Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.Der Mönch von Weinfelder Antonius heilte es dabei nicht allzu schwer gehabt: er war, als ihm die aufdring¬ Was begehrst du schon wieder? fragte er. Still, Herr! flüsterte sie, es darf uns keiner sehen! Kommt ins Haus! Sie schlüpfte an ihm vorbei, ehe er sie zurückhalten konnte. Widerwillig Herr, sagte sie, ich bin gekommen, Euch zu warnen. Seht Euch vor! Es Gyllis nahm den Schlüssel aus Neith Hand und steckte ihn in den Gürtel. Warum sollte ich fliehen, sagte er gelassen, da ich doch nirgends sichrer bin Ich hab Euch gewarnt, sagte die nett, wenn Ihr aber nicht hören wollt, Gyllis lachte auf. Das wäre mir ein rechter Schutz! erwiderte er. Bin Herr, Ihr dürft mich nicht gering achten, weil ich ein Weibsbild bin. Vier Sie hatte den Ärmel ihres Gewandes zurückgestreift, und ehe er verstand, Der Mönch von Weinfelder Antonius heilte es dabei nicht allzu schwer gehabt: er war, als ihm die aufdring¬ Was begehrst du schon wieder? fragte er. Still, Herr! flüsterte sie, es darf uns keiner sehen! Kommt ins Haus! Sie schlüpfte an ihm vorbei, ehe er sie zurückhalten konnte. Widerwillig Herr, sagte sie, ich bin gekommen, Euch zu warnen. Seht Euch vor! Es Gyllis nahm den Schlüssel aus Neith Hand und steckte ihn in den Gürtel. Warum sollte ich fliehen, sagte er gelassen, da ich doch nirgends sichrer bin Ich hab Euch gewarnt, sagte die nett, wenn Ihr aber nicht hören wollt, Gyllis lachte auf. Das wäre mir ein rechter Schutz! erwiderte er. Bin Herr, Ihr dürft mich nicht gering achten, weil ich ein Weibsbild bin. Vier Sie hatte den Ärmel ihres Gewandes zurückgestreift, und ehe er verstand, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0423" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294042"/> <fw type="header" place="top"> Der Mönch von Weinfelder</fw><lb/> <p xml:id="ID_1908" prev="#ID_1907"> Antonius heilte es dabei nicht allzu schwer gehabt: er war, als ihm die aufdring¬<lb/> lichen Schönen die Ruhe seiner Klausuergrotte zu fetiren versuchten, schon in den<lb/> Jahren gewesen, wo man ein bequemes Leben und einen gesegneten Schlaf höher<lb/> schätzt als aufregende Ergötzungen, und die Entsagung mochte ihn deshalb keine<lb/> allzu große Selbstüberwindung gekostet haben. Der junge Einsiedler im Burghaus<lb/> zu Weinfelder hielt, wie wir wissen, von den Heiligen überhaupt nicht viel und<lb/> ergriff darum mit Freuden die Gelegenheit, eine» von ihnen, und noch dazu einen<lb/> der angesehensten, zu übertrumpfen und gründlich in den Schatten zu stellen,<lb/> obgleich er selbst auf die Strahlenkrone nicht den geringsten Anspruch erhob. Er<lb/> stieg also die Treppe hinab, ging über den Hof und ließ das Mädchen eintreten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1909"> Was begehrst du schon wieder? fragte er.</p><lb/> <p xml:id="ID_1910"> Still, Herr! flüsterte sie, es darf uns keiner sehen! Kommt ins Haus!</p><lb/> <p xml:id="ID_1911"> Sie schlüpfte an ihm vorbei, ehe er sie zurückhalten konnte. Widerwillig<lb/> folgte er ihr. Drinnen ließ sie das Tuch, das ihr Haupt verhüllt hatte, auf die<lb/> Schultern gleiten und schloß die Tür.</p><lb/> <p xml:id="ID_1912"> Herr, sagte sie, ich bin gekommen, Euch zu warnen. Seht Euch vor! Es<lb/> ist ein Anschlag im Werk. Diese Nacht wollen sie Euch überfallen und totschlagen,<lb/> Euer Haus aber verbrennen und gänzlich zerstören. Flieht, so lange es noch Zeit<lb/> ist. Ich will Euch meine Kleider geben, die mögt Ihr anziehn und darinnen<lb/> heimlich und unerkannt entweichen. So wie Ihr da steht, könnt Ihr nicht heraus,<lb/> sie lauern Euch auf, und Ihr seid einer gegen viele. Mögt auch in der Dunkel¬<lb/> heit mit der Armbrust nichts ausrichten. Flieht auf das Dauner Schloß, oder<lb/> wenn Ihr das nicht wollt, so versteckt Euch für diese Nacht in der Kirche. Seht,<lb/> hier ist der Schlüssel, ich hab ihn dem Noldes heimlich vom Sims genommen und<lb/> eiuen andern hingelegt, daß ers nicht merken soll.