Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches stellt. Dieser hat vielleicht nicht die ganze Rede, sondern nur die obige Stelle Frobenins Militärlexikon habe ich im ersten Bande der Grenzboten Bei der Durchsicht des Ergänznngshcftcs II erkennt man mit Freuden, daß Maßgebliches und Unmaßgebliches stellt. Dieser hat vielleicht nicht die ganze Rede, sondern nur die obige Stelle Frobenins Militärlexikon habe ich im ersten Bande der Grenzboten Bei der Durchsicht des Ergänznngshcftcs II erkennt man mit Freuden, daß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0431" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294050"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1951" prev="#ID_1950"> stellt. Dieser hat vielleicht nicht die ganze Rede, sondern nur die obige Stelle<lb/> gelesen. Hätte er das Folgende gekannt, so würde er sich überzeugt haben, daß<lb/> der beredte Bischof den Himmel keineswegs den Klosterbrüdern ausschließlich reser¬<lb/> viert. Er zeigt nämlich im folgenden den Offizieren, wie auch sie sich in ihrem<lb/> Stande den Himmel verdienen könnten: indem sie ihre schweren Berufspflichten<lb/> im christlichen Glauben ausübten und ihre Leiden Gott als Bezahlung ihrer<lb/> Sündenschuld darböten. Viel wird dadurch freilich die Sache des Katholizismus<lb/> nicht gebessert: erst durch eine von müßigen Theologen crgrübelte frömmelnde<lb/> Zntat soll rechtschaffne und schwierige Pflichterfüllung Wert vor Gott erhalten, und<lb/> Gottes Weltregierung bleibt zur kaufmännischen Rechenstube herabgewürdigt. Übrigens<lb/> aber verdient Massillon auch in dieser formschönen Rede das Lob, das ihm die<lb/> Realeneyklopttdie für protestantische Theologie spendet, daß er ein Mann von tiefer<lb/> und echter Frömmigkeit und lauterer Gesinnung gewesen sei und sich nie herab¬<lb/> gelassen habe, dem Sonnenkönig zu schmeicheln. Auch wenn einmal die preußischen<lb/> Truppen ihres Lebenswandels wegen so harte Rügen verdienen sollten wie die<lb/> damaligen französischen, würde kein preußischer Feldprediger es wagen, so zu<lb/> sprechen wie Massillon. Kein Wort zum Preise des Soldatenstandes! Wie ist<lb/> Ihr Los zu beklagen, meine Herren, ruft er einmal. Nichts von ruhmreichen<lb/> Fahnen! Oos Lixuos äSpIors-olss as la, ssnsirs se as la «lisssnsiou, nennt er sie.<lb/> Auch daß es Ketzer sind, gegen die der allerchristlichste König Krieg führt, stimmt<lb/> ihn nicht um. „Was, o Gott, macht es für einen Unterschied, ob du durch den<lb/> Unglauben deiner Feinde oder durch die Verbrechen der Gläubigen verunehrt<lb/> wirst? Was liegt daran, daß dein Reich äußerlich ausgebreitet wird, wenn du<lb/> uicht in den Herzen regierst?" Entmutigen will er nicht; im Gegenteil, er ist<lb/> überzeugt, daß nur der Christ echten und unerschütterlichen Mut haben kann —<lb/> auch im Kriege, und zum Schluß betet er, Gott selbst möge diese Fahnen segnen,<lb/> seinen Engel vor diesem siegreichen Regiment einherschreiten lassen und in die<lb/> Feinde den Geist des Schreckens und der Verwirrung senden, widerruft aber,<lb/> sich scheinbar besinnend, diesen Wunsch: „Doch nein, o Herr! Stifte vielmehr<lb/> Frieden zwischen den Reichen und den Staaten! Besänftige die Gemüter der<lb/> Fürsten und der Völker! Laß dich rühren durch das mitleidwürdige Schauspiel,<lb/> das die Kriege deinen Augen darbieten! Mögen die Hilferufe und die Klagen<lb/> der Völker zu dir dringen, die Verwüstung der Städte und der Landschaften deine<lb/> Milde bewegen usw." Mau sieht, aus Massillon spricht derselbe Geist, in dem<lb/> Ftnölon 1694 seinen Brief an Ludwig den Vierzehnten geschrieben hat, unsrer<lb/> Ansicht nach das großartigste Zeugnis christlichen Freimuth, das die Weltgeschichte<lb/> kennt. Und um dieses Geistes willen kann man ein dogmatisches Vorurteil gern<lb/> verzeihen; aber dieses dogmatische Vorurteil frischweg ableugnen, das, verehrter und<lb/> sehr gelehrter Pater Denifle, das ist nicht ehrlich!</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Frobenins Militärlexikon</head> <p xml:id="ID_1952"> habe ich im ersten Bande der Grenzboten<lb/> vo» 1902 auf Seite 456 besprochen. Das Lexikon, das 1901 in Lieferungen<lb/> erschien und trotz seines starken Umfangs nach den sechs Monaten, die wahrend<lb/> des Erscheinens verstrichen, eine Anzahl von Berichtigungen und Ergänzungen am<lb/> Schlüsse brachte, hatte schon 1902 ein Ergänzungsheft nötig. Jetzt ist ein zweites<lb/> ^rgcmznngsheft erschienen. Oberstleutnant Frobenius hat in diesem Ergänzungs¬<lb/> heft II, wie er in einer Vorbemerkung sagt, auch den Stoff des Ergänzungsheftes I<lb/> mit verarbeitet, was ja für den Suchenden im Lexikon ganz angenehm ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1953" next="#ID_1954"> Bei der Durchsicht des Ergänznngshcftcs II erkennt man mit Freuden, daß<lb/> der Verfasser und die Mitarbeiter der Entwicklung des Kriegswesens unsrer Zeit<lb/> mit Eifer und Sorgfalt gefolgt sind. Alle neuen großen und kleinen Feuerwaffen,<lb/> alle Organisationsvcrändernngen in den Heeren und Flotten der Staaten, alle Be¬<lb/> stimmungen im Militärversorgungswesen usw. sind bis in die Neuzeit berücksichtigt,<lb/> ">it man wird kaum vergeblich nach irgend einer technischen oder geschichtlichen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0431]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
