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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

äußere Gerippe gewähre, gelegt werde." In bezug auf den ersten Punkt sei
darauf hingewiesen, daß der historische Unterricht in den Gymnasien beider Arten
ziemlich übereinstimmend geordnet ist, und daß die Nealgymnasiasteu zum Verständnis
der doch nicht ganz unwichtigen französischen und englischen Geschichte eine aus¬
gedehntere Kenntnis der Sprachen beider Völker mitbringen, während den meisten
Schülern des humanistischen Gymnasiums das Englische ganz fehlt. Was die
zweite Behauptung betrifft, so müssen die humanistischen Gymnasien eine solche
ganz allgemein ausgesprochne schwere Beschuldigung auf das entschiedenste zurück¬
weisen. Dr. Wach ist in dieser Frage nicht kompetent, er hat sicherlich niemals
etwa als Kommissar bei einer Reifeprüfung die Ergebnisse des historischen Unter¬
richts auf einem Gymnasium kennen gelernt. Aber über interne Schnlfragen ein
begründetes Urteil abzugeben, dazu hält sich auch ohne genauere Kenntnis jeder
Gebildete befugt. Offenbar liegt hier eine unzulässige Generalisierung vereinzelter
Wahrnehmungen bei juristischen Staatsprüfungen vor. Nun, wenn sich ein swä. Mi-,
drei bis vier Jahre lang niemals wieder mit Geschichte beschäftigt und niemals
ein historisches Kolleg gehört, vielleicht gar einige Semester beim Korps ver¬
bummelt und dann das Nötigste für die Prüfung mit Hilfe eines Repetenten "ein¬
gepaukt" hat, dann werden sich seine vielleicht durch seine eigne Schuld ohnehin
schwachen historischen Kenntnisse, die er vom Gymnasium mitgebracht hat, wahr¬
scheinlich ziemlich verflüchtigt haben. Nur ist daran nicht seine Schule schuld, und
ein Professor der Mathematik, der etwa einen Philologen nach vierjährigen Studium
seines Faches in Mathematik prüfen wollte, der würde in den meisten Fällen
mindestens dieselbe trübe Erfahrung machen wie sein juristischer Kollege mit
historischen Fragen. Überhaupt kann die höhere Schule ganz unmöglich für alles auf¬
kommen, was die einzelnen Fakultäten "voraussehen" zu müssen glauben. Der
gute Rat nun gar, mehr "Zahlenwerk" einzupauken, den müssen die Gymnasinl-
historiker ablehnen, denn sie müßten danach den historischen Unterricht des Gym-
uasius auf eine längst überwundne niedrige Stufe zurückschrauben, und seit wann
besteht denn die historische Bildung in Namen und Zahlen? Erfreulicherweise
fanden denn auch diese Ausführungen Dr. Wachs beim Dresdner Oberbürger¬
meister Beutler entschiednen und begründeten Widerspruch, denn dieser kennt schon
als Vorstand einer Patronatsbehörde die Zustände aus eigner Erfahrung. Daß
unter den Mitgliedern der Ersten Kammer kein Schulmann von Beruf sitzt,
während doch die Universität und die Landeskirche vertreten sind, trat trotzdem bei
der ganzen Debatte wieder in bedauerlicher Weise hervor.

Daß das humanistische Gymnasium für Juristen die geeignetere Vorbildung
biete, wurde mehrfach ausgesprochen, und daran hält man auch in Preußen be¬
kanntlich fest. Aber dasselbe könnte man auch von dem Realgymnasium in bezug
auf die neuern Sprachen, Mathematik und Naturwissenschaften sagen, und doch ist
den Gymnasialabiturienten der unbeschränkte Zutritt auch zu diesen Studien
sowohl auf der Universität als auf der technischen Hochschule immer offen geblieben.
Seit einigen Jahren ist ja auch umgekehrt das medizinische Studium den Real¬
gymnasiasten im ganzen Reiche zugänglich geworden. Natürlich muß der Staat
für geeignete Bildungsanstalten sorgen; aber er soll bei den Staatsprüfungen
weniger danach fragen, welchen Weg der einzelne zurückgelegt hat, als danach,
ob er die geforderte Bildung nachweisen kann. Erfahrungsgemäß sind es nicht
die schlechtesten Leute, die nicht den gewöhnlichen Weg zum Ziele einschlagen.
Daß dann die Professoren Leute von verschiedner Vorbildung vor sich haben, läßt
sich eben nicht vermeiden; damit werden sich die Juristen ebensogut abfinden müssen,
wie es die Neusprachler. Mathematiker, Naturwisseuschafter und Mediziner längst tun.
Daraus folgt schon theoretisch die Notwendigkeit, die Realgymnasiasten allgemein
zum juristischen Studium zuzulassen. Sie ist aber auch Praktisch vorhanden. Die
Fortdauer ihrer Ausschließung in Sachsen ist ein Unrecht gegen die eignen Landes¬
kinder, und sie ist gegenüber dem, was nun schon in wenigstens zwei Dritteln von


