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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Eine Trojafahrt

solchen Gelegenheiten ertrunken. So z. B. der Gatte unsrer Schaffnerin Polyxene,
der im Dienste Schliemcmns stand und bei einem Ritt durch den Fluß von den
Plötzlich hereinbrechenden Wellen begraben wurde.

Wir wollten zunächst den Grabhügel des Aias besuchen und erreichten ihn,
indem wir am Rande des östlichen Höhenzuges hinritten. Schon hierbei mußten
wir zweimal einen Arm des Skamanders passieren. Bon den Brücken, die noch auf
der Schliemcmnschen Karte vom Jahre 1333 ziemlich zahlreich eingezeichnet sind,
war nichts mehr vorhanden. Wir mußten überall durch Furten reiten, und wiederum
reichten uns die Agojaten jedesmal Gerten zu, ohne daß wir recht gewußt hätten,
zu welchem Zwecke. Die Tiere haben nämlich das Gefühl, daß sie im Wasser ehre
Last los werden können, und darum die niederträchtige Neigung, sich und den
Reiter hineinzulegen. Deshalb muß man sie, sowie es ins Wasser geht, beständig
leise peitschen. Außerdem tut man gut, die Füße aus den Bügeln zu nehmen und
unes hinten in die Höhe zu ziehen, damit man schlimmstenfalls nicht etwa hängen
bleibt. Es wäre besser gewesen, wenn uns diese Verhaltungsmaßregeln vorher mit¬
geteilt worden wären. So erfuhren wir das alles und noch einiges andre erst,
nachdem wir mancherlei unangenehme Hineinfälle erlebt hatten.

Bis zum Aias-Tumulus ging jedoch alles gut. Auch die drei Amerikanerinnen,
die Ä c-d<zva1 gleich Herren anritten, kamen ungefährdet auf dem Grabhügel an.
Von da sahen wir die Ebne mit den drei Flußmündungen und jenseits der letzten
die weißen Hänser von Kum-Kate und Jenischehr (dem alten Sigeion). Rechts
Von uns strömte die schnelle Flut des blauen Hellespont, belebt durch zahlreiche
weiße Segel. Nach kurzem Aufenthalt ritten wir in die Ebne hinunter und die
ganze Strecke entlang, die ehemals das Schiffslager der Griechen eingenommen
hatte. Dabei mußten wir alle drei Flußmündungen passieren. Die alte und die
mittlere machten, wasserarm und versumpft, wie sie waren, keine Schwierigkeit. Als
wir aber oberhalb Kum-Kate zum erstenmal an den eigentlichen "Mendere" kamen
und den breiten, gelben, gurgelnden Strom vor uns sahen, da hielt wohl mancher
in unwillkürlichem Schauder das Pferd zurück. Eine der Amerikanerinnen stieg ab
und versuchte auf den im Flusse liegenden Flößen ans andre Ufer zu gelangen,
blieb aber, da diese selbst nach der Mitte zu überströmt und sehr unsicher zu be¬
gehen waren, auch nicht bis ans andre Ufer reichten, schließlich verzweiflungsvoll
uniherschauend stehn und wurde von einem Agojaten zurückgelotst. Wir andern
ritten inzwischen in weiten Abständen in die "strndelreiche" Flut hinein, wobei die
Tiere leicht schauderten und mit den Füßen tasteten. Sehr bald zwang uns das
Wasser, die Beine hochzunehmen, aber es ging uns trotzdem schließlich über die Kniee.
Völlig durchnäßt klommen wir am andern Ufer in die Höhe und ritten dann in
langem Zuge in Kum-Kate ein.

Diese "Sandstadt" ist ein ganz türkischer Ort und bot uns ungefähr dasselbe Bild
wie die Dardcmellenstadt. nur um ein gut Stück primitiver und orlentalilcher; es
es ist ein lehmiges, ständiges Nest mit kleinen weißlichen Hütten Natürlich gab es
auch hier Kaffeehäuser mit breiten Pritschen, auf denen sich Turban- oder ^cstrager
mit gekreuzten Beinen und stoischen Gleichmut dein Genuß der Wasserpfeife ergaben.
Es scheint, daß diese Gläubigen überhaupt nicht arbeiten, und daß sie Allah ernährt,
wie die Lilien auf dem Felde. ,

,^
Unser Ziel war der Grabhügel des Achilles. Um zu ihm zu gelangen, mußten
wir aber, da Kum-Kate eine Seefestung ist. erst die Erlaubnis der BeHorde einhole...
Während wir unsern Kaffee einnahmen - allerdings nicht auf den schrägen
kauernd -. begab sich Herr Thiersch. der die Expedition leitete, mit zwei andern
Zum Ortsvorsteher und trug ihm unser Anliegen vor. Dieser wünschte zunächst zu
wissen, von welcher Nation wir seien, und als er hörte, von mehreren verlangte
er eine genaue Aufstellung, welche Nationen vertreten seien, und wie viele zu jeder
gehörten. Herr Thiersch schreckte uns also plötzlich von unserm Kaffee auf durch
den Ruf: "Antreten nach Nationen!" Das war nun aber gar nicht so einfach, wie


Eine Trojafahrt

solchen Gelegenheiten ertrunken. So z. B. der Gatte unsrer Schaffnerin Polyxene,
der im Dienste Schliemcmns stand und bei einem Ritt durch den Fluß von den
Plötzlich hereinbrechenden Wellen begraben wurde.

