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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

der Gast des dortigen kommandierender Admirals war. Die Londoner "Truth"
hat über den Einblick, der dem Kaiser und seinem erlauchten Bruder überall ge¬
boten worden ist, sogar die Nase gerümpft und gemeint, in Deutschland werde man
einem hohen britischen Marineoffizier eine solche Einsicht nicht bieten. Die An¬
nahme ist völlig irrig und längst durch die Tat widerlegt. Ja, aber das englisch¬
französische Abkommen und Marokko! Das Abkommen beweist zunächst nur, daß
König Edward, ebenso wie er dem Bureukriege ein Ende gemacht hat, auch die
unnötigen Verstimmnngsursachen bei andern Nationen beseitigt wissen wollte, und
die Franzosen sind ihm darin um so mehr entgegen gekommen, als sie das Bündnis
mit Rußland, so sehr sie es als Dekorationsstück konservieren, doch kaum noch als
so wertvoll ansehen, als daß sie sich deshalb mit England überwerfen möchten.
Im Gegenteil weist sie die Entwicklung in Ostasien auf ein gutes Einvernehmen
mit England an, und damit ist England wiederum der Notwendigkeit enthoben,
Japan Bundeshilfe zu leisten. In Marokko hat England weit größere Handels-
interessen als wir, und wenn es dennoch Marokko dem französischen Einfluß über¬
läßt, ohne sich auch nur einen Hafen zu sichern, so beweist es damit nur, daß es
mit einer so fanatischen und kriegerischen Bevölkerung andre als Handelsberührungen
nicht zu haben wünscht. Im Berliner Auswärtigen Amt ist die marokkanische Frage
seit dreißig Jahren immer wieder eingehend erwogen worden, aber anch Bismarck
ist immer der Ansicht gewesen, daß wir die Finger nicht in diesen sehr heißen Topf
st *z" ecken sollen



Schiedsgerichtsvcrträge und kein Ende.

Es liegt eine seltsame Ironie
in der Tatsache, daß gerade am Vorabend blutiger Tage die Schiedsgerichtsvertrags¬
bewegung entstanden ist. Nicht daß sie -- wie in folgendem gezeigt werden wird --
wirklich auf die Beseitigung irgend einer Kriegsgefahr hingearbeitet hätte: aber die
Friedensenthusiasten sahen schon in ihren optimistischen Träumen durch sie den Grund
zur Abschaffung aller Kriege gelegt.

Dabei sind diese zwischen einzelnen Staaten geschlossenen Schiedsgerichtsver-
trägc weder etwas ganz besondres noch etwas ganz neues! Sie sind in Artikel 19
der Haager Konvention vom 29. Juli 1899 schon vorgezeichnet, scheinen aber inso¬
weit wohl entbehrlich zu sein, als ja alle Mächte, die diese Konvention unterzeichnet
haben, in Streitfällen bei beiderseitigen gutem Willen eine Entscheidung durch den
ständigen Schiedsgerichtshof im Haag jederzeit herbeiführen können. So könnte man
die grassierende Neigung zum Abschluß von Schiedsgerichtsverträgen nur für ein
müßiges Werk, für eine wenig bedeutende Spielerei halten, wenn sich uicht aus der
Bewegung noch etwas andres ergäbe."

Man darf nicht vergessen, daß Deutschland sich "kühl bis ans Herz hinan
diesen Bestrebungen fern hält; daß Deutschland es war, das auf der Haager Kon¬
ferenz von einem Schiedsgerichtszwang auch uur für Bagatellsachen nichts wissen
wollte und damit die Pläne mehrerer andern Mächte zum Scheitern brachte.
Damals nahm Frankreich eine ganz ähnliche Stellung ein. Dann ist dort aber
ein Umschwung eingetreten, denn gerade Frankreich hat, angefeuert durch die un¬
ermüdliche Wirksamkeit des Barons D'Estonrnelles de Cvnstnnt, den Stein ins
Rollen gebracht. Ob von vornherein mit einem politischen Hintergedanken, wird
schwer zu erweisen sein; seitdem ist ein solcher aber in der Presse Frankreichs wie
andrer Länder ganz offen zutage getreten, und es springt in die Augen, daß der
hinter der Schiedsgerichtseinrichtung stehende Friedensgedanke hauptsächlich zum Deck¬
mantel für politische Bestrebungen benutzt wird. Darüber später mehr.

Für den ewigen Frieden können die Schiedsgerichtsverträge ja freilich an sich wenig
leisten; und daß z. B. Dänemark und Holland jemals gegeneinander mobil machen und
ihre Kriegsflotten in See stechen lassen sollten, ist nicht besonders wahrscheinlich.
Ebensowenig steht so etwas zwischen Italien und Argentinien zu befürchten.

