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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Hauptstadt Rom dem Siege von sedem verdankt. Für das Königreich Italien
kann es sich nur darum handeln, das 1866 und 1870 Gewonnene zu erhalte",
zu befestigen und auszubauen; die Hand nach der Italm me-amo auszustrecken, wäre
auch mit einem französischen Bündnis ein gefährliches Wagnis. Die französische
Politik hat nach 1870 Italien gegenüber die verschiedensten Phasen durchgemacht,
auch in Zukunft wird in Paris nicht immer der Antiklerikalismus am Ruder sein.
Der wiederhergestellten guten Nachbarschaft froh, dürfte Italien dennoch eingedenk
bleiben, daß eine solche Nachbarschaft zwar angenehm, das schirmende Dach des
Dreibunds aber sichrer ist.

Freisinnige Blätter haben die Worte des Kaisers an den Oberbürgermeister
von Karlsruhe bemängelt. Sie haben dabei nußer acht gelassen, daß die Erwiderung
des Kaisers genau an die in der Presse allerdings wenig verbreitete Ansprache des
Karlsruher Stadthaupts anknüpfte. Die vom Kaiser geäußerte Hoffnung, daß
wir über den innern Parteihader hinwegkommen würden, entsprach dem Satz in
der Rede des Oberbürgermeisters! "Vor dem allen aber hat der leidenschaftliche
Streit der Parteien im Innern des Reichs nicht verstummen wollen." Was konnte
der Kaiser anders darauf erwidern als mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß es
gelingen werde, über den innern Parteihader hinwegzukommen? Man könnte fast
sagen, weniger war kaum möglich.

Der Oberbürgermeister hatte bedauert, daß vor dem großen Völkerkampf im
Osten und der traurigen Kunde aus unsern Kolonien der leidenschaftliche Streit
der Parteien nicht habe verstummen wollen. Was konnte der Kaiser anders ant¬
worten, als mit dem Ausdrucke der Zuversicht, daß unser Friede dadurch niemals
gestört werde, daß aber, falls dennoch die Notwendigkeit eines Eingreifens in die
Weltpolitik eintreten sollte, diese Notwendigkeit uns einheitlich finden möge. Bor
dem Worte "Weltpolitik" haben die freisinnigen Blätter eine Gänsehaut bekommen.
Als ob ein Krieg zwischen Rußland und Japan, von dessen Ausgang die gukuuft
Ostasiens und vielleicht eine ganz neue Gruppierung der Mächte abhängt, nicht
"Weltpolitik" wäre! Die Gefahr einer Beteiligung Chinas verbunden mit einem
neuen Aufstande gegen die Fremden liegt nahe genug, um drohenden Symptomen
in der einen wie in der andern Richtung fehlt es nicht. Das würde die neutralen
Mächte sofort zum Eingreifen nötigen. Der Kaiser ist anch hierin freilich weit¬
blickender als der Reichstag, der anch bei dieser Sachlage nicht umhin kann, un¬
geachtet der in Südwestafrika empfangner Lehren an unsrer ostasiatischen Brigade
hernmznstreichcn.

Auch in andrer Hinsicht hat die Kurzsichtigkeit eines Teils unsrer Presse so¬
eben eine Lehre empfangen. Die für jeden Verständigen ohne weiteres völlig un¬
glaubhaften Gerüchte von einer englischen Friedensintervention in Petersburg waren
von dem politisch durchaus bedeutungslosen Organ der dortigen jüdisch-polnischen
Kolonie, den "Nowosti," unter lebhaften Beifallsbezeugungen zu einer "Verstän¬
digung zwischen England und Rußland in allen Fragen," selbstverständlich mit
antideutscher Spitze, erweitert worden. Obwohl eine Anzahl Petersburger Blätter
sofort mit allem Nachdruck gegen diese,: "Unsinn" auftrat und ihn in die
politische Kinderstube verwies, hat das verschiedne deutsche und namentlich Berliner
Zeitungen "icht gehindert, im' Zusammenhange mit dem französischen Besuch in Rom
das patriotische Thema von der Isolierung Deutschlands, dem Fiasko der deutschen
Politik usw. nach allen Richtungen zu variieren. Nun ist die absurde Idee in
Rußland auch amtlich zurückgewiesen worden. Worin diese Isolierung Deutschlands
und das Fiasko der deutschen Politik eigentlich bestehn sollen, ist freilich schwer zu
ergründen. Der Dreibund besteht und muß doch wohl etwas wert sein, wenn die
Franzosen und ihnen befreundete slawische Richtungen sich so viel Mühe geben, ihn
zu zerstören. Zu Rußland stehn wir in sehr guten Beziehungen, und England hat
soeben unserm Kaiser in Gibraltar und in Malta, bei der Kanalflotte und bei der
Mittelmeerflotte auf Befehl des Königs Edward die höchsten Ehren und die
glänzendste Aufnahme erwiesen, während zugleich Prinz Heinrich in Portsmouth


