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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Tschibuk oder Nargileh (Wasserpfeife) und schienen uns kaum zu beachten. Das Selt¬
samste und Ungewöhnlichste aber waren für uns die zahlreichen grauen Straßenhunde,
die teils bei unserm Erscheinen heulende Konzerte anstimmten, teils ruhig und
ungeniert mitten auf der Straße kleine, niedliche Junge säugten. Die Pferde
schritten sorgfältig über die Mütter und Kinder hinweg und kehrten sich nicht an
die heulenden Väter. Am Ende der Straße lag eine große gelbe Kaserne, an deren
Hinterwand ein Hornist lehnte und sich auf eine wahrhaft ohrenzerreißende Weise
im Signalblasen übte.

Endlich waren wir im Freien. Die Straße war ganz gut, und die Felder
wohl angebaut und frühlingsgrün. Man hätte glauben können in Deutschland zu sein,
wenn nicht eine Karawane schwerbepackter ruppiger Kamele uns begegnet wäre.
Diese unglücklichen Tiere waren durch Stricke zu einer langen Reihe verbunden.
Sie sahen verwahrlost und ungepflegt aus und zeigten viele gelbe kahle Stellen
an ihren Leibern. Niedlich und schmuck waren dagegen die frei neben ihnen her¬
laufenden Jungen. Sie waren noch so frisch und intakt, wie sie aus der Hand der
Natur hervorgegangen waren, noch nicht durch den harten Dienst des Tyrannen
Mensch entstellt und abgetrieben. Nie hätte ich geglaubt, daß der Kontrast zwischen
einem jungen und einem alten Kamel so tiefgehend ist. Als Philologen hatten wir
natürlich in unserm Herodot gelesen, daß die Pferde "den Geruch und den Anblick
der Kamele" nicht ertragen können. Wir machten uus also bei Annäherung dieser
Karawane auf das allerschlimmste gefaßt. Aber unsre Pferde nahmen nicht die
geringste Notiz von den mißgestalteten, langhalsigen Ungetümen, sondern ließen sie
ohne jedes Zeichen der Angst oder Feindschaft passieren; der "Vater der Geschichte"
hat also entweder ein wenig gefabelt, was ihm auch sonst passiert sein soll, oder
die asiatischen Pferde haben sich in den zweiundeinhalb Jahrtausenden, die seit des
Königs Krösos Unglücksschlacht bei Sardes verflossen sind, an den Geruch und den
Anblick der Kamele gewöhnt.

Es dauerte nicht lange, so wurden wir aber auch auf eine andre, recht un¬
liebsame Weise daran erinnert, daß wir nicht im Vaterlande waren. Die Straße
war gut, aber nun kamen wir an einen ziemlich breiten Fluß, und die Brücke über
diesen war zerbrochen und lag im Wasser. Wir mußten also durch das Wasser
reiten. Die Agojaten, die sich sonst mit Vorliebe hinten im Zuge aufhielten, er¬
schienen und überreichten jedem eine Gerte. Wir ahnten nicht, wozu, sollten es
später aber durch eignen Schaden erfahren. Dieser erste Übergang ging jedoch glatt
von statten. Das Wasser rauschte, und das Wasser schwoll, netzte aber nicht den
hochgczognen Fuß, und die Pferde waren noch unermüdet und benahmen sich deshalb
vernünftig.

Bei dem Reiten durch die Furt war unser Zug stark auseinandergekommen,
ich sah erst eine ziemlich weite Strecke vor mir die nächste Gruppe. Mein Gaul,
den ich bis dahin nur durch energische Tritte zu einer Art Zuckeltrab hatte bringen
können, begann jenseits des Flusses plötzlich ein andres Betragen anzunehmen. Er
hob den Kopf, blähte die Nüstern und stieß in Pausen ein kurzes heiseres Gewieher
aus, zugleich setzte er sich auf eigne Faust in einen recht energischen Trab, der
bald zum Galopp wurde. Den Grund dieser plötzlichen Munterkeit durchschaute
ich bald. Die Reittiergruppe vor mir bestand nämlich aus einer Stute, die schon
von mehreren Hengsten umgeben war. Auch mein alter Sünder strebte dieser holden
Weiblichkeit zu.

