bande vereinigt werden.
Man sieht, daß zur Verwaltung einer Registratur eine ähnliche geistige
Reife gehört wie zu der einer größern Bibliothek; zur Expedition genügt im
allgemeinen strenge Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit; was ein weiteres Über¬
legen und Nachdenken oder eine Kenntnis mehr als der gebräuchlichsten Vor¬
schriften fordert, wird der Dezernent selber bearbeiten und hin und wieder auch
noch dies und jenes an ganz einfachen Sachen; denn namentlich dann, wenn
die Räume eines Amtsgebändes weitverzweigt sind, kann eine zu weitgehende
Arbeitteiluug unverhältnismäßig Kraft und Zeit vergeuden. In weitem Um¬
fange brauchen große Verwaltungen zur Arbeitcrsparnis Formulare; hier wie
überhaupt bei den Expeditionen ist es wichtig und in einiger Zeit auch nicht
so sehr schwierig für deu Dezernenten, auch bei Masfeuunterschriften mit einem
Blick das zu übersehen, worauf es entscheidend ankommt. Denn mit der ver¬
antwortlichen Unterschrift muß er manches versehen, was er nicht wörtlich durch¬
lesen kann; ein Großstaat ist auch in seiner Verwaltung auf den Großbetrieb
angewiesen und muß dessen Übel mit in den Kauf nehmen. Ohne eine ganze
Dosis Vertraue» zu denen, die zuletzt die ausführende Hand der Regierungs-
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