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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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westfälische Geschichten
Rafael (H. Aiesekamp) Erzählungen von
I.. Die (Llermonts
(Fortsetzung)
4

uf demi Dirkingshofe war die große Küche frisch gefegt und mit
gelbem Sand bestreut. Der lange Eßtisch stand da, weiß gescheuert.
Auf dem Sims blitzten die Zinnteller und das kupferne Geschirr. Im
Schrank leuchtete das Porzellan in blendender Weiße. Auf dem
offnen Herde flackerte ein Helles Feuer. Meerche Dirking war dabei,
den Kaffee zu kochen. Sie blickte nach der Standuhr an der Wand:
Gleich vier Uhr, bald müssen sie kommen. Fina, Fina! rief sie dann mit lauter
Stimme, bist noch nicht fertig? Komm herunter! -- Brauchst nicht so zu sichren,
Mutter, ich hab gute Ohren, sagte unfreundlich ein starkknochiges Mädchen von
etwa fünfundzwanzig Jahren. Sie stieg die Treppe hinunter, die aus der
Küche hinaufführte in die Giebelstube. Sie hatte ein kornblumblnues Kleid aus
glänzendem Wollstoff an und eine schwarzseidnc Schürze umgebunden. Ein dickes
goldnes Kreuz trug sie auf der Brust. Ihr sandfarbnes Haar, glatt gescheitelt und
mit Wasser an den großen eckigen Kopf fest anliegend gemacht, war hinten in eine
Schnecke übereinander gesteckt. Ihre Wangen strotzten von Gesundheit, die bla߬
blauen Augen blickten hart, und es glimmte ein Funke darin, vor dem sich die Meerhase
Dirking fürchtete: Fina kannte sich selbst nicht mehr in der Wut.

Ist alles fertig in der besten Stube? fragte die Mutter. Wenn Ihr sehen
wollt, geht hin, brummte das Mädchen, trat unter die offne Tür und schaute auf
den Hof hinaus.

Der Dirkingbauer trat in die Küche: Habt ihr alles beisammen, ihr Fran-
leute? Nun, Fina, puckerts Herz auch? -- Ach, Vater, laß die dummen Späße,
Ihr wißt ja, daß ich sie nicht vertragen kann, sagte das Mädchen.

Fina Dirking war das einzige Kind ihrer Eltern, die Anerbin auf dem
Dirkingshofe. Die Alten hatten sie von Jugend auf verzogen, sahen ihr immer
nach den Augen: Fina regierte.

Die Freier hatten sich nach dem Dirtingshof die Füße wund gelaufen, seitdem
die Fina aus der Schule war. Keiner war ihr gut genug.

Auf den Erben vom Dvrneckshof, dem größten Hof im Lande, der noch wert¬
voller war als der Dirkingshof, dessen Ländereien an die vom Dirkiugshof anstießen,
hatte sie gewartet.

Heute wollte er kommen mit seinem Vater zum Versprich. Ihr lachte das
Herz, wenn sie an den großen stolzen Hinrich dachte, demi die Mädchen alle nach¬
sähen, der in der Residenz bei der Garde gedient hatte. Den Roßhaarbusch auf
dem Helm, war er ans Ostern zu Besuch gekommen, damals, als er gedient hatte.
Von der Stunde an hatte die Fina keine Ruhe mehr gehabt: Machts mit dem
alten Schulze" Dorment in Ordnung, so lag sie ihrem Vater in den Ohren, den
Hinrich. den will ich, und sonst bleib ich ledig.

Schulte Dirking wußte sich nichts Besseres zu wünschen. Schulte Dorment hatte
schon längst um die Fina gedacht, daß sie für den Hinrich gerade die Richtige sei.




westfälische Geschichten
Rafael (H. Aiesekamp) Erzählungen von
I.. Die (Llermonts
(Fortsetzung)
4

uf demi Dirkingshofe war die große Küche frisch gefegt und mit
gelbem Sand bestreut. Der lange Eßtisch stand da, weiß gescheuert.
Auf dem Sims blitzten die Zinnteller und das kupferne Geschirr. Im
Schrank leuchtete das Porzellan in blendender Weiße. Auf dem
offnen Herde flackerte ein Helles Feuer. Meerche Dirking war dabei,
den Kaffee zu kochen. Sie blickte nach der Standuhr an der Wand:
Gleich vier Uhr, bald müssen sie kommen. Fina, Fina! rief sie dann mit lauter
Stimme, bist noch nicht fertig? Komm herunter! — Brauchst nicht so zu sichren,
Mutter, ich hab gute Ohren, sagte unfreundlich ein starkknochiges Mädchen von
etwa fünfundzwanzig Jahren. Sie stieg die Treppe hinunter, die aus der
Küche hinaufführte in die Giebelstube. Sie hatte ein kornblumblnues Kleid aus
glänzendem Wollstoff an und eine schwarzseidnc Schürze umgebunden. Ein dickes
goldnes Kreuz trug sie auf der Brust. Ihr sandfarbnes Haar, glatt gescheitelt und
mit Wasser an den großen eckigen Kopf fest anliegend gemacht, war hinten in eine
Schnecke übereinander gesteckt. Ihre Wangen strotzten von Gesundheit, die bla߬
blauen Augen blickten hart, und es glimmte ein Funke darin, vor dem sich die Meerhase
Dirking fürchtete: Fina kannte sich selbst nicht mehr in der Wut.