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Hauptstadt Rom dem Siege von sedem verdankt. Für das Königreich Italien
kann es sich nur darum handeln, das 1866 und 1870 Gewonnene zu erhalte»,
zu befestigen und auszubauen; die Hand nach der Italm me-amo auszustrecken, wäre
auch mit einem französischen Bündnis ein gefährliches Wagnis. Die französische
Politik hat nach 1870 Italien gegenüber die verschiedensten Phasen durchgemacht,
auch in Zukunft wird in Paris nicht immer der Antiklerikalismus am Ruder sein.
Der wiederhergestellten guten Nachbarschaft froh, dürfte Italien dennoch eingedenk
bleiben, daß eine solche Nachbarschaft zwar angenehm, das schirmende Dach des
Dreibunds aber sichrer ist.

Freisinnige Blätter haben die Worte des Kaisers an den Oberbürgermeister
von Karlsruhe bemängelt. Sie haben dabei nußer acht gelassen, daß die Erwiderung
des Kaisers genau an die in der Presse allerdings wenig verbreitete Ansprache des
Karlsruher Stadthaupts anknüpfte. Die vom Kaiser geäußerte Hoffnung, daß
wir über den innern Parteihader hinwegkommen würden, entsprach dem Satz in
der Rede des Oberbürgermeisters! „Vor dem allen aber hat der leidenschaftliche
Streit der Parteien im Innern des Reichs nicht verstummen wollen." Was konnte
der Kaiser anders darauf erwidern als mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß es
gelingen werde, über den innern Parteihader hinwegzukommen? Man könnte fast
sagen, weniger war kaum möglich.

Der Oberbürgermeister hatte bedauert, daß vor dem großen Völkerkampf im
Osten und der traurigen Kunde aus unsern Kolonien der leidenschaftliche Streit
der Parteien nicht habe verstummen wollen. Was konnte der Kaiser anders ant¬
worten, als mit dem Ausdrucke der Zuversicht, daß unser Friede dadurch niemals
gestört werde, daß aber, falls dennoch die Notwendigkeit eines Eingreifens in die
Weltpolitik eintreten sollte, diese Notwendigkeit uns einheitlich finden möge. Bor
dem Worte „Weltpolitik" haben die freisinnigen Blätter eine Gänsehaut bekommen.
Als ob ein Krieg zwischen Rußland und Japan, von dessen Ausgang die gukuuft
Ostasiens und vielleicht eine ganz neue Gruppierung der Mächte abhängt, nicht
„Weltpolitik" wäre! Die Gefahr einer Beteiligung Chinas verbunden mit einem
neuen Aufstande gegen die Fremden liegt nahe genug, um drohenden Symptomen
in der einen wie in der andern Richtung fehlt es nicht. Das würde die neutralen
Mächte sofort zum Eingreifen nötigen. Der Kaiser ist anch hierin freilich weit¬
blickender als der Reichstag, der anch bei dieser Sachlage nicht umhin kann, un¬
geachtet der in Südwestafrika empfangner Lehren an unsrer ostasiatischen Brigade
hernmznstreichcn.

Auch in andrer Hinsicht hat die Kurzsichtigkeit eines Teils unsrer Presse so¬
eben eine Lehre empfangen. Die für jeden Verständigen ohne weiteres völlig un¬
glaubhaften Gerüchte von einer englischen Friedensintervention in Petersburg waren
von dem politisch durchaus bedeutungslosen Organ der dortigen jüdisch-polnischen
Kolonie, den „Nowosti," unter lebhaften Beifallsbezeugungen zu einer „Verstän¬
digung zwischen England und Rußland in allen Fragen," selbstverständlich mit
antideutscher Spitze, erweitert worden. Obwohl eine Anzahl Petersburger Blätter
sofort mit allem Nachdruck gegen diese,: „Unsinn" auftrat und ihn in die
politische Kinderstube verwies, hat das verschiedne deutsche und namentlich Berliner
Zeitungen «icht gehindert, im' Zusammenhange mit dem französischen Besuch in Rom
das patriotische Thema von der Isolierung Deutschlands, dem Fiasko der deutschen
Politik usw. nach allen Richtungen zu variieren. Nun ist die absurde Idee in
Rußland auch amtlich zurückgewiesen worden. Worin diese Isolierung Deutschlands
und das Fiasko der deutschen Politik eigentlich bestehn sollen, ist freilich schwer zu
ergründen. Der Dreibund besteht und muß doch wohl etwas wert sein, wenn die
Franzosen und ihnen befreundete slawische Richtungen sich so viel Mühe geben, ihn
zu zerstören. Zu Rußland stehn wir in sehr guten Beziehungen, und England hat
soeben unserm Kaiser in Gibraltar und in Malta, bei der Kanalflotte und bei der
Mittelmeerflotte auf Befehl des Königs Edward die höchsten Ehren und die
glänzendste Aufnahme erwiesen, während zugleich Prinz Heinrich in Portsmouth


