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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Reinhold Uosers "Friedrich der Große"

Werden muß, mit der Darstellung der Friedenswerke des Königs in jenen
sechzehn Jahren.

Anlaß und Verlauf der schlesischen Kämpfe sind anschaulich geschildert.
Wenn auch die seit 1890 vom Großen Generalstabe herausgegebne Darstellung
der Kriege Friedrichs des Großen in vielen Einzelheiten ausführlicher ist und
durch ihr reichliches und gutes Kartenmaterial das Verständnis mancher Aktion
erleichtert, wird der Historiker doch auch hier im allgemeinen Kosers Werke
den Vorzug geben, weil in ihm die Kritik besser gehandhabt ist. Sie ist
natürlich bei den vielen unter sich oft stark abweichenden Berichten, die wir
über den Verlauf der Schlachten haben, besonders schwierig und erfordert einen
Meister. Über die Schlacht bei Mollwitz liegen zum Beispiel von preußischer
Seite vierzehn Berichte von Augenzeugen vor, neben acht österreichischen; da
gilt es natürlich scharf zusehen und sichten. Der Leser bleibt jedoch mit kri¬
tischen Erörterungen ganz verschont; nur die kurzen Anmerkungen am Schlüsse
des Werks zeigen die solide kritische Unterlage. Und wie fesselnd und frisch
ist bei aller Gründlichkeit doch die Darstellung; gerade die Schlacht bei Mollwitz
ist dafür ein gutes Beispiel. Der Verfasser bespricht die von Friedrich vor
dieser seiner ersten Schlacht begangnen strategischen Fehler. Der König war
noch nicht im Kriegswesen erfahren; er hat das selbst später offen zugegeben,
indem er in seinem Gedicht Lnr 1s Kaf^ra sagt:

Bekanntlich nahm die Schlacht durch die Tüchtigkeit der österreichischen
Kavallerie anfangs eine für Friedrich recht bedenkliche Wendung. Koser schildert
deren ungestümen Angriff, wie folgt: "Furchtbares Gebrüll der Angreifer durch-
drv'but die Luft, ihre Pistolen knallen, dann sind sie selbst da, mit unwider¬
stehlicher Wucht anprallend, den ersten Säbelhieb haarscharf nach dem Kopfe
des Pferdes ster preußischen Dragonerj führend, den zweiten schon von hinten,
"ach dem mit seinem Tiere sinkenden Reiter. Vor der Überlegenheit dieser
Fechtweise und vor der dreifachen Überzahl retten sich die zehn Schwadronen,
die insgesamt hier zur Stelle sind, in wilder Flucht, die Leibkarabiniere und
Gendarmen nicht anders als die zuerst umgeworfnen Dragoner. Die Sieger
dringen auf die, der Deckung beraubte Infanterie ein." Auch als dann vier
noch ungebrochne Schwadronen der preußischen Dragoner und einige durch den
König gesammelte Flüchtlinge gegen die österreichischen Reiter anrücken, bleiben
diese im Vorteil; schon bedrohte der stürmische Feind die preußische Schlacht¬
ordnung im Rücken. Aber das Feuer des unerschrocknen preußischen Fußvolks
nötigte die Reiter, sich in Unordnung zurückzuziehn. Der Nachstoß der öster¬
reichischen Infanterie, der dem Angriff eine entscheidende Wendung hätte geben
können, blieb aus. Immerhin war die Lage für die Preußen so bedenklich,
daß Schwerin den König beschwor, das Schlachtfeld zu verlassen, angeblich,
"in Verstärkungen herbeizuholen; in Wahrheit fürchtete der Feldmarschall, daß
der drohende Verlust der Schlacht eine Kapitulation und damit die Gefangen¬
nahme des Königs zur Folge haben könnte. "Die Krisis war so heftig, er-


Reinhold Uosers „Friedrich der Große"

Werden muß, mit der Darstellung der Friedenswerke des Königs in jenen
sechzehn Jahren.

Anlaß und Verlauf der schlesischen Kämpfe sind anschaulich geschildert.
Wenn auch die seit 1890 vom Großen Generalstabe herausgegebne Darstellung
der Kriege Friedrichs des Großen in vielen Einzelheiten ausführlicher ist und
durch ihr reichliches und gutes Kartenmaterial das Verständnis mancher Aktion
erleichtert, wird der Historiker doch auch hier im allgemeinen Kosers Werke
den Vorzug geben, weil in ihm die Kritik besser gehandhabt ist. Sie ist
natürlich bei den vielen unter sich oft stark abweichenden Berichten, die wir
über den Verlauf der Schlachten haben, besonders schwierig und erfordert einen
Meister. Über die Schlacht bei Mollwitz liegen zum Beispiel von preußischer
Seite vierzehn Berichte von Augenzeugen vor, neben acht österreichischen; da
gilt es natürlich scharf zusehen und sichten. Der Leser bleibt jedoch mit kri¬
tischen Erörterungen ganz verschont; nur die kurzen Anmerkungen am Schlüsse
des Werks zeigen die solide kritische Unterlage. Und wie fesselnd und frisch
ist bei aller Gründlichkeit doch die Darstellung; gerade die Schlacht bei Mollwitz
ist dafür ein gutes Beispiel. Der Verfasser bespricht die von Friedrich vor
dieser seiner ersten Schlacht begangnen strategischen Fehler. Der König war
noch nicht im Kriegswesen erfahren; er hat das selbst später offen zugegeben,
indem er in seinem Gedicht Lnr 1s Kaf^ra sagt:

Bekanntlich nahm die Schlacht durch die Tüchtigkeit der österreichischen
Kavallerie anfangs eine für Friedrich recht bedenkliche Wendung. Koser schildert
deren ungestümen Angriff, wie folgt: „Furchtbares Gebrüll der Angreifer durch-
drv'but die Luft, ihre Pistolen knallen, dann sind sie selbst da, mit unwider¬
stehlicher Wucht anprallend, den ersten Säbelhieb haarscharf nach dem Kopfe
des Pferdes ster preußischen Dragonerj führend, den zweiten schon von hinten,
«ach dem mit seinem Tiere sinkenden Reiter. Vor der Überlegenheit dieser
Fechtweise und vor der dreifachen Überzahl retten sich die zehn Schwadronen,
die insgesamt hier zur Stelle sind, in wilder Flucht, die Leibkarabiniere und
Gendarmen nicht anders als die zuerst umgeworfnen Dragoner. Die Sieger
dringen auf die, der Deckung beraubte Infanterie ein." Auch als dann vier
noch ungebrochne Schwadronen der preußischen Dragoner und einige durch den
König gesammelte Flüchtlinge gegen die österreichischen Reiter anrücken, bleiben
diese im Vorteil; schon bedrohte der stürmische Feind die preußische Schlacht¬
ordnung im Rücken. Aber das Feuer des unerschrocknen preußischen Fußvolks
nötigte die Reiter, sich in Unordnung zurückzuziehn. Der Nachstoß der öster¬
reichischen Infanterie, der dem Angriff eine entscheidende Wendung hätte geben
können, blieb aus. Immerhin war die Lage für die Preußen so bedenklich,
daß Schwerin den König beschwor, das Schlachtfeld zu verlassen, angeblich,
«in Verstärkungen herbeizuholen; in Wahrheit fürchtete der Feldmarschall, daß
der drohende Verlust der Schlacht eine Kapitulation und damit die Gefangen¬
nahme des Königs zur Folge haben könnte. „Die Krisis war so heftig, er-


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[0341] Reinhold Uosers „Friedrich der Große" Werden muß, mit der Darstellung der Friedenswerke des Königs in jenen sechzehn Jahren. Anlaß und Verlauf der schlesischen Kämpfe sind anschaulich geschildert. Wenn auch die seit 1890 vom Großen Generalstabe herausgegebne Darstellung der Kriege Friedrichs des Großen in vielen Einzelheiten ausführlicher ist und durch ihr reichliches und gutes Kartenmaterial das Verständnis mancher Aktion erleichtert, wird der Historiker doch auch hier im allgemeinen Kosers Werke den Vorzug geben, weil in ihm die Kritik besser gehandhabt ist. Sie ist natürlich bei den vielen unter sich oft stark abweichenden Berichten, die wir über den Verlauf der Schlachten haben, besonders schwierig und erfordert einen Meister. Über die Schlacht bei Mollwitz liegen zum Beispiel von preußischer Seite vierzehn Berichte von Augenzeugen vor, neben acht österreichischen; da gilt es natürlich scharf zusehen und sichten. Der Leser bleibt jedoch mit kri¬ tischen Erörterungen ganz verschont; nur die kurzen Anmerkungen am Schlüsse des Werks zeigen die solide kritische Unterlage. Und wie fesselnd und frisch ist bei aller Gründlichkeit doch die Darstellung; gerade die Schlacht bei Mollwitz ist dafür ein gutes Beispiel. Der Verfasser bespricht die von Friedrich vor dieser seiner ersten Schlacht begangnen strategischen Fehler. Der König war noch nicht im Kriegswesen erfahren; er hat das selbst später offen zugegeben, indem er in seinem Gedicht Lnr 1s Kaf^ra sagt: Bekanntlich nahm die Schlacht durch die Tüchtigkeit der österreichischen Kavallerie anfangs eine für Friedrich recht bedenkliche Wendung. Koser schildert deren ungestümen Angriff, wie folgt: „Furchtbares Gebrüll der Angreifer durch- drv'but die Luft, ihre Pistolen knallen, dann sind sie selbst da, mit unwider¬ stehlicher Wucht anprallend, den ersten Säbelhieb haarscharf nach dem Kopfe des Pferdes ster preußischen Dragonerj führend, den zweiten schon von hinten, «ach dem mit seinem Tiere sinkenden Reiter. Vor der Überlegenheit dieser Fechtweise und vor der dreifachen Überzahl retten sich die zehn Schwadronen, die insgesamt hier zur Stelle sind, in wilder Flucht, die Leibkarabiniere und Gendarmen nicht anders als die zuerst umgeworfnen Dragoner. Die Sieger dringen auf die, der Deckung beraubte Infanterie ein." Auch als dann vier noch ungebrochne Schwadronen der preußischen Dragoner und einige durch den König gesammelte Flüchtlinge gegen die österreichischen Reiter anrücken, bleiben diese im Vorteil; schon bedrohte der stürmische Feind die preußische Schlacht¬ ordnung im Rücken. Aber das Feuer des unerschrocknen preußischen Fußvolks nötigte die Reiter, sich in Unordnung zurückzuziehn. Der Nachstoß der öster¬ reichischen Infanterie, der dem Angriff eine entscheidende Wendung hätte geben können, blieb aus. Immerhin war die Lage für die Preußen so bedenklich, daß Schwerin den König beschwor, das Schlachtfeld zu verlassen, angeblich, «in Verstärkungen herbeizuholen; in Wahrheit fürchtete der Feldmarschall, daß der drohende Verlust der Schlacht eine Kapitulation und damit die Gefangen¬ nahme des Königs zur Folge haben könnte. „Die Krisis war so heftig, er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/341>, abgerufen am 25.07.2024.