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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

geworden für die weiterhin zustande gekommenen*): zwischen Frankreich und Italien
(25. Februar 1903), Frankreich und Spanien (26. Februar 1904) sowie England
und Spanien (27. Februar 1904). Frankreich und Holland (6. April 1904).

Der Wortlaut ist folgender: Artikel 1. Zwischen den beiden vertragschließenden
Parteien entstandne Streitigkeiten juristischer Art oder solche, die auf eine verschieden¬
artige Auslegung giltiger Verträge zurückzuführen sind, sollen, falls sie nicht auf
diplomatischem Wege beigelegt werden können, dem durch die Konvention vom
29. Juli 1899 eingesetzten ständigen Schiedsgerichtshof im Haag unterbreitet werden,
sofern weder vitale Interessen noch die Unabhängigkeit oder die Ehre der vertrag¬
schließenden Parteien noch auch die Interessen dritter Mächte in Frage kommen.

Artikel 2. Ju jedem einzelnen Falle haben die hohen vertragschließenden
Mächte, bevor sie sich an den ständigen Schiedsgerichtshvf wenden, ein Sonder-
abkommen zu unterzeichnen, worin das Streitobjekt, die Abgrenzung der Vollmachten
der Schiedsrichter und die hinsichtlich der Znsammensetzung des Schiedsgerichts und
den Gang des Verfahrens zu beobachtenden Regeln genau festzulegen sind.

Artikel 3. Der Vertrag bleibt vom Tage der Unterzeichnung ab gerechnet
fünf Jahre in Kraft.

Dazu eine Bemerkung: Die Ausdrucksweise schließt sich ziemlich eng an die
in dem Schiedsgerichtsabschnitte der Konvention vom 29. Juli 1899 gebrauchte ein,
auch im Inhalt des Artikels 2 und in den empfohlenen Beschränkungen wegen der
schiedsgerichtlich zu erledigenden Materien. Wie gewaltig sind nicht diese Be¬
schränkungen ! In bezug auf die Streitobjekte (solche, die in heutiger Zeit nur noch
zum Kriege führen können, wie Lebensinteressen, Unabhängigkeit und Ehre, sind ganz
ausgeschieden), das Verfahren und die Dauer der Giltigkeit. Was sind im Völker¬
leben fünf Jahre? Und was das Verfahren anlangt, so bleibt zu bemerke", daß es
zu der Erledigung durch ein Schiedsgericht überhaupt nicht kommen kann, wenn die
in Artikel 2 verlangte vorherige Einigung (eomxromis) nicht zu erreichen ist.

Ja, diese Schiedsgerichtsverträge sind so nichtssagend, daß die "Daily Mail"
bei dem Zustandekommen des zwischen Frankreich und England vereinbarten Ver¬
trags schreiben konnte: "Vielleicht mag er durch seinen Abglanz (!) einige Einwirkung
auf Rußland und Japan ausüben. Warum sollten diese beiden nicht auch ihren
Schiedsgerichtsvertrng haben?" -- Gewiß, warum sollten sie nicht? Den Kriegs¬
ausbruch hätte ein solcher Bertrag natürlich anch nicht im geringsten verhindert.

Und doch dürfen wir des schon angedeuteten politischen Hintergedankens wegen,
der in diesen Verträgen steckt oder doch mindestens von den beteiligten Völkern
hineingelegt wird, nicht mit einem nachsichtigen Lächeln darüber hinweggehn. Ver¬
gessen wir nicht, daß gerade Frankreich den Anstoß dazu gegeben hat, und daß
uns -- nach französischer Auffassung -- noch eine Abrechnung mit unsern west¬
lichen Nachbarn bevorsteht. Wie ausdrücklich betont worden ist, hat man in Frank¬
reich durch den Abschluß des Schiedsgerichtsvertrags mit England eine politische
Annäherung an England erstrebt und -- wenigstens vorübergehend -- auch er¬
reicht. Das mag uns kalt lassen; aber nicht ebenso das anscheinend vorhandne
Bemühen, Deutschland politisch zu isoliere".

