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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Dürers Natursymbolik

Da ich die Empfindung hatte, daß ich ihn in diesen kritischen Tagen, die
ihn innerlich sehr aufregten, nicht verlassen dürfte, so habe ich die großartige
Leipziger Feier nicht mit an Ort und Stelle erlebt; ich sah bei meiner Rückkehr
nur noch die interessante Ausstellung von Erinnerungsgegenständeu an diese
Zeit auf der Stadtbibliothek, Waffen, Autographien und Karikaturen, von denen
die meisten durch ihre Roheit und den Mangel an jedem Witz geradezu ab¬
stoßend wirkten, und auch uoch so manche Neste der glänzenden Dekoration,
und ich hörte von dem tiefen Eindruck des Festes mit seinen Tausenden von
Beteranen dieser Jahre viel erzählen. Freilich waren dabei die nur schlum¬
mernden Gegensätze viel schärfer hervorgetreten, als bei dem mehr unpolitischen
Turnfeste. Namentlich hatten sich die Süddeutschen zuweilen sehr eifersüchtig
gegen Preußen geäußert und sich darüber aufgehalten, daß unter den Namen
der Helden von 1813, die rings um die Promenade auf blumenumwundnen
Tafeln zu lesen waren, gar so viele Preußen gewesen wären, obwohl doch zum
Beispiel auch Erzherzog Karl, Fürst Schwarzenberg u. a. in. ihre gebührende
Ehre erhalten hatten. Auch sonst meldeten Privatberichte aus dem Süden von
einem tiefen Groll gegen Preußen und ganz Norddeutschland, so daß schou
damals unter uns Besorgnisse vor einen: peloponnesischen Kriege auftauchten.
Mein Vater allerdings wollte von solchen Besorgnissen nichts hören. "Ich kann
mir nicht denken, schrieb er damals, daß sich die deutschen Völker durch eine
wahnsinnige Politik werden gegeneinander Hetzen lassen. Auch sind die Interessen
jeglicher Art so ineinander verflochten, daß es geradezu unmöglich scheint, in
einem fluchwürdigen Bruderkriege sie bis in die Wurzel hinein zu verletzen.
Käme es wirklich zum Kampfe, so wäre der peloponnesische Krieg damit ver¬
glichen als ein Kinderspiel anzusehen. Wie die Verwicklungen sich lösen sollen,
ist vorderhand kaum zu sagen; aber ich habe noch guten Mut und denke, daß
es gehn wird."

So waren wir fortwährend in lebhafter patriotischer Erregung.

(Schluß folgt)




Dürers Natursymbolik

n dem Psingstheft der Kunstchronik von 1903 habe ich gezeigt,
daß auf Dürers großen Kupferstichen von 1513 und 1514 die
Natursymbolik seiner Zeit im Spiele ist. Der Salamander auf
dem Blatte "Ritter, Tod und Teufel" ist, wie es im besondern
das gegen 1500 öfter gedruckte "Buch der Natur" von Konrad
von Megenberg lehrt, das Abbild einer reinen, unbeirrt in Liebe zu Gott
brennenden Seele, also eine Art Vorbild des seiner Verklärung entgegengehenden
Ritters, der Regenbogen am nächtlichen Himmel des Melencoliastichs ist schlechthin
als Zeichen eines Todesfalls aufzufassen, hier des Todes von Dürers Mutter,
dessen erschütternder und verdüsternder Wirkung das unmittelbar danach wie


Dürers Natursymbolik

Da ich die Empfindung hatte, daß ich ihn in diesen kritischen Tagen, die
ihn innerlich sehr aufregten, nicht verlassen dürfte, so habe ich die großartige
Leipziger Feier nicht mit an Ort und Stelle erlebt; ich sah bei meiner Rückkehr
nur noch die interessante Ausstellung von Erinnerungsgegenständeu an diese
Zeit auf der Stadtbibliothek, Waffen, Autographien und Karikaturen, von denen
die meisten durch ihre Roheit und den Mangel an jedem Witz geradezu ab¬
stoßend wirkten, und auch uoch so manche Neste der glänzenden Dekoration,
und ich hörte von dem tiefen Eindruck des Festes mit seinen Tausenden von
Beteranen dieser Jahre viel erzählen. Freilich waren dabei die nur schlum¬
mernden Gegensätze viel schärfer hervorgetreten, als bei dem mehr unpolitischen
Turnfeste. Namentlich hatten sich die Süddeutschen zuweilen sehr eifersüchtig
gegen Preußen geäußert und sich darüber aufgehalten, daß unter den Namen
der Helden von 1813, die rings um die Promenade auf blumenumwundnen
Tafeln zu lesen waren, gar so viele Preußen gewesen wären, obwohl doch zum
Beispiel auch Erzherzog Karl, Fürst Schwarzenberg u. a. in. ihre gebührende
Ehre erhalten hatten. Auch sonst meldeten Privatberichte aus dem Süden von
einem tiefen Groll gegen Preußen und ganz Norddeutschland, so daß schou
damals unter uns Besorgnisse vor einen: peloponnesischen Kriege auftauchten.
Mein Vater allerdings wollte von solchen Besorgnissen nichts hören. „Ich kann
mir nicht denken, schrieb er damals, daß sich die deutschen Völker durch eine
wahnsinnige Politik werden gegeneinander Hetzen lassen. Auch sind die Interessen
jeglicher Art so ineinander verflochten, daß es geradezu unmöglich scheint, in
einem fluchwürdigen Bruderkriege sie bis in die Wurzel hinein zu verletzen.
Käme es wirklich zum Kampfe, so wäre der peloponnesische Krieg damit ver¬
glichen als ein Kinderspiel anzusehen. Wie die Verwicklungen sich lösen sollen,
ist vorderhand kaum zu sagen; aber ich habe noch guten Mut und denke, daß
es gehn wird."