</p><lb/> <p xml:id="ID_1913"> Gyllis nahm den Schlüssel aus Neith Hand und steckte ihn in den Gürtel.</p><lb/> <p xml:id="ID_1914"> Warum sollte ich fliehen, sagte er gelassen, da ich doch nirgends sichrer bin<lb/> denn hier im Burghaus? Die Pforten sind wohl verwahrt, und wenn die Bauern<lb/> versuchen sollten, sie mit Gewalt zu erbrechen, so möchten sie sich wohl blutige<lb/> Köpfe holen. Wenn deine Warnung gut gemeint und nicht etwa ein neues<lb/> Märlein ist, so sei dafür bedankt, aber deine Sorge ist unnütz, und es würde mir<lb/> schlecht einstehn, von der Stelle zu entweichen, wo ich der Herr bin und nach<lb/> Gottes Willen ausharren muß. Kann auch nicht glauben, daß sie sich also ver¬<lb/> gessen und mir ernstlich nach dem Leben trachten werden, sintemalen ihr Mut<lb/> nicht gar groß ist und nur zur Wilddieberei oder zum heimlichen Fischfang aus¬<lb/> langet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1915"> Ich hab Euch gewarnt, sagte die nett, wenn Ihr aber nicht hören wollt,<lb/> so kann ich nichts dawider tun. Möchtet Jhrs nicht zu bereuen haben! Aber<lb/> bedenkt: Ihr seid allein im Burghaus. Soll ich nicht lieber bei Euch bleiben?</p><lb/> <p xml:id="ID_1916"> Gyllis lachte auf. Das wäre mir ein rechter Schutz! erwiderte er. Bin<lb/> bisher allein fertig geworden und will mir mich jetzt keine Besatzung ins Haus<lb/> legen, am allerwenigsten ein Weibsbild.</p><lb/> <p xml:id="ID_1917"> Herr, Ihr dürft mich nicht gering achten, weil ich ein Weibsbild bin. Vier<lb/> Ohren lauschen schärfer denn zwei, und wenn zwei Augen der Schlaf überkommt,<lb/> so mögen zwei andre Wache halten. Wenn sie Euch aber die Tür berennen, so<lb/> werdet Ihr Hilfe brauchen. Gebt mir ein Schwert oder einen Spieß. Was ein<lb/> Mer Knecht vermag, das kann ich auch, ob ich schon nichts als ein Mägdlein bin.<lb/> Seht einmal, ob meine Arme schwächer sind als die Euern!</p><lb/> <p xml:id="ID_1918"> Sie hatte den Ärmel ihres Gewandes zurückgestreift, und ehe er verstand,<lb/> Aas sie damit beabsichtigte, seine Hand ergriffen und auf das feste Fleisch ihres<lb/> Armes gelegt, dessen weiße Haut trotz der Dunkelheit wie Alabaster leuchtete. Er<lb/> Zollte die Hand zurückziehn, aber sie bog mit einem blitzschnellen Ruck den Ander¬<lb/> em gegen die Schulter, daß er gefangen war wie ein Fuchs im Eisen, und<lb/> preßte seine Finger so fest zusammen, daß er sich nur mit Mühe befreien konnte.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0423]
Der Mönch von Weinfelder
Antonius heilte es dabei nicht allzu schwer gehabt: er war, als ihm die aufdring¬
lichen Schönen die Ruhe seiner Klausuergrotte zu fetiren versuchten, schon in den
Jahren gewesen, wo man ein bequemes Leben und einen gesegneten Schlaf höher
schätzt als aufregende Ergötzungen, und die Entsagung mochte ihn deshalb keine
allzu große Selbstüberwindung gekostet haben. Der junge Einsiedler im Burghaus
zu Weinfelder hielt, wie wir wissen, von den Heiligen überhaupt nicht viel und
ergriff darum mit Freuden die Gelegenheit, eine» von ihnen, und noch dazu einen
der angesehensten, zu übertrumpfen und gründlich in den Schatten zu stellen,
obgleich er selbst auf die Strahlenkrone nicht den geringsten Anspruch erhob. Er
stieg also die Treppe hinab, ging über den Hof und ließ das Mädchen eintreten.