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[0309] Maßgebliches und Unmaßgebliches Hauptstadt Rom dem Siege von sedem verdankt. Für das Königreich Italien kann es sich nur darum handeln, das 1866 und 1870 Gewonnene zu erhalte», zu befestigen und auszubauen; die Hand nach der Italm me-amo auszustrecken, wäre auch mit einem französischen Bündnis ein gefährliches Wagnis. Die französische Politik hat nach 1870 Italien gegenüber die verschiedensten Phasen durchgemacht, auch in Zukunft wird in Paris nicht immer der Antiklerikalismus am Ruder sein. Der wiederhergestellten guten Nachbarschaft froh, dürfte Italien dennoch eingedenk bleiben, daß eine solche Nachbarschaft zwar angenehm, das schirmende Dach des Dreibunds aber sichrer ist. Freisinnige Blätter haben die Worte des Kaisers an den Oberbürgermeister von Karlsruhe bemängelt. Sie haben dabei nußer acht gelassen, daß die Erwiderung des Kaisers genau an die in der Presse allerdings wenig verbreitete Ansprache des Karlsruher Stadthaupts anknüpfte. Die vom Kaiser geäußerte Hoffnung, daß wir über den innern Parteihader hinwegkommen würden, entsprach dem Satz in der Rede des Oberbürgermeisters! „Vor dem allen aber hat der leidenschaftliche Streit der Parteien im Innern des Reichs nicht verstummen wollen." Was konnte der Kaiser anders darauf erwidern als mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß es gelingen werde, über den innern Parteihader hinwegzukommen? Man könnte fast sagen, weniger war kaum möglich. Der Oberbürgermeister hatte bedauert, daß vor dem großen Völkerkampf im Osten und der traurigen Kunde aus unsern Kolonien der leidenschaftliche Streit der Parteien nicht habe verstummen wollen. Was konnte der Kaiser anders ant¬ worten, als mit dem Ausdrucke der Zuversicht, daß unser Friede dadurch niemals gestört werde, daß aber, falls dennoch die Notwendigkeit eines Eingreifens in die Weltpolitik eintreten sollte, diese Notwendigkeit uns einheitlich finden möge. Bor dem Worte „Weltpolitik" haben die freisinnigen Blätter eine Gänsehaut bekommen. Als ob ein Krieg zwischen Rußland und Japan, von dessen Ausgang die gukuuft Ostasiens und vielleicht eine ganz neue Gruppierung der Mächte abhängt, nicht „Weltpolitik" wäre! Die Gefahr einer Beteiligung Chinas verbunden mit einem neuen Aufstande gegen die Fremden liegt nahe genug, um drohenden Symptomen in der einen wie in der andern Richtung fehlt es nicht. Das würde die neutralen Mächte sofort zum Eingreifen nötigen. Der Kaiser ist anch hierin freilich weit¬ blickender als der Reichstag, der anch bei dieser Sachlage nicht umhin kann, un¬ geachtet der in Südwestafrika empfangner Lehren an unsrer ostasiatischen Brigade hernmznstreichcn. Auch in andrer Hinsicht hat die Kurzsichtigkeit eines Teils unsrer Presse so¬ eben eine Lehre empfangen. Die für jeden Verständigen ohne weiteres völlig un¬ glaubhaften Gerüchte von einer englischen Friedensintervention in Petersburg waren von dem politisch durchaus bedeutungslosen Organ der dortigen jüdisch-polnischen Kolonie, den „Nowosti," unter lebhaften Beifallsbezeugungen zu einer „Verstän¬ digung zwischen England und Rußland in allen Fragen," selbstverständlich mit antideutscher Spitze, erweitert worden. Obwohl eine Anzahl Petersburger Blätter sofort mit allem Nachdruck gegen diese,: „Unsinn" auftrat und ihn in die politische Kinderstube verwies, hat das verschiedne deutsche und namentlich Berliner Zeitungen «icht gehindert, im' Zusammenhange mit dem französischen Besuch in Rom das patriotische Thema von der Isolierung Deutschlands, dem Fiasko der deutschen Politik usw. nach allen Richtungen zu variieren. Nun ist die absurde Idee in Rußland auch amtlich zurückgewiesen worden. Worin diese Isolierung Deutschlands und das Fiasko der deutschen Politik eigentlich bestehn sollen, ist freilich schwer zu ergründen. Der Dreibund besteht und muß doch wohl etwas wert sein, wenn die Franzosen und ihnen befreundete slawische Richtungen sich so viel Mühe geben, ihn zu zerstören. Zu Rußland stehn wir in sehr guten Beziehungen, und England hat soeben unserm Kaiser in Gibraltar und in Malta, bei der Kanalflotte und bei der Mittelmeerflotte auf Befehl des Königs Edward die höchsten Ehren und die glänzendste Aufnahme erwiesen, während zugleich Prinz Heinrich in Portsmouth

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/309>, abgerufen am 25.07.2024.