So waren wir fortwährend in lebhafter patriotischer Erregung.

(Schluß folgt)




Dürers Natursymbolik

n dem Psingstheft der Kunstchronik von 1903 habe ich gezeigt,
daß auf Dürers großen Kupferstichen von 1513 und 1514 die
Natursymbolik seiner Zeit im Spiele ist. Der Salamander auf
dem Blatte „Ritter, Tod und Teufel" ist, wie es im besondern
das gegen 1500 öfter gedruckte „Buch der Natur" von Konrad
von Megenberg lehrt, das Abbild einer reinen, unbeirrt in Liebe zu Gott
brennenden Seele, also eine Art Vorbild des seiner Verklärung entgegengehenden
Ritters, der Regenbogen am nächtlichen Himmel des Melencoliastichs ist schlechthin
als Zeichen eines Todesfalls aufzufassen, hier des Todes von Dürers Mutter,
dessen erschütternder und verdüsternder Wirkung das unmittelbar danach wie


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[0156] Dürers Natursymbolik Da ich die Empfindung hatte, daß ich ihn in diesen kritischen Tagen, die ihn innerlich sehr aufregten, nicht verlassen dürfte, so habe ich die großartige Leipziger Feier nicht mit an Ort und Stelle erlebt; ich sah bei meiner Rückkehr nur noch die interessante Ausstellung von Erinnerungsgegenständeu an diese Zeit auf der Stadtbibliothek, Waffen, Autographien und Karikaturen, von denen die meisten durch ihre Roheit und den Mangel an jedem Witz geradezu ab¬ stoßend wirkten, und auch uoch so manche Neste der glänzenden Dekoration, und ich hörte von dem tiefen Eindruck des Festes mit seinen Tausenden von Beteranen dieser Jahre viel erzählen. Freilich waren dabei die nur schlum¬ mernden Gegensätze viel schärfer hervorgetreten, als bei dem mehr unpolitischen Turnfeste. Namentlich hatten sich die Süddeutschen zuweilen sehr eifersüchtig gegen Preußen geäußert und sich darüber aufgehalten, daß unter den Namen der Helden von 1813, die rings um die Promenade auf blumenumwundnen Tafeln zu lesen waren, gar so viele Preußen gewesen wären, obwohl doch zum Beispiel auch Erzherzog Karl, Fürst Schwarzenberg u. a. in. ihre gebührende Ehre erhalten hatten. Auch sonst meldeten Privatberichte aus dem Süden von einem tiefen Groll gegen Preußen und ganz Norddeutschland, so daß schou damals unter uns Besorgnisse vor einen: peloponnesischen Kriege auftauchten. Mein Vater allerdings wollte von solchen Besorgnissen nichts hören. „Ich kann mir nicht denken, schrieb er damals, daß sich die deutschen Völker durch eine wahnsinnige Politik werden gegeneinander Hetzen lassen. Auch sind die Interessen jeglicher Art so ineinander verflochten, daß es geradezu unmöglich scheint, in einem fluchwürdigen Bruderkriege sie bis in die Wurzel hinein zu verletzen. Käme es wirklich zum Kampfe, so wäre der peloponnesische Krieg damit ver¬ glichen als ein Kinderspiel anzusehen. Wie die Verwicklungen sich lösen sollen, ist vorderhand kaum zu sagen; aber ich habe noch guten Mut und denke, daß es gehn wird." So waren wir fortwährend in lebhafter patriotischer Erregung. (Schluß folgt) Dürers Natursymbolik n dem Psingstheft der Kunstchronik von 1903 habe ich gezeigt, daß auf Dürers großen Kupferstichen von 1513 und 1514 die Natursymbolik seiner Zeit im Spiele ist. Der Salamander auf dem Blatte „Ritter, Tod und Teufel" ist, wie es im besondern das gegen 1500 öfter gedruckte „Buch der Natur" von Konrad von Megenberg lehrt, das Abbild einer reinen, unbeirrt in Liebe zu Gott brennenden Seele, also eine Art Vorbild des seiner Verklärung entgegengehenden Ritters, der Regenbogen am nächtlichen Himmel des Melencoliastichs ist schlechthin als Zeichen eines Todesfalls aufzufassen, hier des Todes von Dürers Mutter, dessen erschütternder und verdüsternder Wirkung das unmittelbar danach wie

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/156>, abgerufen am 13.11.2024.