Was begehrst du schon wieder? fragte er.
Still, Herr! flüsterte sie, es darf uns keiner sehen! Kommt ins Haus!
Sie schlüpfte an ihm vorbei, ehe er sie zurückhalten konnte. Widerwillig
folgte er ihr. Drinnen ließ sie das Tuch, das ihr Haupt verhüllt hatte, auf die
Schultern gleiten und schloß die Tür.
Herr, sagte sie, ich bin gekommen, Euch zu warnen. Seht Euch vor! Es
ist ein Anschlag im Werk. Diese Nacht wollen sie Euch überfallen und totschlagen,
Euer Haus aber verbrennen und gänzlich zerstören. Flieht, so lange es noch Zeit
ist. Ich will Euch meine Kleider geben, die mögt Ihr anziehn und darinnen
heimlich und unerkannt entweichen. So wie Ihr da steht, könnt Ihr nicht heraus,
sie lauern Euch auf, und Ihr seid einer gegen viele. Mögt auch in der Dunkel¬
heit mit der Armbrust nichts ausrichten. Flieht auf das Dauner Schloß, oder
wenn Ihr das nicht wollt, so versteckt Euch für diese Nacht in der Kirche. Seht,
hier ist der Schlüssel, ich hab ihn dem Noldes heimlich vom Sims genommen und
eiuen andern hingelegt, daß ers nicht merken soll.
Gyllis nahm den Schlüssel aus Neith Hand und steckte ihn in den Gürtel.
Warum sollte ich fliehen, sagte er gelassen, da ich doch nirgends sichrer bin
denn hier im Burghaus? Die Pforten sind wohl verwahrt, und wenn die Bauern
versuchen sollten, sie mit Gewalt zu erbrechen, so möchten sie sich wohl blutige
Köpfe holen. Wenn deine Warnung gut gemeint und nicht etwa ein neues
Märlein ist, so sei dafür bedankt, aber deine Sorge ist unnütz, und es würde mir
schlecht einstehn, von der Stelle zu entweichen, wo ich der Herr bin und nach
Gottes Willen ausharren muß. Kann auch nicht glauben, daß sie sich also ver¬
gessen und mir ernstlich nach dem Leben trachten werden, sintemalen ihr Mut
nicht gar groß ist und nur zur Wilddieberei oder zum heimlichen Fischfang aus¬
langet.
Ich hab Euch gewarnt, sagte die nett, wenn Ihr aber nicht hören wollt,
so kann ich nichts dawider tun. Möchtet Jhrs nicht zu bereuen haben! Aber
bedenkt: Ihr seid allein im Burghaus. Soll ich nicht lieber bei Euch bleiben?
Gyllis lachte auf. Das wäre mir ein rechter Schutz! erwiderte er. Bin
bisher allein fertig geworden und will mir mich jetzt keine Besatzung ins Haus
legen, am allerwenigsten ein Weibsbild.
Herr, Ihr dürft mich nicht gering achten, weil ich ein Weibsbild bin. Vier
Ohren lauschen schärfer denn zwei, und wenn zwei Augen der Schlaf überkommt,
so mögen zwei andre Wache halten. Wenn sie Euch aber die Tür berennen, so
werdet Ihr Hilfe brauchen. Gebt mir ein Schwert oder einen Spieß. Was ein
Mer Knecht vermag, das kann ich auch, ob ich schon nichts als ein Mägdlein bin.
Seht einmal, ob meine Arme schwächer sind als die Euern!
Sie hatte den Ärmel ihres Gewandes zurückgestreift, und ehe er verstand,
Aas sie damit beabsichtigte, seine Hand ergriffen und auf das feste Fleisch ihres
Armes gelegt, dessen weiße Haut trotz der Dunkelheit wie Alabaster leuchtete. Er
Zollte die Hand zurückziehn, aber sie bog mit einem blitzschnellen Ruck den Ander¬
em gegen die Schulter, daß er gefangen war wie ein Fuchs im Eisen, und
preßte seine Finger so fest zusammen, daß er sich nur mit Mühe befreien konnte.
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