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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Mas ist liberal?

dem Reichstag einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den die Niederlassung
"vn Mitgliedern der Gesellschaft Jesu und der ihr verwandten Kongregationen
"hre ausdrückliche Zulassung der betreffenden Landesregierung unter Strafe
gestellt würde. Von der liberalen Reichspartei (Lamey, Fürst Hvheulvhc-
Schillingsfürst, Volk, Meyer ^Thorn^, Kiefer, Eckhard) lag hierzu der Antrag
"°r: "......durch welchen den Mitgliedern der Gesellschaft Jesu und der ihr
verwandten Kongregationen die Errichtung von Niederlassungen sowie die Aus¬
übung geistlicher Funktionen und der Lehrtätigkeit unter Androhung von Strafe
verboten wird." Im Namen der Konservativen beantragte der Abgeordnete
Wagener (Neustettin), der sich in einer viel beachteten Rede sehr scharf gegen
^e Jesuiten ausgesprochen hatte: "......insbesondre einen Gesetzentwurf vor-
Sulegeu, welcher auf Grund des Artikels 4 Nummer 16 der Reichsverfassung
die rechtliche Stellung der religiösen Orden, Kongregationen und Genossenschaften,
'hre Zulassung und deren Bedingungen regelt, sowie die Tätigkeit derselben,
namentlich der "Gesellschaft Jesu", insoweit sie sich als eine staatsgefährliche
darstellt oder sollst gegen die Reichs- und Staatsgesetze verstößt, unter Strafe
stellt." Hierzu wurde schließlich noch ein Kompromißantrag Marqnardsen im
tarnen der Konservativen, der Deutschen Reichspartei und der Nationalliberalen
eingebracht, der im Eingang mit dem Obigen übereinstimmend besagte: ,.....so-
^le die staatsgefährliche Tätigkeit derselben, namentlich der Gesellschaft Jesu,
unter Strafe stellt." Der konservative Antrag wurde mit dem Amendement
Marquardsen mit 205 gegen 84 Stimmen angenommen.

Eine auf Grund dieses Neichstagsvotums ausgearbeitete Vorlage gelangte
"'u 8. Juni an den Bundesrat und wurde von diesem drei Tage später (11. Juni)
genehmigt. Der Entwurf lautete:

81

Den Mitgliedern des Ordens der Gesellschaft Jesu oder einer mit diesem
^rden verwandten Kongregation kann, anch wenn sie das deutsche Jndigenat be-
utzen, ein j^em Orte des Bundesgebiets der Aufenthalt von der Landesvolizei-
vehörde versagt werden.

§2

^le zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Anordnungen werden vom
Bundesrat erlassen.

Gegen diesen Entwurf war einzuwenden, daß er die Jesuitenfrage uicht
prinzipiell durch Verbot des Ordens regelte, sondern nnr die einzelnen
^Suiten ins Auge faßte und sie je nach der Art ihrer persönlichen Tätigkeit
bedrohte. Je nach der Auffassung der Behörden konnten sich daraus große
Ungleichheiten ergeben. Gegen die Bestimmung, daß deutschen Jesuiten überall
W Deutschland der Aufenthalt versagt werden könne, sprachen gewichtige Rechts-
"edenken, zumal so lange der Orden selbst nicht verboten war. Kein obligato¬
risches, nur ein fakultatives Vorgehn, das ganz in das Belieben des Bundesrath
g^egt war, stand damit in Aussicht, nur die Vollmacht sollte bereit gestellt
werden, im gegebnen Fall handeln zu können. Die Begründung des Gesetzes
sprach dies noch deutlicher als das Gesetz selbst aus. Sie berief sich einfach auf
den Beschluß des Reichstags und erklärte, daß dieser Entwurf zunächst dazu be-


Mas ist liberal?

dem Reichstag einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den die Niederlassung
"vn Mitgliedern der Gesellschaft Jesu und der ihr verwandten Kongregationen
"hre ausdrückliche Zulassung der betreffenden Landesregierung unter Strafe
gestellt würde. Von der liberalen Reichspartei (Lamey, Fürst Hvheulvhc-
Schillingsfürst, Volk, Meyer ^Thorn^, Kiefer, Eckhard) lag hierzu der Antrag
"°r: „......durch welchen den Mitgliedern der Gesellschaft Jesu und der ihr
verwandten Kongregationen die Errichtung von Niederlassungen sowie die Aus¬
übung geistlicher Funktionen und der Lehrtätigkeit unter Androhung von Strafe
verboten wird." Im Namen der Konservativen beantragte der Abgeordnete
Wagener (Neustettin), der sich in einer viel beachteten Rede sehr scharf gegen
^e Jesuiten ausgesprochen hatte: „......insbesondre einen Gesetzentwurf vor-
Sulegeu, welcher auf Grund des Artikels 4 Nummer 16 der Reichsverfassung
die rechtliche Stellung der religiösen Orden, Kongregationen und Genossenschaften,
'hre Zulassung und deren Bedingungen regelt, sowie die Tätigkeit derselben,
namentlich der »Gesellschaft Jesu«, insoweit sie sich als eine staatsgefährliche
darstellt oder sollst gegen die Reichs- und Staatsgesetze verstößt, unter Strafe
stellt." Hierzu wurde schließlich noch ein Kompromißantrag Marqnardsen im
tarnen der Konservativen, der Deutschen Reichspartei und der Nationalliberalen
eingebracht, der im Eingang mit dem Obigen übereinstimmend besagte: ,.....so-
^le die staatsgefährliche Tätigkeit derselben, namentlich der Gesellschaft Jesu,
unter Strafe stellt." Der konservative Antrag wurde mit dem Amendement
Marquardsen mit 205 gegen 84 Stimmen angenommen.

Eine auf Grund dieses Neichstagsvotums ausgearbeitete Vorlage gelangte
"'u 8. Juni an den Bundesrat und wurde von diesem drei Tage später (11. Juni)
genehmigt. Der Entwurf lautete:

81

Den Mitgliedern des Ordens der Gesellschaft Jesu oder einer mit diesem
^rden verwandten Kongregation kann, anch wenn sie das deutsche Jndigenat be-
utzen, ein j^em Orte des Bundesgebiets der Aufenthalt von der Landesvolizei-
vehörde versagt werden.

§2

^le zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Anordnungen werden vom
Bundesrat erlassen.

Gegen diesen Entwurf war einzuwenden, daß er die Jesuitenfrage uicht
prinzipiell durch Verbot des Ordens regelte, sondern nnr die einzelnen
^Suiten ins Auge faßte und sie je nach der Art ihrer persönlichen Tätigkeit
bedrohte. Je nach der Auffassung der Behörden konnten sich daraus große
Ungleichheiten ergeben. Gegen die Bestimmung, daß deutschen Jesuiten überall
W Deutschland der Aufenthalt versagt werden könne, sprachen gewichtige Rechts-
"edenken, zumal so lange der Orden selbst nicht verboten war. Kein obligato¬
risches, nur ein fakultatives Vorgehn, das ganz in das Belieben des Bundesrath
g^egt war, stand damit in Aussicht, nur die Vollmacht sollte bereit gestellt
werden, im gegebnen Fall handeln zu können. Die Begründung des Gesetzes
sprach dies noch deutlicher als das Gesetz selbst aus. Sie berief sich einfach auf
den Beschluß des Reichstags und erklärte, daß dieser Entwurf zunächst dazu be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/693>, abgerufen am 22.07.2024.