Wir wollten zunächst den Grabhügel des Aias besuchen und erreichten ihn,
indem wir am Rande des östlichen Höhenzuges hinritten. Schon hierbei mußten
wir zweimal einen Arm des Skamanders passieren. Bon den Brücken, die noch auf
der Schliemcmnschen Karte vom Jahre 1333 ziemlich zahlreich eingezeichnet sind,
war nichts mehr vorhanden. Wir mußten überall durch Furten reiten, und wiederum
reichten uns die Agojaten jedesmal Gerten zu, ohne daß wir recht gewußt hätten,
zu welchem Zwecke. Die Tiere haben nämlich das Gefühl, daß sie im Wasser ehre
Last los werden können, und darum die niederträchtige Neigung, sich und den
Reiter hineinzulegen. Deshalb muß man sie, sowie es ins Wasser geht, beständig
leise peitschen. Außerdem tut man gut, die Füße aus den Bügeln zu nehmen und
unes hinten in die Höhe zu ziehen, damit man schlimmstenfalls nicht etwa hängen
bleibt. Es wäre besser gewesen, wenn uns diese Verhaltungsmaßregeln vorher mit¬
geteilt worden wären. So erfuhren wir das alles und noch einiges andre erst,
nachdem wir mancherlei unangenehme Hineinfälle erlebt hatten.

Bis zum Aias-Tumulus ging jedoch alles gut. Auch die drei Amerikanerinnen,
die Ä c-d<zva1 gleich Herren anritten, kamen ungefährdet auf dem Grabhügel an.
Von da sahen wir die Ebne mit den drei Flußmündungen und jenseits der letzten
die weißen Hänser von Kum-Kate und Jenischehr (dem alten Sigeion). Rechts
Von uns strömte die schnelle Flut des blauen Hellespont, belebt durch zahlreiche
weiße Segel. Nach kurzem Aufenthalt ritten wir in die Ebne hinunter und die
ganze Strecke entlang, die ehemals das Schiffslager der Griechen eingenommen
hatte. Dabei mußten wir alle drei Flußmündungen passieren. Die alte und die
mittlere machten, wasserarm und versumpft, wie sie waren, keine Schwierigkeit. Als
wir aber oberhalb Kum-Kate zum erstenmal an den eigentlichen „Mendere" kamen
und den breiten, gelben, gurgelnden Strom vor uns sahen, da hielt wohl mancher
in unwillkürlichem Schauder das Pferd zurück. Eine der Amerikanerinnen stieg ab
und versuchte auf den im Flusse liegenden Flößen ans andre Ufer zu gelangen,
blieb aber, da diese selbst nach der Mitte zu überströmt und sehr unsicher zu be¬
gehen waren, auch nicht bis ans andre Ufer reichten, schließlich verzweiflungsvoll
uniherschauend stehn und wurde von einem Agojaten zurückgelotst. Wir andern
ritten inzwischen in weiten Abständen in die „strndelreiche" Flut hinein, wobei die
Tiere leicht schauderten und mit den Füßen tasteten. Sehr bald zwang uns das
Wasser, die Beine hochzunehmen, aber es ging uns trotzdem schließlich über die Kniee.
Völlig durchnäßt klommen wir am andern Ufer in die Höhe und ritten dann in
langem Zuge in Kum-Kate ein.

Diese „Sandstadt" ist ein ganz türkischer Ort und bot uns ungefähr dasselbe Bild
wie die Dardcmellenstadt. nur um ein gut Stück primitiver und orlentalilcher; es
es ist ein lehmiges, ständiges Nest mit kleinen weißlichen Hütten Natürlich gab es
auch hier Kaffeehäuser mit breiten Pritschen, auf denen sich Turban- oder ^cstrager
mit gekreuzten Beinen und stoischen Gleichmut dein Genuß der Wasserpfeife ergaben.
Es scheint, daß diese Gläubigen überhaupt nicht arbeiten, und daß sie Allah ernährt,
wie die Lilien auf dem Felde. ,

,^
Unser Ziel war der Grabhügel des Achilles. Um zu ihm zu gelangen, mußten
wir aber, da Kum-Kate eine Seefestung ist. erst die Erlaubnis der BeHorde einhole...
Während wir unsern Kaffee einnahmen - allerdings nicht auf den schrägen
kauernd -. begab sich Herr Thiersch. der die Expedition leitete, mit zwei andern
Zum Ortsvorsteher und trug ihm unser Anliegen vor. Dieser wünschte zunächst zu
wissen, von welcher Nation wir seien, und als er hörte, von mehreren verlangte
er eine genaue Aufstellung, welche Nationen vertreten seien, und wie viele zu jeder
gehörten. Herr Thiersch schreckte uns also plötzlich von unserm Kaffee auf durch
den Ruf: „Antreten nach Nationen!" Das war nun aber gar nicht so einfach, wie


