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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Erinnerungen

Atmosphäre verkehrten, die sich nicht selten über das Niveau der Durchschnittsmittel¬
mäßigkeit stark hinaushob.

Sehr angenehm waren die gemeinsamen Mittagessen, zu denen sich die Räte
und Hilfsarbeiter des Ministeriums damals allmonatlich einmal in einem Restaurant
vereinigten. Einer der ältesten Räte und von allen gern gesehen war der Geh. Rat
v. Wussow, der diese dem zwanglosen geselligen Verkehr dienenden Zusammenkünfte
arrangierte. Es ging dabei sehr einfach her, aber wir waren harmlos vergnügt,
und man kam dabei einander näher. Zu diesem Mittagessen -- das Kuvert kostete
drei Mark, und man trank dazu eine halbe oder auch wohl eine ganze Flasche Mosel¬
wein oder Bordeaux -- wurde regelmäßig auch der Geh. Oberfinanzrat Scholz, der
damals Vortragender Rat im Finanzministerium war, eingeladen. Er war unter
dem Minister v. Muster sieben Jahre lang zugleich mit v. Wussow und Lucanus
als Assessor im Kultusministerium beschäftigt gewesen, galt mit Recht für sehr tüchtig,
war aber seinerzeit nicht mit seinen genannten beiden Kollege" zum Rat befördert
worden, obgleich noch eine Stelle eines Vortragenden Rats frei gewesen war. Man
schrieb dies im Ministerium dem Einflüsse der Frau v. Muster zu, die gegen Scholz
persönlich eingenommen gewesen sei, und zwar angeblich, weil er ihr nicht fromm
genug war. Da Scholz wie Jakob um Labans Tochter sieben Jahre um die Stelle
eines Vortragenden Rats gedient hatte, so hatte seinerzeit seine Nichtanstellung
Aufsehen erregt und war im Kultusministerium selbst der bittersten Kritik begegnet.
Scholz war, als der Minister v. Muster ihm eröffnet hatte, daß er ihn zu seinem
Bedauern nicht anstellen könne, unmittelbar zum Finanzminister Camphnnsen gegangen,
hatte ihm sein Mißgeschick erzählt, und dieser nahm den tüchtigen und gewandten
Mann ohne weiteres als Hilfsarbeiter ins Finanzministerium, wo er in ganz kurzer
Zeit zum Regierungsrat und gleich nachher zum Geheimen Finanzrat ausrückte. Er
wurde aber im Kultusministerium noch immer als ein werter Kollege in xg-rtikus
angesehen. So kam es, daß er an den von dem Geh. Rat v. Wussow arrangierten
Diners des Kultusministeriums regelmäßig teilnahm, bei denen er ein gern gesehener
und mit Auszeichnung behandelter Gast war. Nach einem dieser Diners saß ich mit
den Herren Scholz, Lucanus, Barkhausen und v. Wussow noch beim Kaffee und einer
Zigarre behaglich plaudernd zusammen, als der gute alte v. Wussow plötzlich ganz
unmotiviert aufstand, sich vor uns hinstellte und sagte: "Ja seht ihr wohl, ihr
jungen Leute, wie es in der Welt zugeht. Ihr alle vier könnt noch Minister
werden und werdet euern Weg machen. Nur ich bin zu alt und werde nichts
mehr." Mit schallendem Gelächter nahmen wir diese seltsame Expektorativn oder
Prophezeiung auf, die uus damals in der Tat nahezu an Verrücktheit zu streifen
schien. Sicher hat keiner von uns daran gedacht, daß sich die von Wussow uns er¬
öffnete Perspektive wirklich vor uns auftun könne. Und doch war es eine Prophe¬
zeiung. Scholz wurde zuerst Reichsschatzsekretär und dann preußischer Finanzminister,
Lucanus wurde geadelt, zum Chef des Zivilkabinetts ernannt und Ritter des hohen
Ordens vom Schwarzen Adler, Barkhausen ist Präsident des Evangelischen Ober¬
kirchenrath geworden, und ich, ohne Frage der "unwahrscheinlichste" von allen, mußte
im Jahre 1892 das Kultusministerium übernehmen. Der alte v. Wussow ist noch
lange Mitglied des Kultusministeriums gewesen. Er bearbeitete damals und noch
viele Jahre die Angelegenheiten der Volksschullehrer-Witwenkassen, deren ver¬
sicherungstechnische und administrative Klippen seine Domäne waren. Später über¬
nahm er -- er war künstlerisch begabt -- die Denkmalspflege und die Konservierung
der Altertümer, wobei er sich trefflich bewährt haben soll. Er trat als Wirklicher
Geheimer Oberregierungsrat in den Ruhestand und ist bald danach in Schwerin in
Mecklenburg gestorben. Er war ein grundehrlicher, braver Manu.

