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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Line Trojafahrt

und begünstigten die Nachfolgerin ihrer vermeintlichen Mutterstadt ans jede Weise;
Cäsar, Augustus und Konstantin gingen sogar mit dem Plan um, ihre Residenz
nach Ilion zu verlegen. Auch die Neuzeit zweifelte nicht an der Identität von
Hissarlik und Alttroja, bis Lechevalier, der 1785 und 1786 die Landschaft Troas
bereiste, plötzlich den etwa drei Stunden weiter im Innern liegenden Berg Bcilidagh
bei dem Dorfe Bunarbaschi für die Stätte des homerischen Trojas erklärte. Der
Grund für diese Behauptung war ein ganz seltsamer. Bei diesem Dorfe entspringen
nämlich vierzig sogenannte Quellen, in Wirklichkeit ist es nur Skamanderwasser; eine
von diesen fand nun der genannte Gelehrte, der ihre Temperatur maß, in seinem
Eifer lauwarm. Da nun Homer eine warme und eine kalte Skamanderquelle vor den
Toren Trojas erwähnt, da sich ferner oben auf dem Balidagh einiges Mauerwerk
fand, so war die Hypothese fertig, daß Troja auf dem Balidagh bei Bunarbaschi
gelegen habe.

Es ist nur wunderbar, daß diese rasch geschmiedete Vermutung alsbald von
den Gelehrten für eine unumstößliche Gewißheit angesehen wurde, daß sogar
Männer wie Curtius, Kiepert, Moltke ohne weiteres daran, glaubten. Moltke
ließ sich dabei, wie er in den Reisebriefen aus der Türkei schreibt, von seinem
"militärischen Instinkt an den Ort leiten, wo man sich anbauen würde, wenn es
gälte, eine unersteigbare Burg zu gründen." Aber das galt es gar nicht. Auf
die Unersteigbarkeit kam es den Erbauern der Königsburgen aus der sogenannten
mykenischen Zeit gar nicht so sehr an. Mäßig hohe Hügel genügten ihrem Sicher¬
heitsbedürfnis vollkommen, wie die Burgen von Tiryns und Mykenä zeigen; denn
sie durften getrost auf die Stärke und Höhe ihrer unersteiglichen Mauern rechnen.
Viel wichtiger war ihnen die beherrschende Lage über einer Fruchtebne oder in der
Nähe des Meeres. Eine solche hat aber Hissarlik in hohem Maße. Es liegt nämlich
unmittelbar über der Ebne und etwa sechs Kilometer von der großen Seehandels¬
straße des Hellespont, während der Balidagh im Berglande liegt und vom Hellespont
wenigstens fünfzehn Kilometer entfernt ist, und zwar muß man ziemlich mühsam
Hügelauf und hügelab reiten, um auf seinen Gipfel zu gelangen. Das alte Troja
verdankt aber seineu Reichtum besonders der Seefahrt und dem Seeraub, wie die
Geschichte der Entführung der Helena und der Schätze des Menelaos durch Paris
beweist. Das Entscheidende aber ist, daß sich die lokalen Verhältnisse bei Bunarbaschi
mit den in der Ilias geschilderten schlechterdings nicht vereinigen lassen, die von
Hissarlik dagegen vortrefflich. Sogar eine Quelle hat sich in der Nähe des Haupt¬
tores der Burganlage von Hissarlik wiedergefunden. Da nun die ganze Troas
vulkanisch ist und noch jetzt warme Quellen hat, die aber mit der Zeit kalt zu
werden Pflegen, so ist sehr wohl möglich, daß es hier neben der kalten ursprünglich
eine warme gegeben hat. Damit ist auch die Veranlassung zur Bunnrbaschihypothese
beseitigt.

Uns erscheint es fast unbegreiflich, daß sie je einen so starken Anklang hat
finden können. Tatsächlich herrschte sie aber, als Schliemann im Jahre 1868 zum
erstenmal nach Troja kam, so allgemein, daß sie kaum uoch als Hypothese galt,
und es war ein wahres Glück, daß Schliemann gleich von vornherein auf den
richtigen Gedanken gebracht wurde. Hätte er auf dem Balidagh bei Bnnarbnschi den
Spaten angesetzt, so wären seine Bemühungen und Opfer vergeblich geblieben,
und er hätte vielleicht zu allen weitern Grabungen den Mut verloren. Nun aber
überzeugte ihn ein in der Dardancllenstadt ansässiger Engländer namens Calvert
-- übrigens lernten wir ihn persönlich kennen; er aß einmal mit uns --, dem
damals das Terrain von Hissarlik gehörte, daß die Alten Recht hätten, nicht die
Neuen, daß Troja ans Hissarlik und nicht bei Bunarbaschi gelegen haben müsse.
Von dieser Überzeugung durchdrungen ging Schliemann dann, allen Schwierigkeiten
trotzend, mit seiner tapfern Gattin, einer gebildeten und energischen Griechin, gemein¬
sam ans Werk. Im April 1870 setzte er zum erstenmal, im Sommer 1890 zum
letztenmal den Spaten an, in der Zwischenzeit aber war er von seinen übrigen Ans-