Grenzboten II 1904 I2
Maßgebliches und Unmaßgebliches

äußere Gerippe gewähre, gelegt werde." In bezug auf den ersten Punkt sei
darauf hingewiesen, daß der historische Unterricht in den Gymnasien beider Arten
ziemlich übereinstimmend geordnet ist, und daß die Nealgymnasiasteu zum Verständnis
der doch nicht ganz unwichtigen französischen und englischen Geschichte eine aus¬
gedehntere Kenntnis der Sprachen beider Völker mitbringen, während den meisten
Schülern des humanistischen Gymnasiums das Englische ganz fehlt. Was die
zweite Behauptung betrifft, so müssen die humanistischen Gymnasien eine solche
ganz allgemein ausgesprochne schwere Beschuldigung auf das entschiedenste zurück¬
weisen. Dr. Wach ist in dieser Frage nicht kompetent, er hat sicherlich niemals
etwa als Kommissar bei einer Reifeprüfung die Ergebnisse des historischen Unter¬
richts auf einem Gymnasium kennen gelernt. Aber über interne Schnlfragen ein
begründetes Urteil abzugeben, dazu hält sich auch ohne genauere Kenntnis jeder
Gebildete befugt. Offenbar liegt hier eine unzulässige Generalisierung vereinzelter
Wahrnehmungen bei juristischen Staatsprüfungen vor. Nun, wenn sich ein swä. Mi-,
drei bis vier Jahre lang niemals wieder mit Geschichte beschäftigt und niemals
ein historisches Kolleg gehört, vielleicht gar einige Semester beim Korps ver¬
bummelt und dann das Nötigste für die Prüfung mit Hilfe eines Repetenten „ein¬
gepaukt" hat, dann werden sich seine vielleicht durch seine eigne Schuld ohnehin
schwachen historischen Kenntnisse, die er vom Gymnasium mitgebracht hat, wahr¬
scheinlich ziemlich verflüchtigt haben. Nur ist daran nicht seine Schule schuld, und
ein Professor der Mathematik, der etwa einen Philologen nach vierjährigen Studium
seines Faches in Mathematik prüfen wollte, der würde in den meisten Fällen
mindestens dieselbe trübe Erfahrung machen wie sein juristischer Kollege mit
historischen Fragen. Überhaupt kann die höhere Schule ganz unmöglich für alles auf¬
kommen, was die einzelnen Fakultäten „voraussehen" zu müssen glauben. Der
gute Rat nun gar, mehr „Zahlenwerk" einzupauken, den müssen die Gymnasinl-
historiker ablehnen, denn sie müßten danach den historischen Unterricht des Gym-
uasius auf eine längst überwundne niedrige Stufe zurückschrauben, und seit wann
besteht denn die historische Bildung in Namen und Zahlen? Erfreulicherweise
fanden denn auch diese Ausführungen Dr. Wachs beim Dresdner Oberbürger¬
meister Beutler entschiednen und begründeten Widerspruch, denn dieser kennt schon
als Vorstand einer Patronatsbehörde die Zustände aus eigner Erfahrung. Daß
unter den Mitgliedern der Ersten Kammer kein Schulmann von Beruf sitzt,
während doch die Universität und die Landeskirche vertreten sind, trat trotzdem bei
der ganzen Debatte wieder in bedauerlicher Weise hervor.

Daß das humanistische Gymnasium für Juristen die geeignetere Vorbildung
biete, wurde mehrfach ausgesprochen, und daran hält man auch in Preußen be¬
kanntlich fest. Aber dasselbe könnte man auch von dem Realgymnasium in bezug
auf die neuern Sprachen, Mathematik und Naturwissenschaften sagen, und doch ist
den Gymnasialabiturienten der unbeschränkte Zutritt auch zu diesen Studien
sowohl auf der Universität als auf der technischen Hochschule immer offen geblieben.
Seit einigen Jahren ist ja auch umgekehrt das medizinische Studium den Real¬
gymnasiasten im ganzen Reiche zugänglich geworden. Natürlich muß der Staat
für geeignete Bildungsanstalten sorgen; aber er soll bei den Staatsprüfungen
weniger danach fragen, welchen Weg der einzelne zurückgelegt hat, als danach,
ob er die geforderte Bildung nachweisen kann. Erfahrungsgemäß sind es nicht
die schlechtesten Leute, die nicht den gewöhnlichen Weg zum Ziele einschlagen.
Daß dann die Professoren Leute von verschiedner Vorbildung vor sich haben, läßt
sich eben nicht vermeiden; damit werden sich die Juristen ebensogut abfinden müssen,
wie es die Neusprachler. Mathematiker, Naturwisseuschafter und Mediziner längst tun.
Daraus folgt schon theoretisch die Notwendigkeit, die Realgymnasiasten allgemein
zum juristischen Studium zuzulassen. Sie ist aber auch Praktisch vorhanden. Die
Fortdauer ihrer Ausschließung in Sachsen ist ein Unrecht gegen die eignen Landes¬
kinder, und sie ist gegenüber dem, was nun schon in wenigstens zwei Dritteln von


