Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.Line Trojafahrt Friedrich Seiler Reiseerinnerungen von (Fortsetzung) 2. Das Leben in Troja o waren wir denn auf der Burghöhe von Hissarlik zunächst nur zu Allmählich kam dann auch einer nach dem andern von unsrer Gesellschaft an¬ Dörpfeld hatte eine Griechin, die den gastfreundlichen Namen Polyxena führte, Als Speisesaal diente für die Mehrzahl der Herren der freie Platz vor der Line Trojafahrt Friedrich Seiler Reiseerinnerungen von (Fortsetzung) 2. Das Leben in Troja o waren wir denn auf der Burghöhe von Hissarlik zunächst nur zu Allmählich kam dann auch einer nach dem andern von unsrer Gesellschaft an¬ Dörpfeld hatte eine Griechin, die den gastfreundlichen Namen Polyxena führte, Als Speisesaal diente für die Mehrzahl der Herren der freie Platz vor der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0224" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293843"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341879_293618/figures/grenzboten_341879_293618_293843_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Line Trojafahrt<lb/><note type="byline"> Friedrich Seiler</note> Reiseerinnerungen von<lb/> (Fortsetzung)</head><lb/> <div n="2"> <head> 2. Das Leben in Troja</head><lb/> <p xml:id="ID_856"> o waren wir denn auf der Burghöhe von Hissarlik zunächst nur zu<lb/> sechs. Dörpfeld machte die Honneurs des Orts, lud uns ein, an<lb/> einem Tische im Freien Platz zu nehmen, und regalierte uns zur<lb/> Belohnung für unsre Neitenergie und zum Schutz gegen Erkältung<lb/> mit Mastixschnaps. Die Ruhe nach dem stürmischen Ritt, das Bewußt¬<lb/> sein, nach schwerer Arbeit glücklich ans Ziel gekommen zu sein, verur¬<lb/> sachte uns ein unsägliches Gefühl des Wohlbehagens. Dazu kam der Zauber des<lb/> Ortes, heroische und idyllische Elemente gemischt. Schone hohe Eichen wölbten sich<lb/> über dem grünen Rasen, und unter den Baumkronen sank der rötliche Sonnenball<lb/> dem Meere zu. Vor ihm auf dem Wasser schwammen die Inseln Tenedos und<lb/> Jmbros und in weiter Ferne das große Lemnos. Jetzt zitterte der letzte rosige<lb/> Streif über die leichtbewegte Flut, das Abenddunkel brach rasch herein, und von<lb/> Europa herüber blinkten die Leuchtfeuer, die auf deu Türmen an der Spitze des<lb/> Chersonnesos brennen.</p><lb/> <p xml:id="ID_857"> Allmählich kam dann auch einer nach dem andern von unsrer Gesellschaft an¬<lb/> gezottelt, teils auf dem Pferde, teils daneben oder ohne Pferd.</p><lb/> <p xml:id="ID_858"> Dörpfeld hatte eine Griechin, die den gastfreundlichen Namen Polyxena führte,<lb/> samt ihrem zwanzigjährigen Sohne Georgios schon einige Tage vor unsrer Ankunft<lb/> nach Hissarlik gesandt, um für unsre Verpflegung und Unterkunft zu sorgen. Auf<lb/> dem Plateau am Burghügel stehen noch unter den Eichen die schwarzgestrichnen<lb/> Baracken Schliemanns. Das Hauptgebäude enthält Küche, Vorratsraum und<lb/> „Salon," die drei oder vier andern sind in je zwei Räume geteilte Schlafbarackeu.<lb/> Eine von diesen wurde den Damen überlassen; die beiden Deutschen, Frau und<lb/> Fräulein, nahmen die kleinere, die drei Amerikanerinnen die größere Stube. Polyxena<lb/> hatte die nötigen Kissen und Decken aus dem nahen Tscherkessendorfe Tschiblak ge¬<lb/> mietet, wir durften also bei ihrer Benutzung nicht allzu feinfühlig oder kritisch sein,<lb/> uns auch nicht ausmalen, was für Kleider- und WäschelnMpen noch kürzlich darauf<lb/> gelegen hatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_859" next="#ID_860"> Als Speisesaal diente für die Mehrzahl der Herren der freie Platz vor der<lb/> Hauptbaracke, wo ein großer Tisch und lange Bänke in einer Art Laube standen.