Line Trojafahrt

und begünstigten die Nachfolgerin ihrer vermeintlichen Mutterstadt ans jede Weise;
Cäsar, Augustus und Konstantin gingen sogar mit dem Plan um, ihre Residenz
nach Ilion zu verlegen. Auch die Neuzeit zweifelte nicht an der Identität von
Hissarlik und Alttroja, bis Lechevalier, der 1785 und 1786 die Landschaft Troas
bereiste, plötzlich den etwa drei Stunden weiter im Innern liegenden Berg Bcilidagh
bei dem Dorfe Bunarbaschi für die Stätte des homerischen Trojas erklärte. Der
Grund für diese Behauptung war ein ganz seltsamer. Bei diesem Dorfe entspringen
nämlich vierzig sogenannte Quellen, in Wirklichkeit ist es nur Skamanderwasser; eine
von diesen fand nun der genannte Gelehrte, der ihre Temperatur maß, in seinem
Eifer lauwarm. Da nun Homer eine warme und eine kalte Skamanderquelle vor den
Toren Trojas erwähnt, da sich ferner oben auf dem Balidagh einiges Mauerwerk
fand, so war die Hypothese fertig, daß Troja auf dem Balidagh bei Bunarbaschi
gelegen habe.

Es ist nur wunderbar, daß diese rasch geschmiedete Vermutung alsbald von
den Gelehrten für eine unumstößliche Gewißheit angesehen wurde, daß sogar
Männer wie Curtius, Kiepert, Moltke ohne weiteres daran, glaubten. Moltke
ließ sich dabei, wie er in den Reisebriefen aus der Türkei schreibt, von seinem
„militärischen Instinkt an den Ort leiten, wo man sich anbauen würde, wenn es
gälte, eine unersteigbare Burg zu gründen." Aber das galt es gar nicht. Auf
die Unersteigbarkeit kam es den Erbauern der Königsburgen aus der sogenannten
mykenischen Zeit gar nicht so sehr an. Mäßig hohe Hügel genügten ihrem Sicher¬
heitsbedürfnis vollkommen, wie die Burgen von Tiryns und Mykenä zeigen; denn
sie durften getrost auf die Stärke und Höhe ihrer unersteiglichen Mauern rechnen.
Viel wichtiger war ihnen die beherrschende Lage über einer Fruchtebne oder in der
Nähe des Meeres. Eine solche hat aber Hissarlik in hohem Maße. Es liegt nämlich
unmittelbar über der Ebne und etwa sechs Kilometer von der großen Seehandels¬
straße des Hellespont, während der Balidagh im Berglande liegt und vom Hellespont
wenigstens fünfzehn Kilometer entfernt ist, und zwar muß man ziemlich mühsam
Hügelauf und hügelab reiten, um auf seinen Gipfel zu gelangen. Das alte Troja
verdankt aber seineu Reichtum besonders der Seefahrt und dem Seeraub, wie die
Geschichte der Entführung der Helena und der Schätze des Menelaos durch Paris
beweist. Das Entscheidende aber ist, daß sich die lokalen Verhältnisse bei Bunarbaschi
mit den in der Ilias geschilderten schlechterdings nicht vereinigen lassen, die von
Hissarlik dagegen vortrefflich. Sogar eine Quelle hat sich in der Nähe des Haupt¬
tores der Burganlage von Hissarlik wiedergefunden. Da nun die ganze Troas
vulkanisch ist und noch jetzt warme Quellen hat, die aber mit der Zeit kalt zu
werden Pflegen, so ist sehr wohl möglich, daß es hier neben der kalten ursprünglich
eine warme gegeben hat. Damit ist auch die Veranlassung zur Bunnrbaschihypothese
beseitigt.

Uns erscheint es fast unbegreiflich, daß sie je einen so starken Anklang hat
finden können. Tatsächlich herrschte sie aber, als Schliemann im Jahre 1868 zum
erstenmal nach Troja kam, so allgemein, daß sie kaum uoch als Hypothese galt,
und es war ein wahres Glück, daß Schliemann gleich von vornherein auf den
richtigen Gedanken gebracht wurde. Hätte er auf dem Balidagh bei Bnnarbnschi den
Spaten angesetzt, so wären seine Bemühungen und Opfer vergeblich geblieben,
und er hätte vielleicht zu allen weitern Grabungen den Mut verloren. Nun aber
überzeugte ihn ein in der Dardancllenstadt ansässiger Engländer namens Calvert
— übrigens lernten wir ihn persönlich kennen; er aß einmal mit uns —, dem
damals das Terrain von Hissarlik gehörte, daß die Alten Recht hätten, nicht die
Neuen, daß Troja ans Hissarlik und nicht bei Bunarbaschi gelegen haben müsse.
Von dieser Überzeugung durchdrungen ging Schliemann dann, allen Schwierigkeiten
trotzend, mit seiner tapfern Gattin, einer gebildeten und energischen Griechin, gemein¬
sam ans Werk. Im April 1870 setzte er zum erstenmal, im Sommer 1890 zum
letztenmal den Spaten an, in der Zwischenzeit aber war er von seinen übrigen Ans-