Noch im Laufe des Jahres 1877 suchte mich eines Tages der damalige Präsident
des Evangelischen Oberkirchenrath I),'. Herrmann auf und machte mir den Vorschlag,
entweder als Mitglied des Oberkirchenrath in diesen oder als Direktor eines Provinzial-
ivnsistorinms in die kirchliche Verwaltung einzutreten. Persönlich hatte ich Herrmann


Erinnerungen

Atmosphäre verkehrten, die sich nicht selten über das Niveau der Durchschnittsmittel¬
mäßigkeit stark hinaushob.

Sehr angenehm waren die gemeinsamen Mittagessen, zu denen sich die Räte
und Hilfsarbeiter des Ministeriums damals allmonatlich einmal in einem Restaurant
vereinigten. Einer der ältesten Räte und von allen gern gesehen war der Geh. Rat
v. Wussow, der diese dem zwanglosen geselligen Verkehr dienenden Zusammenkünfte
arrangierte. Es ging dabei sehr einfach her, aber wir waren harmlos vergnügt,
und man kam dabei einander näher. Zu diesem Mittagessen — das Kuvert kostete
drei Mark, und man trank dazu eine halbe oder auch wohl eine ganze Flasche Mosel¬
wein oder Bordeaux — wurde regelmäßig auch der Geh. Oberfinanzrat Scholz, der
damals Vortragender Rat im Finanzministerium war, eingeladen. Er war unter
dem Minister v. Muster sieben Jahre lang zugleich mit v. Wussow und Lucanus
als Assessor im Kultusministerium beschäftigt gewesen, galt mit Recht für sehr tüchtig,
war aber seinerzeit nicht mit seinen genannten beiden Kollege» zum Rat befördert
worden, obgleich noch eine Stelle eines Vortragenden Rats frei gewesen war. Man
schrieb dies im Ministerium dem Einflüsse der Frau v. Muster zu, die gegen Scholz
persönlich eingenommen gewesen sei, und zwar angeblich, weil er ihr nicht fromm
genug war. Da Scholz wie Jakob um Labans Tochter sieben Jahre um die Stelle
eines Vortragenden Rats gedient hatte, so hatte seinerzeit seine Nichtanstellung
Aufsehen erregt und war im Kultusministerium selbst der bittersten Kritik begegnet.
Scholz war, als der Minister v. Muster ihm eröffnet hatte, daß er ihn zu seinem
Bedauern nicht anstellen könne, unmittelbar zum Finanzminister Camphnnsen gegangen,
hatte ihm sein Mißgeschick erzählt, und dieser nahm den tüchtigen und gewandten
Mann ohne weiteres als Hilfsarbeiter ins Finanzministerium, wo er in ganz kurzer
Zeit zum Regierungsrat und gleich nachher zum Geheimen Finanzrat ausrückte. Er
wurde aber im Kultusministerium noch immer als ein werter Kollege in xg-rtikus
angesehen. So kam es, daß er an den von dem Geh. Rat v. Wussow arrangierten
Diners des Kultusministeriums regelmäßig teilnahm, bei denen er ein gern gesehener
und mit Auszeichnung behandelter Gast war. Nach einem dieser Diners saß ich mit
den Herren Scholz, Lucanus, Barkhausen und v. Wussow noch beim Kaffee und einer
Zigarre behaglich plaudernd zusammen, als der gute alte v. Wussow plötzlich ganz
unmotiviert aufstand, sich vor uns hinstellte und sagte: „Ja seht ihr wohl, ihr
jungen Leute, wie es in der Welt zugeht. Ihr alle vier könnt noch Minister
werden und werdet euern Weg machen. Nur ich bin zu alt und werde nichts
mehr." Mit schallendem Gelächter nahmen wir diese seltsame Expektorativn oder
Prophezeiung auf, die uus damals in der Tat nahezu an Verrücktheit zu streifen
schien. Sicher hat keiner von uns daran gedacht, daß sich die von Wussow uns er¬
öffnete Perspektive wirklich vor uns auftun könne. Und doch war es eine Prophe¬
zeiung. Scholz wurde zuerst Reichsschatzsekretär und dann preußischer Finanzminister,
Lucanus wurde geadelt, zum Chef des Zivilkabinetts ernannt und Ritter des hohen
Ordens vom Schwarzen Adler, Barkhausen ist Präsident des Evangelischen Ober¬
kirchenrath geworden, und ich, ohne Frage der „unwahrscheinlichste" von allen, mußte
im Jahre 1892 das Kultusministerium übernehmen. Der alte v. Wussow ist noch
lange Mitglied des Kultusministeriums gewesen. Er bearbeitete damals und noch
viele Jahre die Angelegenheiten der Volksschullehrer-Witwenkassen, deren ver¬
sicherungstechnische und administrative Klippen seine Domäne waren. Später über¬
nahm er — er war künstlerisch begabt — die Denkmalspflege und die Konservierung
der Altertümer, wobei er sich trefflich bewährt haben soll. Er trat als Wirklicher
Geheimer Oberregierungsrat in den Ruhestand und ist bald danach in Schwerin in
Mecklenburg gestorben. Er war ein grundehrlicher, braver Manu.