<lb/> Die Damen und einige der Herren speisten im „Salon," einem einfenstrigen Holz¬<lb/> gelaß, das fast ganz von einem Tische und den Schemeln eingenommen war. Hier<lb/> präsidierte Dörpfeld auf dem von Schliemann selbstgefertigten Thronos, einem etwas<lb/> unbequemen, aber sehr soliden Sessel mit fester Arm- und Rückenlehne. Wir waren<lb/> sehr hungrig und taten Polyxenas Kochkunst alle Ehre an, obwohl das Menu<lb/> einförmig genug war. Als Vorspeise gab es jedesmal Eier, dann kam als Haupt¬<lb/> gericht Armati it. i. Schaffleisch), und zwar offenbar von Tieren aus den Ställen<lb/> des Königs Prianius, so zäh war ihr Fleisch, dazu Kartoffeln oder Brot, dann<lb/> Ziegenkäse, Apfelsinen, der geschätzteste Teil des Mahles, deren es nie genug geben<lb/> konnte, und zuletzt noch eine Tasse anscheinend aus Heu bereiteten Tees. Eine<lb/> angenehme Enttäuschung gewährte uns der von Georgios besorgte Wein. Es war<lb/> ein schweres, leicht gesüßtes, dunkelrotes Getränk aus Erenköi und mundete so</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0224]
[Abbildung]
Line Trojafahrt
Friedrich Seiler Reiseerinnerungen von
(Fortsetzung)
2. Das Leben in Troja
o waren wir denn auf der Burghöhe von Hissarlik zunächst nur zu
sechs. Dörpfeld machte die Honneurs des Orts, lud uns ein, an
einem Tische im Freien Platz zu nehmen, und regalierte uns zur
Belohnung für unsre Neitenergie und zum Schutz gegen Erkältung
mit Mastixschnaps. Die Ruhe nach dem stürmischen Ritt, das Bewußt¬
sein, nach schwerer Arbeit glücklich ans Ziel gekommen zu sein, verur¬
sachte uns ein unsägliches Gefühl des Wohlbehagens. Dazu kam der Zauber des
Ortes, heroische und idyllische Elemente gemischt. Schone hohe Eichen wölbten sich
über dem grünen Rasen, und unter den Baumkronen sank der rötliche Sonnenball
dem Meere zu. Vor ihm auf dem Wasser schwammen die Inseln Tenedos und
Jmbros und in weiter Ferne das große Lemnos. Jetzt zitterte der letzte rosige
Streif über die leichtbewegte Flut, das Abenddunkel brach rasch herein, und von
Europa herüber blinkten die Leuchtfeuer, die auf deu Türmen an der Spitze des
Chersonnesos brennen.
Allmählich kam dann auch einer nach dem andern von unsrer Gesellschaft an¬
gezottelt, teils auf dem Pferde, teils daneben oder ohne Pferd.
Dörpfeld hatte eine Griechin, die den gastfreundlichen Namen Polyxena führte,
samt ihrem zwanzigjährigen Sohne Georgios schon einige Tage vor unsrer Ankunft
nach Hissarlik gesandt, um für unsre Verpflegung und Unterkunft zu sorgen. Auf
dem Plateau am Burghügel stehen noch unter den Eichen die schwarzgestrichnen
Baracken Schliemanns. Das Hauptgebäude enthält Küche, Vorratsraum und
„Salon," die drei oder vier andern sind in je zwei Räume geteilte Schlafbarackeu.
Eine von diesen wurde den Damen überlassen; die beiden Deutschen, Frau und
Fräulein, nahmen die kleinere, die drei Amerikanerinnen die größere Stube. Polyxena
hatte die nötigen Kissen und Decken aus dem nahen Tscherkessendorfe Tschiblak ge¬
mietet, wir durften also bei ihrer Benutzung nicht allzu feinfühlig oder kritisch sein,
uns auch nicht ausmalen, was für Kleider- und WäschelnMpen noch kürzlich darauf
gelegen hatten.
Als Speisesaal diente für die Mehrzahl der Herren der freie Platz vor der
Hauptbaracke, wo ein großer Tisch und lange Bänke in einer Art Laube standen.
Die Damen und einige der Herren speisten im „Salon," einem einfenstrigen Holz¬
gelaß, das fast ganz von einem Tische und den Schemeln eingenommen war. Hier
präsidierte Dörpfeld auf dem von Schliemann selbstgefertigten Thronos, einem etwas
unbequemen, aber sehr soliden Sessel mit fester Arm- und Rückenlehne. Wir waren
sehr hungrig und taten Polyxenas Kochkunst alle Ehre an, obwohl das Menu
einförmig genug war. Als Vorspeise gab es jedesmal Eier, dann kam als Haupt¬
gericht Armati it. i. Schaffleisch), und zwar offenbar von Tieren aus den Ställen
des Königs Prianius, so zäh war ihr Fleisch, dazu Kartoffeln oder Brot, dann
Ziegenkäse, Apfelsinen, der geschätzteste Teil des Mahles, deren es nie genug geben
konnte, und zuletzt noch eine Tasse anscheinend aus Heu bereiteten Tees. Eine
angenehme Enttäuschung gewährte uns der von Georgios besorgte Wein. Es war
ein schweres, leicht gesüßtes, dunkelrotes Getränk aus Erenköi und mundete so
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