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[0228] Line Trojafahrt und begünstigten die Nachfolgerin ihrer vermeintlichen Mutterstadt ans jede Weise; Cäsar, Augustus und Konstantin gingen sogar mit dem Plan um, ihre Residenz nach Ilion zu verlegen. Auch die Neuzeit zweifelte nicht an der Identität von Hissarlik und Alttroja, bis Lechevalier, der 1785 und 1786 die Landschaft Troas bereiste, plötzlich den etwa drei Stunden weiter im Innern liegenden Berg Bcilidagh bei dem Dorfe Bunarbaschi für die Stätte des homerischen Trojas erklärte. Der Grund für diese Behauptung war ein ganz seltsamer. Bei diesem Dorfe entspringen nämlich vierzig sogenannte Quellen, in Wirklichkeit ist es nur Skamanderwasser; eine von diesen fand nun der genannte Gelehrte, der ihre Temperatur maß, in seinem Eifer lauwarm. Da nun Homer eine warme und eine kalte Skamanderquelle vor den Toren Trojas erwähnt, da sich ferner oben auf dem Balidagh einiges Mauerwerk fand, so war die Hypothese fertig, daß Troja auf dem Balidagh bei Bunarbaschi gelegen habe. Es ist nur wunderbar, daß diese rasch geschmiedete Vermutung alsbald von den Gelehrten für eine unumstößliche Gewißheit angesehen wurde, daß sogar Männer wie Curtius, Kiepert, Moltke ohne weiteres daran, glaubten. Moltke ließ sich dabei, wie er in den Reisebriefen aus der Türkei schreibt, von seinem „militärischen Instinkt an den Ort leiten, wo man sich anbauen würde, wenn es gälte, eine unersteigbare Burg zu gründen." Aber das galt es gar nicht. Auf die Unersteigbarkeit kam es den Erbauern der Königsburgen aus der sogenannten mykenischen Zeit gar nicht so sehr an. Mäßig hohe Hügel genügten ihrem Sicher¬ heitsbedürfnis vollkommen, wie die Burgen von Tiryns und Mykenä zeigen; denn sie durften getrost auf die Stärke und Höhe ihrer unersteiglichen Mauern rechnen. Viel wichtiger war ihnen die beherrschende Lage über einer Fruchtebne oder in der Nähe des Meeres. Eine solche hat aber Hissarlik in hohem Maße. Es liegt nämlich unmittelbar über der Ebne und etwa sechs Kilometer von der großen Seehandels¬ straße des Hellespont, während der Balidagh im Berglande liegt und vom Hellespont wenigstens fünfzehn Kilometer entfernt ist, und zwar muß man ziemlich mühsam Hügelauf und hügelab reiten, um auf seinen Gipfel zu gelangen. Das alte Troja verdankt aber seineu Reichtum besonders der Seefahrt und dem Seeraub, wie die Geschichte der Entführung der Helena und der Schätze des Menelaos durch Paris beweist. Das Entscheidende aber ist, daß sich die lokalen Verhältnisse bei Bunarbaschi mit den in der Ilias geschilderten schlechterdings nicht vereinigen lassen, die von Hissarlik dagegen vortrefflich. Sogar eine Quelle hat sich in der Nähe des Haupt¬ tores der Burganlage von Hissarlik wiedergefunden. Da nun die ganze Troas vulkanisch ist und noch jetzt warme Quellen hat, die aber mit der Zeit kalt zu werden Pflegen, so ist sehr wohl möglich, daß es hier neben der kalten ursprünglich eine warme gegeben hat. Damit ist auch die Veranlassung zur Bunnrbaschihypothese beseitigt. Uns erscheint es fast unbegreiflich, daß sie je einen so starken Anklang hat finden können. Tatsächlich herrschte sie aber, als Schliemann im Jahre 1868 zum erstenmal nach Troja kam, so allgemein, daß sie kaum uoch als Hypothese galt, und es war ein wahres Glück, daß Schliemann gleich von vornherein auf den richtigen Gedanken gebracht wurde. Hätte er auf dem Balidagh bei Bnnarbnschi den Spaten angesetzt, so wären seine Bemühungen und Opfer vergeblich geblieben, und er hätte vielleicht zu allen weitern Grabungen den Mut verloren. Nun aber überzeugte ihn ein in der Dardancllenstadt ansässiger Engländer namens Calvert — übrigens lernten wir ihn persönlich kennen; er aß einmal mit uns —, dem damals das Terrain von Hissarlik gehörte, daß die Alten Recht hätten, nicht die Neuen, daß Troja ans Hissarlik und nicht bei Bunarbaschi gelegen haben müsse. Von dieser Überzeugung durchdrungen ging Schliemann dann, allen Schwierigkeiten trotzend, mit seiner tapfern Gattin, einer gebildeten und energischen Griechin, gemein¬ sam ans Werk. Im April 1870 setzte er zum erstenmal, im Sommer 1890 zum letztenmal den Spaten an, in der Zwischenzeit aber war er von seinen übrigen Ans-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/228>, abgerufen am 25.07.2024.