Noch im Laufe des Jahres 1877 suchte mich eines Tages der damalige Präsident
des Evangelischen Oberkirchenrath I),'. Herrmann auf und machte mir den Vorschlag,
entweder als Mitglied des Oberkirchenrath in diesen oder als Direktor eines Provinzial-
ivnsistorinms in die kirchliche Verwaltung einzutreten. Persönlich hatte ich Herrmann


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[0042] Erinnerungen Atmosphäre verkehrten, die sich nicht selten über das Niveau der Durchschnittsmittel¬ mäßigkeit stark hinaushob. Sehr angenehm waren die gemeinsamen Mittagessen, zu denen sich die Räte und Hilfsarbeiter des Ministeriums damals allmonatlich einmal in einem Restaurant vereinigten. Einer der ältesten Räte und von allen gern gesehen war der Geh. Rat v. Wussow, der diese dem zwanglosen geselligen Verkehr dienenden Zusammenkünfte arrangierte. Es ging dabei sehr einfach her, aber wir waren harmlos vergnügt, und man kam dabei einander näher. Zu diesem Mittagessen — das Kuvert kostete drei Mark, und man trank dazu eine halbe oder auch wohl eine ganze Flasche Mosel¬ wein oder Bordeaux — wurde regelmäßig auch der Geh. Oberfinanzrat Scholz, der damals Vortragender Rat im Finanzministerium war, eingeladen. Er war unter dem Minister v. Muster sieben Jahre lang zugleich mit v. Wussow und Lucanus als Assessor im Kultusministerium beschäftigt gewesen, galt mit Recht für sehr tüchtig, war aber seinerzeit nicht mit seinen genannten beiden Kollege» zum Rat befördert worden, obgleich noch eine Stelle eines Vortragenden Rats frei gewesen war. Man schrieb dies im Ministerium dem Einflüsse der Frau v. Muster zu, die gegen Scholz persönlich eingenommen gewesen sei, und zwar angeblich, weil er ihr nicht fromm genug war. Da Scholz wie Jakob um Labans Tochter sieben Jahre um die Stelle eines Vortragenden Rats gedient hatte, so hatte seinerzeit seine Nichtanstellung Aufsehen erregt und war im Kultusministerium selbst der bittersten Kritik begegnet. Scholz war, als der Minister v. Muster ihm eröffnet hatte, daß er ihn zu seinem Bedauern nicht anstellen könne, unmittelbar zum Finanzminister Camphnnsen gegangen, hatte ihm sein Mißgeschick erzählt, und dieser nahm den tüchtigen und gewandten Mann ohne weiteres als Hilfsarbeiter ins Finanzministerium, wo er in ganz kurzer Zeit zum Regierungsrat und gleich nachher zum Geheimen Finanzrat ausrückte. Er wurde aber im