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[0349] Eine Trojafahrt solchen Gelegenheiten ertrunken. So z. B. der Gatte unsrer Schaffnerin Polyxene, der im Dienste Schliemcmns stand und bei einem Ritt durch den Fluß von den Plötzlich hereinbrechenden Wellen begraben wurde. Wir wollten zunächst den Grabhügel des Aias besuchen und erreichten ihn, indem wir am Rande des östlichen Höhenzuges hinritten. Schon hierbei mußten wir zweimal einen Arm des Skamanders passieren. Bon den Brücken, die noch auf der Schliemcmnschen Karte vom Jahre 1333 ziemlich zahlreich eingezeichnet sind, war nichts mehr vorhanden. Wir mußten überall durch Furten reiten, und wiederum reichten uns die Agojaten jedesmal Gerten zu, ohne daß wir recht gewußt hätten, zu welchem Zwecke. Die Tiere haben nämlich das Gefühl, daß sie im Wasser ehre Last los werden können, und darum die niederträchtige Neigung, sich und den Reiter hineinzulegen. Deshalb muß man sie, sowie es ins Wasser geht, beständig leise peitschen. Außerdem tut man gut, die Füße aus den Bügeln zu nehmen und unes hinten in die Höhe zu ziehen, damit man schlimmstenfalls nicht etwa hängen bleibt. Es wäre besser gewesen, wenn uns diese Verhaltungsmaßregeln vorher mit¬ geteilt worden wären. So erfuhren wir das alles und noch einiges andre erst, nachdem wir mancherlei unangenehme Hineinfälle erlebt hatten. Bis zum Aias-Tumulus ging jedoch alles gut. Auch die drei Amerikanerinnen, die Ä c-d<zva1 gleich Herren anritten, kamen ungefährdet auf dem Grabhügel an. Von da sahen wir die Ebne mit den drei Flußmündungen und jenseits der letzten die weißen Hänser von Kum-Kate und Jenischehr (dem alten Sigeion). Rechts Von uns strömte die schnelle Flut des blauen Hellespont, belebt durch zahlreiche weiße Segel. Nach kurzem Aufenthalt ritten wir in die Ebne hinunter und die ganze Strecke entlang, die ehemals das Schiffslager der Griechen eingenommen hatte. Dabei mußten wir alle drei Flußmündungen passieren. Die alte und die mittlere machten, wasserarm und versumpft, wie sie waren, keine Schwierigkeit. Als wir aber oberhalb Kum-Kate zum erstenmal an den eigentlichen „Mendere" kamen und den breiten, gelben, gurgelnden Strom vor uns sahen, da hielt wohl mancher in unwillkürlichem Schauder das Pferd zurück. Eine der Amerikanerinnen stieg ab und versuchte auf den im Flusse liegenden Flößen ans andre Ufer zu gelangen, blieb aber, da diese selbst nach der Mitte zu überströmt und sehr unsicher zu be¬ gehen waren, auch nicht bis ans andre Ufer reichten, schließlich verzweiflungsvoll uniherschauend stehn und wurde von einem Agojaten zurückgelotst. Wir andern ritten inzwischen in weiten Abständen in die „strndelreiche" Flut hinein, wobei die Tiere leicht schauderten und mit den Füßen tasteten. Sehr bald zwang uns das Wasser, die Beine hochzunehmen, aber es ging uns trotzdem schließlich über die Kniee. Völlig durchnäßt klommen wir am andern Ufer in die Höhe und ritten dann in langem Zuge in Kum-Kate ein. Diese „Sandstadt" ist ein ganz türkischer Ort und bot uns ungefähr dasselbe Bild wie die Dardcmellenstadt. nur um ein gut Stück primitiver und orlentalilcher; es es ist ein lehmiges, ständiges Nest mit kleinen weißlichen Hütten Natürlich gab es auch hier Kaffeehäuser mit breiten Pritschen, auf denen sich Turban- oder ^cstrager mit gekreuzten Beinen und stoischen Gleichmut dein Genuß der Wasserpfeife ergaben. Es scheint, daß diese Gläubigen überhaupt nicht arbeiten, und daß sie Allah ernährt, wie die Lilien auf dem Felde. , ,^ Unser Ziel war der Grabhügel des Achilles. Um zu ihm zu gelangen, mußten wir aber, da Kum-Kate eine Seefestung ist. erst die Erlaubnis der BeHorde einhole... Während wir unsern Kaffee einnahmen - allerdings nicht auf den schrägen kauernd -. begab sich Herr Thiersch. der die Expedition leitete, mit zwei andern Zum Ortsvorsteher und trug ihm unser Anliegen vor. Dieser wünschte zunächst zu wissen, von welcher Nation wir seien, und als er hörte, von mehreren verlangte er eine genaue Aufstellung, welche Nationen vertreten seien, und wie viele zu jeder gehörten. Herr Thiersch schreckte uns also plötzlich von unserm Kaffee auf durch den Ruf: „Antreten nach Nationen!" Das war nun aber gar nicht so einfach, wie

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/349>, abgerufen am 25.07.2024.