Ich freute mich anfangs über die neue schnelle Gangart, die ich bis dahin
auf keine Weise zu erreichen vermocht hatte. Aber meine Freude sollte bald in
Trauer verkehrt werden. Denn der neue Nebenbuhler war den Begleitern der
Stute nichts weniger als willkommen. Als wir die Gruppe eingeholt hatten, schlug
ein niederträchtiger, kleiner grauer Geselle, den ein für allerhand Messungen mit¬
genommener polnischer Architekt ritt, mit beiden Hinterfüßen meinem Tiere in die
Flanke. Mit dem einen Hufe traf er auch seineu Feind, mit dem andern dagegen


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Tschibuk oder Nargileh (Wasserpfeife) und schienen uns kaum zu beachten. Das Selt¬
samste und Ungewöhnlichste aber waren für uns die zahlreichen grauen Straßenhunde,
die teils bei unserm Erscheinen heulende Konzerte anstimmten, teils ruhig und
ungeniert mitten auf der Straße kleine, niedliche Junge säugten. Die Pferde
schritten sorgfältig über die Mütter und Kinder hinweg und kehrten sich nicht an
die heulenden Väter. Am Ende der Straße lag eine große gelbe Kaserne, an deren
Hinterwand ein Hornist lehnte und sich auf eine wahrhaft ohrenzerreißende Weise
im Signalblasen übte.

Endlich waren wir im Freien. Die Straße war ganz gut, und die Felder
wohl angebaut und frühlingsgrün. Man hätte glauben können in Deutschland zu sein,
wenn nicht eine Karawane schwerbepackter ruppiger Kamele uns begegnet wäre.
Diese unglücklichen Tiere waren durch Stricke zu einer langen Reihe verbunden.
Sie sahen verwahrlost und ungepflegt aus und zeigten viele gelbe kahle Stellen
an ihren Leibern. Niedlich und schmuck waren dagegen die frei neben ihnen her¬
laufenden Jungen. Sie waren noch so frisch und intakt, wie sie aus der Hand der
Natur hervorgegangen waren, noch nicht durch den harten Dienst des Tyrannen
Mensch entstellt und abgetrieben. Nie hätte ich geglaubt, daß der Kontrast zwischen
einem jungen und einem alten Kamel so tiefgehend ist. Als Philologen hatten wir
natürlich in unserm Herodot gelesen, daß die Pferde „den Geruch und den Anblick
der Kamele" nicht ertragen können. Wir machten uus also bei Annäherung dieser
Karawane auf das allerschlimmste gefaßt. Aber unsre Pferde nahmen nicht die
geringste Notiz von den mißgestalteten, langhalsigen Ungetümen, sondern ließen sie
ohne jedes Zeichen der Angst oder Feindschaft passieren; der „Vater der Geschichte"
hat also entweder ein wenig gefabelt, was ihm auch sonst passiert sein soll, oder
die asiatischen Pferde haben sich in den zweiundeinhalb Jahrtausenden, die seit des
Königs Krösos Unglücksschlacht bei Sardes verflossen sind, an den Geruch und den
Anblick der Kamele gewöhnt.

Es dauerte nicht lange, so wurden wir aber auch auf eine andre, recht un¬
liebsame Weise daran erinnert, daß wir nicht im Vaterlande waren. Die Straße
war gut, aber nun kamen wir an einen ziemlich breiten Fluß, und die Brücke über
diesen war zerbrochen und lag im Wasser. Wir mußten also durch das Wasser
reiten. Die Agojaten, die sich sonst mit Vorliebe hinten im Zuge aufhielten, er¬
schienen und überreichten jedem eine Gerte. Wir ahnten nicht, wozu, sollten es
später aber durch eignen Schaden erfahren. Dieser erste Übergang ging jedoch glatt
von statten. Das Wasser rauschte, und das Wasser schwoll, netzte aber nicht den
hochgczognen Fuß, und die Pferde waren noch unermüdet und benahmen sich deshalb
vernünftig.

Bei dem Reiten durch die Furt war unser Zug stark auseinandergekommen,
ich sah erst eine ziemlich weite Strecke vor mir die nächste Gruppe. Mein Gaul,
den ich bis dahin nur durch energische Tritte zu einer Art Zuckeltrab hatte bringen
können, begann jenseits des Flusses plötzlich ein andres Betragen anzunehmen. Er
hob den Kopf, blähte die Nüstern und stieß in Pausen ein kurzes heiseres Gewieher
aus, zugleich setzte er sich auf eigne Faust in einen recht energischen Trab, der
bald zum Galopp wurde. Den Grund dieser plötzlichen Munterkeit durchschaute
ich bald. Die Reittiergruppe vor mir bestand nämlich aus einer Stute, die schon
von mehreren Hengsten umgeben war. Auch mein alter Sünder strebte dieser holden
Weiblichkeit zu.

