Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.Der Tod des Herzogs von Lnghien 6. einstimmig für schuldig, einer der Begünstiger oder Mitschuldigen der von Man erkennt die ganze Ungesetzlichkeit des Verfahrens aus diesem Schrift¬ Der Tod des Herzogs von Lnghien 6. einstimmig für schuldig, einer der Begünstiger oder Mitschuldigen der von Man erkennt die ganze Ungesetzlichkeit des Verfahrens aus diesem Schrift¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0658" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293455"/> <fw type="header" place="top"> Der Tod des Herzogs von Lnghien</fw><lb/> <p xml:id="ID_3677"> 6. einstimmig für schuldig, einer der Begünstiger oder Mitschuldigen der von<lb/> den Engländern gegen das Leben des Ersten Konsuls gerichteten Verschwörung<lb/> zu sein und beabsichtigt zu haben, im Falle eines Erfolgs dieser Verschwörung<lb/> in Frankreich einzudringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3678" next="#ID_3679"> Man erkennt die ganze Ungesetzlichkeit des Verfahrens aus diesem Schrift¬<lb/> stücke. Auf die drei Anklagepunkte des Konsulnrbeschlusses erfolgt ein Verdikt,<lb/> das deren sechs enthält, von denen nur der erste zutraf, aber wie schon oben<lb/> bemerkt wurde, nach den damals in Frankreich giltigen Gesetzen keine Bestrafung<lb/> herbeiführen konnte. Die fünf folgenden Anklngepunkte sind absichtlich erfunden-<lb/> Ferner hatten die Richter, entgegen der bestimmten Forderung des Gesetzes,<lb/> kein dullstin ass lois (Gesetzbuch) vor Augen. Auch ist es nicht bezeugt, daß<lb/> der Vorsitzende den Text des Gesetzes vor dessen Anwendung auf den vor¬<lb/> liegenden Fall vorgelesen hätte. Eine Abschrift dieses Schriftstücks wurde sofort<lb/> dem Ersten Konsul zugestellt, der sie mit dem Vermerk: Zum Tode verurteilt,<lb/> ohne Zeitverlust der Kommission wieder zugehn ließ. Das zuerst entworfne<lb/> Protokoll des Kriegsgerichts trug neben dem Datum des 20. März den Zusatz:<lb/> äsux Ksurss an niatin. Diese Worte wurden ausradiert, aber nur flüchtig, so-<lb/> daß sie dennoch lesbar blieben. Seit der Vorführung des Unglücklichen waren<lb/> also schon zwei Stunden verflossen. Da Enghien nun noch vor dem Grauen<lb/> des Morgens ausgelebt haben sollte und das Grab schon seiner harrte, war<lb/> nur noch wenig Zeit übrig für die Fassung des Urteilspruchs in gesetzmüßiger<lb/> Form unter Hinzufügung der einschlägigen Gesetzesartikel. Aber nicht das Urteil,<lb/> sondern der Tod Enghiens war ja die eigentliche Aufgabe des Kriegsgerichts,<lb/> und so glaubte man, für die Formalitäten Zeit genug nach der Hinrichtung zu<lb/> haben. Das Todesurteil hatte gelautet: I/rman,init6 ass voix Ä6olar6 oou-<lb/> xaols, et 1o.i g, appliaus l'art. . . . as 1a loi an. . . a-nisi ocmsu ... se, so. von-<lb/> se^usncs, ocmäarnns' a 1a vsins as mort. Oräorms Hus 1s orüssut juAö-<lb/> nisut fers, sxs'vo.es as fünf, g. 1a, cliliZsiios av. vaxitg,ni.s-rÄxvortsv.i', avrs8<lb/> en s,voir clono.6 Issturs, en xr6heros as8 äiktsrsu8 ästaodsinsns as8 oorvs<lb/> as 1a ssarnisoo, M oonäkilins'. ?ait, olos se jnZs usw. (Visess ^als. S. XVIII,<lb/> Ur. 5.) Die punktierten Stellen blieben unausgefüllt. Auch fehlte die Unter¬<lb/> schrift des Gerichtsschreibers, ohne die nach dem französischen Gesetz die Strafe<lb/> nicht vollzogen werden durfte. Übrigens war auch die Bestimmung der unge¬<lb/> säumten Urteilsvollstreckung ungeheuerlich und völlig ungesetzlich. Denn das<lb/> Gesetz gewährte gegen alle kriegsgerichtlichen Urteile entweder den Rekurs einer<lb/> Revision oder eine Kassationsinstanz wegen des Jnkompetenzpunkts. Das Gesetz<lb/> vom 17. Messidor des Jahres XII, wonach jeder Rekurs gegen die Urteile der<lb/> Militärkommissionen untersagt war, ist erst vier Wochen nach dem Tode Enghiens<lb/> erlassen worden; aber sogar dieses strenge Gesetz bestimmte ausdrücklich, daß die<lb/> Urteile 8front <zx6vues3 äans Is8 vinZt> cjMt>rs Ksurs as Isur prononoiMou.<lb/> Unter den Richtern sogar wurden Zweifel an der Giltigkeit dieses Meisterstücks<lb/> bonapartistischer Gerechtigkeitspflege laut, und Hulin selbst äußerte später über<lb/> diesen Punkt, die vermeintliche Urschrift, ungeachtet des Umstands, daß sie mit<lb/> allen Unterschriften versehen war, sei wegen ihrer mangelhaften Form beseitigt<lb/> und nach Ablehnung mehrerer mißglückter Entwürfe durch ein regelmäßigeres</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0658]
Der Tod des Herzogs von Lnghien
6. einstimmig für schuldig, einer der Begünstiger oder Mitschuldigen der von
den Engländern gegen das Leben des Ersten Konsuls gerichteten Verschwörung
zu sein und beabsichtigt zu haben, im Falle eines Erfolgs dieser Verschwörung
in Frankreich einzudringen.