Grenzboten II 1904 I2
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[0247] Maßgebliches und Unmaßgebliches äußere Gerippe gewähre, gelegt werde." In bezug auf den ersten Punkt sei darauf hingewiesen, daß der historische Unterricht in den Gymnasien beider Arten ziemlich übereinstimmend geordnet ist, und daß die Nealgymnasiasteu zum Verständnis der doch nicht ganz unwichtigen französischen und englischen Geschichte eine aus¬ gedehntere Kenntnis der Sprachen beider Völker mitbringen, während den meisten Schülern des humanistischen Gymnasiums das Englische ganz fehlt. Was die zweite Behauptung betrifft, so müssen die humanistischen Gymnasien eine solche ganz allgemein ausgesprochne schwere Beschuldigung auf das entschiedenste zurück¬ weisen. Dr. Wach ist in dieser Frage nicht kompetent, er hat sicherlich niemals etwa als Kommissar bei einer Reifeprüfung die Ergebnisse des historischen Unter¬ richts auf einem Gymnasium kennen gelernt. Aber über interne Schnlfragen ein begründetes Urteil abzugeben, dazu hält sich auch ohne genauere Kenntnis jeder Gebildete befugt. Offenbar liegt hier eine unzulässige Generalisierung vereinzelter Wahrnehmungen bei juristischen Staatsprüfungen vor. Nun, wenn sich ein swä. Mi-, drei bis vier Jahre lang niemals wieder mit Geschichte beschäftigt und niemals ein historisches Kolleg gehört, vielleicht gar einige Semester beim Korps ver¬ bummelt und dann das Nötigste für die Prüfung mit Hilfe eines Repetenten „ein¬ gepaukt" hat, dann werden sich seine vielleicht durch seine eigne Schuld ohnehin schwachen historischen Kenntnisse, die er vom Gymnasium mitgebracht hat, wahr¬ scheinlich ziemlich verflüchtigt haben. Nur ist daran nicht seine Schule schuld, und ein Professor der Mathematik, der etwa einen Philologen nach vierjährigen Studium seines Faches in Mathematik prüfen wollte, der würde in den meisten Fällen mindestens dieselbe trübe Erfahrung machen wie sein juristischer Kollege mit historischen Fragen. Überhaupt kann die höhere Schule ganz unmöglich für alles auf¬ kommen, was die einzelnen Fakultäten „voraussehen" zu müssen glauben. Der gute Rat nun gar, mehr „Zahlenwerk" einzupauken, den müssen die Gymnasinl- historiker ablehnen, denn sie müßten danach den historischen Unterricht des Gym- uasius auf eine längst überwundne niedrige Stufe zurückschrauben, und seit wann besteht denn die historische Bildung in Namen und Zahlen? Erfreulicherweise fanden denn auch diese Ausführungen Dr. Wachs beim Dresdner Oberbürger¬ meister Beutler entschiednen und begründeten Widerspruch, denn dieser kennt schon als Vorstand einer Patronatsbehörde die Zustände aus eigner Erfahrung. Daß unter den Mitgliedern der Ersten Kammer kein Schulmann von Beruf sitzt, während doch die Universität und die Landeskirche vertreten sind, trat trotzdem bei der ganzen Debatte wieder in bedauerlicher Weise hervor. Daß das humanistische Gymnasium für Juristen die geeignetere Vorbildung biete, wurde mehrfach ausgesprochen, und daran hält man auch in Preußen be¬ kanntlich fest. Aber dasselbe könnte man auch von dem Realgymnasium in bezug auf die neuern Sprachen, Mathematik und Naturwissenschaften sagen, und doch ist den Gymnasialabiturienten der unbeschränkte Zutritt auch zu diesen Studien sowohl auf der Universität als auf der technischen Hochschule immer offen geblieben. Seit einigen Jahren ist ja auch umgekehrt das medizinische Studium den Real¬ gymnasiasten im ganzen Reiche zugänglich geworden. Natürlich muß der Staat für geeignete Bildungsanstalten sorgen; aber er soll bei den Staatsprüfungen weniger danach fragen, welchen Weg der einzelne zurückgelegt hat, als danach, ob er die geforderte Bildung nachweisen kann. Erfahrungsgemäß sind es nicht die schlechtesten Leute, die nicht den gewöhnlichen Weg zum Ziele einschlagen. Daß dann die Professoren Leute von verschiedner Vorbildung vor sich haben, läßt sich eben nicht vermeiden; damit werden sich die Juristen ebensogut abfinden müssen, wie es die Neusprachler. Mathematiker, Naturwisseuschafter und Mediziner längst tun. Daraus folgt schon theoretisch die Notwendigkeit, die Realgymnasiasten allgemein zum juristischen Studium zuzulassen. Sie ist aber auch Praktisch vorhanden. Die Fortdauer ihrer Ausschließung in Sachsen ist ein Unrecht gegen die eignen Landes¬ kinder, und sie ist gegenüber dem, was nun schon in wenigstens zwei Dritteln von Grenzboten II 1904 I2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/247>, abgerufen am 25.07.2024.