stellt. Dieser hat vielleicht nicht die ganze Rede, sondern nur die obige Stelle
gelesen. Hätte er das Folgende gekannt, so würde er sich überzeugt haben, daß
der beredte Bischof den Himmel keineswegs den Klosterbrüdern ausschließlich reser¬
viert. Er zeigt nämlich im folgenden den Offizieren, wie auch sie sich in ihrem
Stande den Himmel verdienen könnten: indem sie ihre schweren Berufspflichten
im christlichen Glauben ausübten und ihre Leiden Gott als Bezahlung ihrer
Sündenschuld darböten. Viel wird dadurch freilich die Sache des Katholizismus
nicht gebessert: erst durch eine von müßigen Theologen crgrübelte frömmelnde
Zntat soll rechtschaffne und schwierige Pflichterfüllung Wert vor Gott erhalten, und
Gottes Weltregierung bleibt zur kaufmännischen Rechenstube herabgewürdigt. Übrigens
aber verdient Massillon auch in dieser formschönen Rede das Lob, das ihm die
Realeneyklopttdie für protestantische Theologie spendet, daß er ein Mann von tiefer
und echter Frömmigkeit und lauterer Gesinnung gewesen sei und sich nie herab¬
gelassen habe, dem Sonnenkönig zu schmeicheln. Auch wenn einmal die preußischen
Truppen ihres Lebenswandels wegen so harte Rügen verdienen sollten wie die
damaligen französischen, würde kein preußischer Feldprediger es wagen, so zu
sprechen wie Massillon. Kein Wort zum Preise des Soldatenstandes! Wie ist
Ihr Los zu beklagen, meine Herren, ruft er einmal. Nichts von ruhmreichen
Fahnen! Oos Lixuos äSpIors-olss as la, ssnsirs se as la «lisssnsiou, nennt er sie.
Auch daß es Ketzer sind, gegen die der allerchristlichste König Krieg führt, stimmt
ihn nicht um. „Was, o Gott, macht es für einen Unterschied, ob du durch den
Unglauben deiner Feinde oder durch die Verbrechen der Gläubigen verunehrt
wirst? Was liegt daran, daß dein Reich äußerlich ausgebreitet wird, wenn du
uicht in den Herzen regierst?" Entmutigen will er nicht; im Gegenteil, er ist
überzeugt, daß nur der Christ echten und unerschütterlichen Mut haben kann —
auch im Kriege, und zum Schluß betet er, Gott selbst möge diese Fahnen segnen,
seinen Engel vor diesem siegreichen Regiment einherschreiten lassen und in die
Feinde den Geist des Schreckens und der Verwirrung senden, widerruft aber,
sich scheinbar besinnend, diesen Wunsch: „Doch nein, o Herr! Stifte vielmehr
Frieden zwischen den Reichen und den Staaten! Besänftige die Gemüter der
Fürsten und der Völker! Laß dich rühren durch das mitleidwürdige Schauspiel,
das die Kriege deinen Augen darbieten! Mögen die Hilferufe und die Klagen
der Völker zu dir dringen, die Verwüstung der Städte und der Landschaften deine
Milde bewegen usw." Mau sieht, aus Massillon spricht derselbe Geist, in dem
Ftnölon 1694 seinen Brief an Ludwig den Vierzehnten geschrieben hat, unsrer
Ansicht nach das großartigste Zeugnis christlichen Freimuth, das die Weltgeschichte
kennt. Und um dieses Geistes willen kann man ein dogmatisches Vorurteil gern
verzeihen; aber dieses dogmatische Vorurteil frischweg ableugnen, das, verehrter und
sehr gelehrter Pater Denifle, das ist nicht ehrlich!
Frobenins Militärlexikon habe ich im ersten Bande der Grenzboten
vo» 1902 auf Seite 456 besprochen. Das Lexikon, das 1901 in Lieferungen
erschien und trotz seines starken Umfangs nach den sechs Monaten, die wahrend
des Erscheinens verstrichen, eine Anzahl von Berichtigungen und Ergänzungen am
Schlüsse brachte, hatte schon 1902 ein Ergänzungsheft nötig. Jetzt ist ein zweites
^rgcmznngsheft erschienen. Oberstleutnant Frobenius hat in diesem Ergänzungs¬
heft II, wie er in einer Vorbemerkung sagt, auch den Stoff des Ergänzungsheftes I
mit verarbeitet, was ja für den Suchenden im Lexikon ganz angenehm ist.
Bei der Durchsicht des Ergänznngshcftcs II erkennt man mit Freuden, daß
der Verfasser und die Mitarbeiter der Entwicklung des Kriegswesens unsrer Zeit
mit Eifer und Sorgfalt gefolgt sind. Alle neuen großen und kleinen Feuerwaffen,
alle Organisationsvcrändernngen in den Heeren und Flotten der Staaten, alle Be¬
stimmungen im Militärversorgungswesen usw. sind bis in die Neuzeit berücksichtigt,
">it man wird kaum vergeblich nach irgend einer technischen oder geschichtlichen
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