Kultusministerium noch immer als ein werter Kollege in xg-rtikus angesehen. So kam es, daß er an den von dem Geh. Rat v. Wussow arrangierten Diners des Kultusministeriums regelmäßig teilnahm, bei denen er ein gern gesehener und mit Auszeichnung behandelter Gast war. Nach einem dieser Diners saß ich mit den Herren Scholz, Lucanus, Barkhausen und v. Wussow noch beim Kaffee und einer Zigarre behaglich plaudernd zusammen, als der gute alte v. Wussow plötzlich ganz unmotiviert aufstand, sich vor uns hinstellte und sagte: „Ja seht ihr wohl, ihr jungen Leute, wie es in der Welt zugeht. Ihr alle vier könnt noch Minister werden und werdet euern Weg machen. Nur ich bin zu alt und werde nichts mehr." Mit schallendem Gelächter nahmen wir diese seltsame Expektorativn oder Prophezeiung auf, die uus damals in der Tat nahezu an Verrücktheit zu streifen schien. Sicher hat keiner von uns daran gedacht, daß sich die von Wussow uns er¬ öffnete Perspektive wirklich vor uns auftun könne. Und doch war es eine Prophe¬ zeiung. Scholz wurde zuerst Reichsschatzsekretär und dann preußischer Finanzminister, Lucanus wurde geadelt, zum Chef des Zivilkabinetts ernannt und Ritter des hohen Ordens vom Schwarzen Adler, Barkhausen ist Präsident des Evangelischen Ober¬ kirchenrath geworden, und ich, ohne Frage der „unwahrscheinlichste" von allen, mußte im Jahre 1892 das Kultusministerium übernehmen. Der alte v. Wussow ist noch lange Mitglied des Kultusministeriums gewesen. Er bearbeitete damals und noch viele Jahre die Angelegenheiten der Volksschullehrer-Witwenkassen, deren ver¬ sicherungstechnische und administrative Klippen seine Domäne waren. Später über¬ nahm er — er war künstlerisch begabt — die Denkmalspflege und die Konservierung der Altertümer, wobei er sich trefflich bewährt haben soll. Er trat als Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat in den Ruhestand und ist bald danach in Schwerin in Mecklenburg gestorben. Er war ein grundehrlicher, braver Manu. Noch im Laufe des Jahres 1877 suchte mich eines Tages der damalige Präsident des Evangelischen Oberkirchenrath I),'. Herrmann auf und machte mir den Vorschlag, entweder als Mitglied des Oberkirchenrath in diesen oder als Direktor eines Provinzial- ivnsistorinms in die kirchliche Verwaltung einzutreten. Persönlich hatte ich Herrmann

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/42>, abgerufen am 25.07.2024.