Und der Dreibund? Auf diesen war es ja gerade abgesehen, als Frankreich
mit Italien abschloß. Eine weitere Untcrminiernng des Dreibundes! Der "Matin"
schrieb darüber triumphierend: "Italien hat es vorgezogen, sein Bündnis zu ver¬
gessen und einen Schiedsgerichtsvertrag mit uns zu unterzeichnen. Es steht also
fest, daß der Dreibundvertrag nicht mehr die künftigen Streitfälle Italiens mit
Frankreich berührt."



*) Der unter"" Is. Februar 1904 zwischen Holland und Dänemark geschlossene Schied"-
gericlMvertrag ist in bezug auf die Art der schiedsgerichtlich zu erledigenden Streitfälle weit¬
herziger; er enthält auch die nicht unwichtige Klausel, dech andre Mächte diesen" Vertrage ein¬
fach beitreten können. In Vorbereitung sind SchicdsgerichtsvcrtrSge zwischen England und den
Vereinigten Staaten, England und Schweden-Norwegen, England und Dänemark, Frankreich
und den Vereinigten Staaten, Frankreich und Holland (6. April 1904), Italien und Argentinien.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

geworden für die weiterhin zustande gekommenen*): zwischen Frankreich und Italien
(25. Februar 1903), Frankreich und Spanien (26. Februar 1904) sowie England
und Spanien (27. Februar 1904). Frankreich und Holland (6. April 1904).

Der Wortlaut ist folgender: Artikel 1. Zwischen den beiden vertragschließenden
Parteien entstandne Streitigkeiten juristischer Art oder solche, die auf eine verschieden¬
artige Auslegung giltiger Verträge zurückzuführen sind, sollen, falls sie nicht auf
diplomatischem Wege beigelegt werden können, dem durch die Konvention vom
29. Juli 1899 eingesetzten ständigen Schiedsgerichtshof im Haag unterbreitet werden,
sofern weder vitale Interessen noch die Unabhängigkeit oder die Ehre der vertrag¬
schließenden Parteien noch auch die Interessen dritter Mächte in Frage kommen.

Artikel 2. Ju jedem einzelnen Falle haben die hohen vertragschließenden
Mächte, bevor sie sich an den ständigen Schiedsgerichtshvf wenden, ein Sonder-
abkommen zu unterzeichnen, worin das Streitobjekt, die Abgrenzung der Vollmachten
der Schiedsrichter und die hinsichtlich der Znsammensetzung des Schiedsgerichts und
den Gang des Verfahrens zu beobachtenden Regeln genau festzulegen sind.

Artikel 3. Der Vertrag bleibt vom Tage der Unterzeichnung ab gerechnet
fünf Jahre in Kraft.

Dazu eine Bemerkung: Die Ausdrucksweise schließt sich ziemlich eng an die
in dem Schiedsgerichtsabschnitte der Konvention vom 29. Juli 1899 gebrauchte ein,
auch im Inhalt des Artikels 2 und in den empfohlenen Beschränkungen wegen der
schiedsgerichtlich zu erledigenden Materien. Wie gewaltig sind nicht diese Be¬
schränkungen ! In bezug auf die Streitobjekte (solche, die in heutiger Zeit nur noch
zum Kriege führen können, wie Lebensinteressen, Unabhängigkeit und Ehre, sind ganz
ausgeschieden), das Verfahren und die Dauer der Giltigkeit. Was sind im Völker¬
leben fünf Jahre? Und was das Verfahren anlangt, so bleibt zu bemerke», daß es
zu der Erledigung durch ein Schiedsgericht überhaupt nicht kommen kann, wenn die
in Artikel 2 verlangte vorherige Einigung (eomxromis) nicht zu erreichen ist.