Ich freute mich anfangs über die neue schnelle Gangart, die ich bis dahin
auf keine Weise zu erreichen vermocht hatte. Aber meine Freude sollte bald in
Trauer verkehrt werden. Denn der neue Nebenbuhler war den Begleitern der
Stute nichts weniger als willkommen. Als wir die Gruppe eingeholt hatten, schlug
ein niederträchtiger, kleiner grauer Geselle, den ein für allerhand Messungen mit¬
genommener polnischer Architekt ritt, mit beiden Hinterfüßen meinem Tiere in die
Flanke. Mit dem einen Hufe traf er auch seineu Feind, mit dem andern dagegen


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[0116] Line Trojafahrt Tschibuk oder Nargileh (Wasserpfeife) und schienen uns kaum zu beachten. Das Selt¬ samste und Ungewöhnlichste aber waren für uns die zahlreichen grauen Straßenhunde, die teils bei unserm Erscheinen heulende Konzerte anstimmten, teils ruhig und ungeniert mitten auf der Straße kleine, niedliche Junge säugten. Die Pferde schritten sorgfältig über die Mütter und Kinder hinweg und kehrten sich nicht an die heulenden Väter. Am Ende der Straße lag eine große gelbe Kaserne, an deren Hinterwand ein Hornist lehnte und sich auf eine wahrhaft ohrenzerreißende Weise im Signalblasen übte. Endlich waren wir im Freien. Die Straße war ganz gut, und die Felder wohl angebaut und frühlingsgrün. Man hätte glauben können in Deutschland zu sein, wenn nicht eine Karawane schwerbepackter ruppiger Kamele uns begegnet wäre. Diese unglücklichen Tiere waren durch Stricke zu einer langen Reihe verbunden. Sie sahen verwahrlost und ungepflegt aus und zeigten viele gelbe kahle Stellen an ihren Leibern. Niedlich und schmuck waren dagegen die frei neben ihnen her¬ laufenden Jungen. Sie waren noch so frisch und intakt, wie sie aus der Hand der Natur hervorgegangen waren, noch nicht durch den harten Dienst des Tyrannen Mensch entstellt und abgetrieben. Nie hätte ich geglaubt, daß der Kontrast zwischen einem jungen und einem alten Kamel so tiefgehend ist. Als Philologen hatten wir natürlich in unserm Herodot gelesen, daß die Pferde „den Geruch und den Anblick der Kamele" nicht ertragen können. Wir machten uus also bei Annäherung dieser Karawane auf das allerschlimmste gefaßt. Aber unsre Pferde nahmen nicht die geringste Notiz von den mißgestalteten, langhalsigen Ungetümen, sondern ließen sie ohne jedes Zeichen der Angst oder Feindschaft passieren; der „Vater der Geschichte" hat also entweder ein wenig gefabelt, was ihm auch sonst passiert sein soll, oder die asiatischen Pferde haben sich in den zweiundeinhalb Jahrtausenden, die seit des Königs Krösos Unglücksschlacht bei Sardes verflossen sind, an den Geruch und den Anblick der Kamele gewöhnt. Es dauerte nicht lange, so wurden wir aber auch auf eine andre, recht un¬ liebsame Weise daran erinnert, daß wir nicht im Vaterlande waren. Die Straße war gut, aber nun kamen wir an einen ziemlich breiten Fluß, und die Brücke über diesen war zerbrochen und lag im Wasser. Wir mußten also durch das Wasser reiten. Die Agojaten, die sich sonst mit Vorliebe hinten im Zuge aufhielten, er¬ schienen und überreichten jedem eine Gerte. Wir ahnten nicht, wozu, sollten es später aber durch eignen Schaden erfahren. Dieser erste Übergang ging jedoch glatt von statten. Das Wasser rauschte, und das Wasser schwoll, netzte aber nicht den hochgczognen Fuß, und die Pferde waren noch unermüdet und benahmen sich deshalb vernünftig. Bei dem Reiten durch die Furt war unser Zug stark auseinandergekommen, ich sah erst eine ziemlich weite Strecke vor mir die nächste Gruppe. Mein Gaul, den ich bis dahin nur durch energische Tritte zu einer Art Zuckeltrab hatte bringen können, begann jenseits des Flusses plötzlich ein andres Betragen anzunehmen. Er hob den Kopf, blähte die Nüstern und stieß in Pausen ein kurzes heiseres Gewieher aus, zugleich setzte er sich auf eigne Faust in einen recht energischen Trab, der bald zum Galopp wurde. Den Grund dieser plötzlichen Munterkeit durchschaute ich bald. Die Reittiergruppe vor mir bestand nämlich aus einer Stute, die schon von mehreren Hengsten umgeben war. Auch mein alter Sünder strebte dieser holden Weiblichkeit zu. Ich freute mich anfangs über die neue schnelle Gangart, die ich bis dahin auf keine Weise zu erreichen vermocht hatte. Aber meine Freude sollte bald in Trauer verkehrt werden. Denn der neue Nebenbuhler war den Begleitern der Stute nichts weniger als willkommen. Als wir die Gruppe eingeholt hatten, schlug ein niederträchtiger, kleiner grauer Geselle, den ein für allerhand Messungen mit¬ genommener polnischer Architekt ritt, mit beiden Hinterfüßen meinem Tiere in die Flanke. Mit dem einen Hufe traf er auch seineu Feind, mit dem andern dagegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/116>, abgerufen am 25.07.2024.