Was nun die Schicdsgerichtsverträge zwischen den großen Staaten betrifft, so
ist der zwischen Frankreich und England'im Herbst 1903 abgeschlossene das Muster


Maßgebliches und Unmaßgebliches

der Gast des dortigen kommandierender Admirals war. Die Londoner „Truth"
hat über den Einblick, der dem Kaiser und seinem erlauchten Bruder überall ge¬
boten worden ist, sogar die Nase gerümpft und gemeint, in Deutschland werde man
einem hohen britischen Marineoffizier eine solche Einsicht nicht bieten. Die An¬
nahme ist völlig irrig und längst durch die Tat widerlegt. Ja, aber das englisch¬
französische Abkommen und Marokko! Das Abkommen beweist zunächst nur, daß
König Edward, ebenso wie er dem Bureukriege ein Ende gemacht hat, auch die
unnötigen Verstimmnngsursachen bei andern Nationen beseitigt wissen wollte, und
die Franzosen sind ihm darin um so mehr entgegen gekommen, als sie das Bündnis
mit Rußland, so sehr sie es als Dekorationsstück konservieren, doch kaum noch als
so wertvoll ansehen, als daß sie sich deshalb mit England überwerfen möchten.
Im Gegenteil weist sie die Entwicklung in Ostasien auf ein gutes Einvernehmen
mit England an, und damit ist England wiederum der Notwendigkeit enthoben,
Japan Bundeshilfe zu leisten. In Marokko hat England weit größere Handels-
interessen als wir, und wenn es dennoch Marokko dem französischen Einfluß über¬
läßt, ohne sich auch nur einen Hafen zu sichern, so beweist es damit nur, daß es
mit einer so fanatischen und kriegerischen Bevölkerung andre als Handelsberührungen
nicht zu haben wünscht. Im Berliner Auswärtigen Amt ist die marokkanische Frage
seit dreißig Jahren immer wieder eingehend erwogen worden, aber anch Bismarck
ist immer der Ansicht gewesen, daß wir die Finger nicht in diesen sehr heißen Topf
st *z» ecken sollen



Schiedsgerichtsvcrträge und kein Ende.

Es liegt eine seltsame Ironie
in der Tatsache, daß gerade am Vorabend blutiger Tage die Schiedsgerichtsvertrags¬
bewegung entstanden ist. Nicht daß sie — wie in folgendem gezeigt werden wird —
wirklich auf die Beseitigung irgend einer Kriegsgefahr hingearbeitet hätte: aber die
Friedensenthusiasten sahen schon in ihren optimistischen Träumen durch sie den Grund
zur Abschaffung aller Kriege gelegt.

Dabei sind diese zwischen einzelnen Staaten geschlossenen Schiedsgerichtsver-
trägc weder etwas ganz besondres noch etwas ganz neues! Sie sind in Artikel 19
der Haager Konvention vom 29. Juli 1899 schon vorgezeichnet, scheinen aber inso¬
weit wohl entbehrlich zu sein, als ja alle Mächte, die diese Konvention unterzeichnet
haben, in Streitfällen bei beiderseitigen gutem Willen eine Entscheidung durch den
ständigen Schiedsgerichtshof im Haag jederzeit herbeiführen können. So könnte man
die grassierende Neigung zum Abschluß von Schiedsgerichtsverträgen nur für ein
müßiges Werk, für eine wenig bedeutende Spielerei halten, wenn sich uicht aus der
Bewegung noch etwas andres ergäbe."

Man darf nicht vergessen, daß Deutschland sich „kühl bis ans Herz hinan
diesen Bestrebungen fern hält; daß Deutschland es war, das auf der Haager Kon¬
ferenz von einem Schiedsgerichtszwang auch uur für Bagatellsachen nichts wissen
wollte und damit die Pläne mehrerer andern Mächte zum Scheitern brachte.
Damals nahm Frankreich eine ganz ähnliche Stellung ein. Dann ist dort aber
ein Umschwung eingetreten, denn gerade Frankreich hat, angefeuert durch die un¬
ermüdliche Wirksamkeit des Barons D'Estonrnelles de Cvnstnnt, den Stein ins
Rollen gebracht. Ob von vornherein mit einem politischen Hintergedanken, wird
schwer zu erweisen sein; seitdem ist ein solcher aber in der Presse Frankreichs wie
andrer Länder ganz offen zutage getreten, und es springt in die Augen, daß der
hinter der Schiedsgerichtseinrichtung stehende Friedensgedanke hauptsächlich zum Deck¬
mantel für politische Bestrebungen benutzt wird. Darüber später mehr.

Für den ewigen Frieden können die Schiedsgerichtsverträge ja freilich an sich wenig
leisten; und daß z. B. Dänemark und Holland jemals gegeneinander mobil machen und
ihre Kriegsflotten in See stechen lassen sollten, ist nicht besonders wahrscheinlich.
Ebensowenig steht so etwas zwischen Italien und Argentinien zu befürchten.