Ist alles fertig in der besten Stube? fragte die Mutter. Wenn Ihr sehen
wollt, geht hin, brummte das Mädchen, trat unter die offne Tür und schaute auf
den Hof hinaus.

Der Dirkingbauer trat in die Küche: Habt ihr alles beisammen, ihr Fran-
leute? Nun, Fina, puckerts Herz auch? — Ach, Vater, laß die dummen Späße,
Ihr wißt ja, daß ich sie nicht vertragen kann, sagte das Mädchen.

Fina Dirking war das einzige Kind ihrer Eltern, die Anerbin auf dem
Dirkingshofe. Die Alten hatten sie von Jugend auf verzogen, sahen ihr immer
nach den Augen: Fina regierte.

Die Freier hatten sich nach dem Dirtingshof die Füße wund gelaufen, seitdem
die Fina aus der Schule war. Keiner war ihr gut genug.

Auf den Erben vom Dvrneckshof, dem größten Hof im Lande, der noch wert¬
voller war als der Dirkingshof, dessen Ländereien an die vom Dirkiugshof anstießen,
hatte sie gewartet.

Heute wollte er kommen mit seinem Vater zum Versprich. Ihr lachte das
Herz, wenn sie an den großen stolzen Hinrich dachte, demi die Mädchen alle nach¬
sähen, der in der Residenz bei der Garde gedient hatte. Den Roßhaarbusch auf
dem Helm, war er ans Ostern zu Besuch gekommen, damals, als er gedient hatte.
Von der Stunde an hatte die Fina keine Ruhe mehr gehabt: Machts mit dem
alten Schulze» Dorment in Ordnung, so lag sie ihrem Vater in den Ohren, den
Hinrich. den will ich, und sonst bleib ich ledig.

Schulte Dirking wußte sich nichts Besseres zu wünschen. Schulte Dorment hatte
schon längst um die Fina gedacht, daß sie für den Hinrich gerade die Richtige sei.


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[0119] [Abbildung] westfälische Geschichten Rafael (H. Aiesekamp) Erzählungen von I.. Die (Llermonts (Fortsetzung) 4 uf demi Dirkingshofe war die große Küche frisch gefegt und mit gelbem Sand bestreut. Der lange Eßtisch stand da, weiß gescheuert. Auf dem Sims blitzten die Zinnteller und das kupferne Geschirr. Im Schrank leuchtete das Porzellan in blendender Weiße. Auf dem offnen Herde flackerte ein Helles Feuer. Meerche Dirking war dabei, den Kaffee zu kochen. Sie blickte nach der Standuhr an der Wand: Gleich vier Uhr, bald müssen sie kommen. Fina, Fina! rief sie dann mit lauter Stimme, bist noch nicht fertig? Komm herunter! — Brauchst nicht so zu sichren, Mutter, ich hab gute Ohren, sagte unfreundlich ein starkknochiges Mädchen von etwa fünfundzwanzig Jahren. Sie stieg die Treppe hinunter, die aus der Küche hinaufführte in die Giebelstube. Sie hatte ein kornblumblnues Kleid aus glänzendem Wollstoff an und eine schwarzseidnc Schürze umgebunden. Ein dickes goldnes Kreuz trug sie auf der Brust. Ihr sandfarbnes Haar, glatt gescheitelt und mit Wasser an den großen eckigen Kopf fest anliegend gemacht, war hinten in eine Schnecke übereinander gesteckt. Ihre Wangen strotzten von Gesundheit, die bla߬ blauen Augen blickten hart, und es glimmte ein Funke darin, vor dem sich die Meerhase Dirking fürchtete: Fina kannte sich selbst nicht mehr in der Wut. Ist alles fertig in der besten Stube? fragte die Mutter. Wenn Ihr sehen wollt, geht hin, brummte das Mädchen, trat unter die offne Tür und schaute auf den Hof hinaus. Der Dirkingbauer trat in die Küche: Habt ihr alles beisammen, ihr Fran- leute? Nun, Fina, puckerts Herz auch? — Ach, Vater, laß die dummen Späße, Ihr wißt ja, daß ich sie nicht vertragen kann, sagte das Mädchen. Fina Dirking war das einzige Kind ihrer Eltern, die Anerbin auf dem Dirkingshofe. Die Alten hatten sie von Jugend auf verzogen, sahen ihr immer nach den Augen: Fina regierte. Die Freier hatten sich nach dem Dirtingshof die Füße wund gelaufen, seitdem die Fina aus der Schule war. Keiner war ihr gut genug. Auf den Erben vom Dvrneckshof, dem größten Hof im Lande, der noch wert¬ voller war als der Dirkingshof, dessen Ländereien an die vom Dirkiugshof anstießen, hatte sie gewartet. Heute wollte er kommen mit seinem Vater zum Versprich. Ihr lachte das Herz, wenn sie an den großen stolzen Hinrich dachte, demi die Mädchen alle nach¬ sähen, der in der Residenz bei der Garde gedient hatte. Den Roßhaarbusch auf dem Helm, war er ans Ostern zu Besuch gekommen, damals, als er gedient hatte. Von der Stunde an hatte die Fina keine Ruhe mehr gehabt: Machts mit dem alten Schulze» Dorment in Ordnung, so lag sie ihrem Vater in den Ohren, den Hinrich. den will ich, und sonst bleib ich ledig. Schulte Dirking wußte sich nichts Besseres zu wünschen. Schulte Dorment hatte schon längst um die Fina gedacht, daß sie für den Hinrich gerade die Richtige sei.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/119>, abgerufen am 25.07.2024.