Ja, diese Schiedsgerichtsverträge sind so nichtssagend, daß die „Daily Mail"
bei dem Zustandekommen des zwischen Frankreich und England vereinbarten Ver¬
trags schreiben konnte: „Vielleicht mag er durch seinen Abglanz (!) einige Einwirkung
auf Rußland und Japan ausüben. Warum sollten diese beiden nicht auch ihren
Schiedsgerichtsvertrng haben?" — Gewiß, warum sollten sie nicht? Den Kriegs¬
ausbruch hätte ein solcher Bertrag natürlich anch nicht im geringsten verhindert.

Und doch dürfen wir des schon angedeuteten politischen Hintergedankens wegen,
der in diesen Verträgen steckt oder doch mindestens von den beteiligten Völkern
hineingelegt wird, nicht mit einem nachsichtigen Lächeln darüber hinweggehn. Ver¬
gessen wir nicht, daß gerade Frankreich den Anstoß dazu gegeben hat, und daß
uns — nach französischer Auffassung — noch eine Abrechnung mit unsern west¬
lichen Nachbarn bevorsteht. Wie ausdrücklich betont worden ist, hat man in Frank¬
reich durch den Abschluß des Schiedsgerichtsvertrags mit England eine politische
Annäherung an England erstrebt und — wenigstens vorübergehend — auch er¬
reicht. Das mag uns kalt lassen; aber nicht ebenso das anscheinend vorhandne
Bemühen, Deutschland politisch zu isoliere».

Und der Dreibund? Auf diesen war es ja gerade abgesehen, als Frankreich
mit Italien abschloß. Eine weitere Untcrminiernng des Dreibundes! Der „Matin"
schrieb darüber triumphierend: „Italien hat es vorgezogen, sein Bündnis zu ver¬
gessen und einen Schiedsgerichtsvertrag mit uns zu unterzeichnen. Es steht also
fest, daß der Dreibundvertrag nicht mehr die künftigen Streitfälle Italiens mit
Frankreich berührt."