Was nun die Schicdsgerichtsverträge zwischen den großen Staaten betrifft, so
ist der zwischen Frankreich und England'im Herbst 1903 abgeschlossene das Muster


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[0310] Maßgebliches und Unmaßgebliches der Gast des dortigen kommandierender Admirals war. Die Londoner „Truth" hat über den Einblick, der dem Kaiser und seinem erlauchten Bruder überall ge¬ boten worden ist, sogar die Nase gerümpft und gemeint, in Deutschland werde man einem hohen britischen Marineoffizier eine solche Einsicht nicht bieten. Die An¬ nahme ist völlig irrig und längst durch die Tat widerlegt. Ja, aber das englisch¬ französische Abkommen und Marokko! Das Abkommen beweist zunächst nur, daß König Edward, ebenso wie er dem Bureukriege ein Ende gemacht hat, auch die unnötigen Verstimmnngsursachen bei andern Nationen beseitigt wissen wollte, und die Franzosen sind ihm darin um so mehr entgegen gekommen, als sie das Bündnis mit Rußland, so sehr sie es als Dekorationsstück konservieren, doch kaum noch als so wertvoll ansehen, als daß sie sich deshalb mit England überwerfen möchten. Im Gegenteil weist sie die Entwicklung in Ostasien auf ein gutes Einvernehmen mit England an, und damit ist England wiederum der Notwendigkeit enthoben, Japan Bundeshilfe zu leisten. In Marokko hat England weit größere Handels- interessen als wir, und wenn es dennoch Marokko dem französischen Einfluß über¬ läßt, ohne sich auch nur einen Hafen zu sichern, so beweist es damit nur, daß es mit einer so fanatischen und kriegerischen Bevölkerung andre als Handelsberührungen nicht zu haben wünscht. Im Berliner Auswärtigen Amt ist die marokkanische Frage seit dreißig Jahren immer wieder eingehend erwogen worden, aber anch Bismarck ist immer der Ansicht gewesen, daß wir die Finger nicht in diesen sehr heißen Topf st *z» ecken sollen Schiedsgerichtsvcrträge und kein Ende. Es liegt eine seltsame Ironie in der Tatsache, daß gerade am Vorabend blutiger Tage die Schiedsgerichtsvertrags¬ bewegung entstanden ist. Nicht daß sie — wie in folgendem gezeigt werden wird — wirklich auf die Beseitigung irgend einer Kriegsgefahr hingearbeitet hätte: aber die Friedensenthusiasten sahen schon in ihren optimistischen Träumen durch sie den Grund zur Abschaffung aller Kriege gelegt. Dabei sind diese zwischen einzelnen Staaten geschlossenen Schiedsgerichtsver- trägc weder etwas ganz besondres noch etwas ganz neues! Sie sind in Artikel 19 der Haager Konvention vom 29. Juli 1899 schon vorgezeichnet, scheinen aber inso¬ weit wohl entbehrlich zu sein, als ja alle Mächte, die diese Konvention unterzeichnet haben, in Streitfällen bei beiderseitigen gutem Willen eine Entscheidung durch den ständigen Schiedsgerichtshof im Haag jederzeit herbeiführen können. So könnte man die grassierende Neigung zum Abschluß von Schiedsgerichtsverträgen nur für ein müßiges Werk, für eine wenig bedeutende Spielerei halten, wenn sich uicht aus der Bewegung noch etwas andres ergäbe." Man darf nicht vergessen, daß Deutschland sich „kühl bis ans Herz hinan diesen Bestrebungen fern hält; daß Deutschland es war, das auf der Haager Kon¬ ferenz von einem Schiedsgerichtszwang auch uur für Bagatellsachen nichts wissen wollte und damit die Pläne mehrerer andern Mächte zum Scheitern brachte. Damals nahm Frankreich eine ganz ähnliche Stellung ein. Dann ist dort aber ein Umschwung eingetreten, denn gerade Frankreich hat, angefeuert durch die un¬ ermüdliche Wirksamkeit des Barons D'Estonrnelles de Cvnstnnt, den Stein ins Rollen gebracht. Ob von vornherein mit einem politischen Hintergedanken, wird schwer zu erweisen sein; seitdem ist ein solcher aber in der Presse Frankreichs wie andrer Länder ganz offen zutage getreten, und es springt in die Augen, daß der hinter der Schiedsgerichtseinrichtung stehende Friedensgedanke hauptsächlich zum Deck¬ mantel für politische Bestrebungen benutzt wird. Darüber später mehr. Für den ewigen Frieden können die Schiedsgerichtsverträge ja freilich an sich wenig leisten; und daß z. B. Dänemark und Holland jemals gegeneinander mobil machen und ihre Kriegsflotten in See stechen lassen sollten, ist nicht besonders wahrscheinlich. Ebensowenig steht so etwas zwischen Italien und Argentinien zu befürchten. Was nun die Schicdsgerichtsverträge zwischen den großen Staaten betrifft, so ist der zwischen Frankreich und England'im Herbst 1903 abgeschlossene das Muster

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/310>, abgerufen am 13.11.2024.