Man erkennt die ganze Ungesetzlichkeit des Verfahrens aus diesem Schrift¬
stücke. Auf die drei Anklagepunkte des Konsulnrbeschlusses erfolgt ein Verdikt,
das deren sechs enthält, von denen nur der erste zutraf, aber wie schon oben
bemerkt wurde, nach den damals in Frankreich giltigen Gesetzen keine Bestrafung
herbeiführen konnte. Die fünf folgenden Anklngepunkte sind absichtlich erfunden-
Ferner hatten die Richter, entgegen der bestimmten Forderung des Gesetzes,
kein dullstin ass lois (Gesetzbuch) vor Augen. Auch ist es nicht bezeugt, daß
der Vorsitzende den Text des Gesetzes vor dessen Anwendung auf den vor¬
liegenden Fall vorgelesen hätte. Eine Abschrift dieses Schriftstücks wurde sofort
dem Ersten Konsul zugestellt, der sie mit dem Vermerk: Zum Tode verurteilt,
ohne Zeitverlust der Kommission wieder zugehn ließ. Das zuerst entworfne
Protokoll des Kriegsgerichts trug neben dem Datum des 20. März den Zusatz:
äsux Ksurss an niatin. Diese Worte wurden ausradiert, aber nur flüchtig, so-
daß sie dennoch lesbar blieben. Seit der Vorführung des Unglücklichen waren
also schon zwei Stunden verflossen. Da Enghien nun noch vor dem Grauen
des Morgens ausgelebt haben sollte und das Grab schon seiner harrte, war
nur noch wenig Zeit übrig für die Fassung des Urteilspruchs in gesetzmüßiger
Form unter Hinzufügung der einschlägigen Gesetzesartikel. Aber nicht das Urteil,
sondern der Tod Enghiens war ja die eigentliche Aufgabe des Kriegsgerichts,
und so glaubte man, für die Formalitäten Zeit genug nach der Hinrichtung zu
haben. Das Todesurteil hatte gelautet: I/rman,init6 ass voix Ä6olar6 oou-
xaols, et 1o.i g, appliaus l'art. . . . as 1a loi an. . . a-nisi ocmsu ... se, so. von-
se^usncs, ocmäarnns' a 1a vsins as mort. Oräorms Hus 1s orüssut juAö-
nisut fers, sxs'vo.es as fünf, g. 1a, cliliZsiios av. vaxitg,ni.s-rÄxvortsv.i', avrs8
en s,voir clono.6 Issturs, en xr6heros as8 äiktsrsu8 ästaodsinsns as8 oorvs
as 1a ssarnisoo, M oonäkilins'. ?ait, olos se jnZs usw. (Visess ^als. S. XVIII,
Ur. 5.) Die punktierten Stellen blieben unausgefüllt. Auch fehlte die Unter¬
schrift des Gerichtsschreibers, ohne die nach dem französischen Gesetz die Strafe
nicht vollzogen werden durfte. Übrigens war auch die Bestimmung der unge¬
säumten Urteilsvollstreckung ungeheuerlich und völlig ungesetzlich. Denn das
Gesetz gewährte gegen alle kriegsgerichtlichen Urteile entweder den Rekurs einer
Revision oder eine Kassationsinstanz wegen des Jnkompetenzpunkts. Das Gesetz
vom 17. Messidor des Jahres XII, wonach jeder Rekurs gegen die Urteile der
Militärkommissionen untersagt war, ist erst vier Wochen nach dem Tode Enghiens
erlassen worden; aber sogar dieses strenge Gesetz bestimmte ausdrücklich, daß die
Urteile 8front <zx6vues3 äans Is8 vinZt> cjMt>rs Ksurs as Isur prononoiMou.
Unter den Richtern sogar wurden Zweifel an der Giltigkeit dieses Meisterstücks
bonapartistischer Gerechtigkeitspflege laut, und Hulin selbst äußerte später über
diesen Punkt, die vermeintliche Urschrift, ungeachtet des Umstands, daß sie mit
allen Unterschriften versehen war, sei wegen ihrer mangelhaften Form beseitigt
und nach Ablehnung mehrerer mißglückter Entwürfe durch ein regelmäßigeres
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