*) Der unter«» Is. Februar 1904 zwischen Holland und Dänemark geschlossene Schied«-
gericlMvertrag ist in bezug auf die Art der schiedsgerichtlich zu erledigenden Streitfälle weit¬
herziger; er enthält auch die nicht unwichtige Klausel, dech andre Mächte diesen» Vertrage ein¬
fach beitreten können. In Vorbereitung sind SchicdsgerichtsvcrtrSge zwischen England und den
Vereinigten Staaten, England und Schweden-Norwegen, England und Dänemark, Frankreich
und den Vereinigten Staaten, Frankreich und Holland (6. April 1904), Italien und Argentinien.
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[0311] Maßgebliches und Unmaßgebliches geworden für die weiterhin zustande gekommenen*): zwischen Frankreich und Italien (25. Februar 1903), Frankreich und Spanien (26. Februar 1904) sowie England und Spanien (27. Februar 1904). Frankreich und Holland (6. April 1904). Der Wortlaut ist folgender: Artikel 1. Zwischen den beiden vertragschließenden Parteien entstandne Streitigkeiten juristischer Art oder solche, die auf eine verschieden¬ artige Auslegung giltiger Verträge zurückzuführen sind, sollen, falls sie nicht auf diplomatischem Wege beigelegt werden können, dem durch die Konvention vom 29. Juli 1899 eingesetzten ständigen Schiedsgerichtshof im Haag unterbreitet werden, sofern weder vitale Interessen noch die Unabhängigkeit oder die Ehre der vertrag¬ schließenden Parteien noch auch die Interessen dritter Mächte in Frage kommen. Artikel 2. Ju jedem einzelnen Falle haben die hohen vertragschließenden Mächte, bevor sie sich an den ständigen Schiedsgerichtshvf wenden, ein Sonder- abkommen zu unterzeichnen, worin das Streitobjekt, die Abgrenzung der Vollmachten der Schiedsrichter und die hinsichtlich der Znsammensetzung des Schiedsgerichts und den Gang des Verfahrens zu beobachtenden Regeln genau festzulegen sind. Artikel 3. Der Vertrag bleibt vom Tage der Unterzeichnung ab gerechnet fünf Jahre in Kraft. Dazu eine Bemerkung: Die Ausdrucksweise schließt sich ziemlich eng an die in dem Schiedsgerichtsabschnitte der Konvention vom 29. Juli 1899 gebrauchte ein, auch im Inhalt des Artikels 2 und in den empfohlenen Beschränkungen wegen der schiedsgerichtlich zu erledigenden Materien. Wie gewaltig sind nicht diese Be¬ schränkungen ! In bezug auf die Streitobjekte (solche, die in heutiger Zeit nur noch zum Kriege führen können, wie Lebensinteressen, Unabhängigkeit und Ehre, sind ganz ausgeschieden), das Verfahren und die Dauer der Giltigkeit. Was sind im Völker¬ leben fünf Jahre? Und was das Verfahren anlangt, so bleibt zu bemerke», daß es zu der Erledigung durch ein Schiedsgericht überhaupt nicht kommen kann, wenn die in Artikel 2 verlangte vorherige Einigung (eomxromis) nicht zu erreichen ist. Ja, diese Schiedsgerichtsverträge sind so nichtssagend, daß die „Daily Mail" bei dem Zustandekommen des zwischen Frankreich und England vereinbarten Ver¬ trags schreiben konnte: „Vielleicht mag er durch seinen Abglanz (!) einige Einwirkung auf Rußland und Japan ausüben. Warum sollten diese beiden nicht auch ihren Schiedsgerichtsvertrng haben?" — Gewiß, warum sollten sie nicht? Den Kriegs¬ ausbruch hätte ein solcher Bertrag natürlich anch nicht im geringsten verhindert. Und doch dürfen wir des schon angedeuteten politischen Hintergedankens wegen, der in diesen Verträgen steckt oder doch mindestens von den beteiligten Völkern hineingelegt wird, nicht mit einem nachsichtigen Lächeln darüber hinweggehn. Ver¬ gessen wir nicht, daß gerade Frankreich den Anstoß dazu gegeben hat, und daß uns — nach französischer Auffassung — noch eine Abrechnung mit unsern west¬ lichen Nachbarn bevorsteht. Wie ausdrücklich betont worden ist, hat man in Frank¬ reich durch den Abschluß des Schiedsgerichtsvertrags mit England eine politische Annäherung an England erstrebt und — wenigstens vorübergehend — auch er¬ reicht. Das mag uns kalt lassen; aber nicht ebenso das anscheinend vorhandne Bemühen, Deutschland politisch zu isoliere». Und der Dreibund? Auf diesen war es ja gerade abgesehen, als Frankreich mit Italien abschloß. Eine weitere Untcrminiernng des Dreibundes! Der „Matin" schrieb darüber triumphierend: „Italien hat es vorgezogen, sein Bündnis zu ver¬ gessen und einen Schiedsgerichtsvertrag mit uns zu unterzeichnen. Es steht also fest, daß der Dreibundvertrag nicht mehr die künftigen Streitfälle Italiens mit Frankreich berührt." *) Der unter«» Is. Februar 1904 zwischen Holland und Dänemark geschlossene Schied«- gericlMvertrag ist in bezug auf die Art der schiedsgerichtlich zu erledigenden Streitfälle weit¬ herziger; er enthält auch die nicht unwichtige Klausel, dech andre Mächte diesen» Vertrage ein¬ fach beitreten können. In Vorbereitung sind SchicdsgerichtsvcrtrSge zwischen England und den Vereinigten Staaten, England und Schweden-Norwegen, England und Dänemark, Frankreich und den Vereinigten Staaten, Frankreich und Holland (6. April 1904), Italien und Argentinien.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/311>, abgerufen am 25.07.2024.