Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.Herbert Spencers System beweisen durch ihre Furcht nicht weniger als jene durch ihre Hoffnung, daß Wer unerschrocken die Analyse bis zum äußersten treibt, der erkennt klar, Es wird dann gezeigt, wie sich der Geist mit dem Leben, also biologisch, Herbert Spencers System beweisen durch ihre Furcht nicht weniger als jene durch ihre Hoffnung, daß Wer unerschrocken die Analyse bis zum äußersten treibt, der erkennt klar, Es wird dann gezeigt, wie sich der Geist mit dem Leben, also biologisch, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0650" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293447"/> <fw type="header" place="top"> Herbert Spencers System</fw><lb/> <p xml:id="ID_3656" prev="#ID_3655"> beweisen durch ihre Furcht nicht weniger als jene durch ihre Hoffnung, daß<lb/> sie eine mechanische (in terrns c»t w-Msr gegebne) Erklärung des Seelenlebens<lb/> für möglich halten, während so mancher, den sie einen Materialisten schelten,<lb/> von der unerschütterlichen Überzeugung durchdrungen ist, daß auch nicht die<lb/> entfernteste Möglichkeit von so etwas besteht.</p><lb/> <p xml:id="ID_3657"> Wer unerschrocken die Analyse bis zum äußersten treibt, der erkennt klar,<lb/> daß unser Begriff von Materie weiter nichts ist als ein Sinnbild, ein Zeichen<lb/> der einen Form von Offenbarung einer unbekannten und unerkennbaren Macht,<lb/> und daß dieses Symbol der symbolisierten Sache nicht gleichen kann. Er er¬<lb/> kennt nicht weniger deutlich, daß die Darstellung der objektiven Geschehnisse<lb/> als Bewegung eben nur eine Darstellung, nicht eine Erkenntnis ist, und daß<lb/> es absurd sein würde, wenn wir uus die in den Geschehnissen sich offen¬<lb/> barende Macht oder Kraft als materielle Bewegung dächten. (Er stellt noch<lb/> einmal die Widersprüche dar, in die alle Hypothesen über das Wesen der<lb/> Materie verwickeln.) Ebenso sind auch die Vorstellungen, die wir uus von<lb/> den einfachsten Bestandteilen des Bewußtseins machen, nur Symbole. Wären<lb/> wir gezwungen zu wählen zwischen der Auflösung der Bewußtseinserscheinnngen<lb/> in physische Vorgänge und der Auflösung dieser in jene, so würde die zweite<lb/> ausführbarer erscheinen. Denn unser Bewußtsein kennen wir, von der ge¬<lb/> samten Körperwelt dagegen kennen wir gar nichts als die Wirkungen, die sie<lb/> in unserm Bewußtsein hervorbringt. Das Seelenleben in Materie auflösen<lb/> wollen, würde also heißen, ein verhältnismäßig Bekanntes dnrch das absolut<lb/> Unbekannte erklären wollen. Am faßbarsten ist die Annahme, daß wir es<lb/> mit zwei Offenbarungsformen derselben Wesenheit zu tun haben, daß es<lb/> dasselbe ist, was sich objektiv gesehen als materielle, subjektiv gesehen als<lb/> Bewußtseinseinheit darstellt. Doch auch bei dieser Annahme bleibt uns die<lb/> Verknüpfung der beiden Daseinsweisen so dunkel wie zuvor. Sobald wir den<lb/> Ausdruck substÄnos ok urinä anders gebrauchen als das X einer Gleichung<lb/> (jedenfalls hat er eine Gleichung im Sinn, die nicht aufgelöst werden kann),<lb/> so verwickeln wir uns in Irrtümer. Auf dem richtigen Wege können wir<lb/> nur bleiben, wenn wir uns bestündig vor Augen halten, daß Symbole eben<lb/> nur Symbole sind, und daß wir den Dualismus nicht los werden. Da das<lb/> Unwißbare, sofern es sich innerhalb unsers Bewußtseins als Gefühl kundgibt,<lb/> nicht weniger unerforschlich ist, als wenn es sich außerhalb unsers Bewußtseins<lb/> in andern Gestalten kundgibt, so kommen wir dem Verständnis dieser andern<lb/> Gestatte,, dadurch nicht näher, daß wir sie auf geistige Elemente zurückführen.<lb/> Weder das bedingte Subjektive noch das bedingte Objektive kann das beiden<lb/> gemeinsam zugrunde liegende unbedingte Wesen sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_3658" next="#ID_3659"> Es wird dann gezeigt, wie sich der Geist mit dem Leben, also biologisch,<lb/> entwickelt. Leben wird noch einmal definiert, und zwar als eine sich in<lb/> Wechselwirkung mit äußern Tätigkeiten selbst erhaltende innere Tätigkeit. Die<lb/> einfachsten Lebewesen empfangen von ihrer ganz gleichförmigen Umgebung,<lb/> dem Wasser, nur gleichförmige Eindrücke. Wachsende Mannigfaltigkeit der<lb/> Umgebung und der Einwirkungen gliedert den Leib immer feiner und erzeugt<lb/> nach Entstehung eines Nervensystems eine immer größere Mannigfaltigkeit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0650]
Herbert Spencers System
beweisen durch ihre Furcht nicht weniger als jene durch ihre Hoffnung, daß
sie eine mechanische (in terrns c»t w-Msr gegebne) Erklärung des Seelenlebens
für möglich halten, während so mancher, den sie einen Materialisten schelten,
von der unerschütterlichen Überzeugung durchdrungen ist, daß auch nicht die
entfernteste Möglichkeit von so etwas besteht.
Wer unerschrocken die Analyse bis zum äußersten treibt, der erkennt klar,
daß unser Begriff von Materie weiter nichts ist als ein Sinnbild, ein Zeichen
der einen Form von Offenbarung einer unbekannten und unerkennbaren Macht,
und daß dieses Symbol der symbolisierten Sache nicht gleichen kann. Er er¬
kennt nicht weniger deutlich, daß die Darstellung der objektiven Geschehnisse
als Bewegung eben nur eine Darstellung, nicht eine Erkenntnis ist, und daß
es absurd sein würde, wenn wir uus die in den Geschehnissen sich offen¬
barende Macht oder Kraft als materielle Bewegung dächten. (Er stellt noch
einmal die Widersprüche dar, in die alle Hypothesen über das Wesen der
Materie verwickeln.) Ebenso sind auch die Vorstellungen, die wir uus von
den einfachsten Bestandteilen des Bewußtseins machen, nur Symbole. Wären
wir gezwungen zu wählen zwischen der Auflösung der Bewußtseinserscheinnngen
in physische Vorgänge und der Auflösung dieser in jene, so würde die zweite
ausführbarer erscheinen. Denn unser Bewußtsein kennen wir, von der ge¬
samten Körperwelt dagegen kennen wir gar nichts als die Wirkungen, die sie
in unserm Bewußtsein hervorbringt. Das Seelenleben in Materie auflösen
wollen, würde also heißen, ein verhältnismäßig Bekanntes dnrch das absolut
Unbekannte erklären wollen. Am faßbarsten ist die Annahme, daß wir es
mit zwei Offenbarungsformen derselben Wesenheit zu tun haben, daß es
dasselbe ist, was sich objektiv gesehen als materielle, subjektiv gesehen als
Bewußtseinseinheit darstellt. Doch auch bei dieser Annahme bleibt uns die
Verknüpfung der beiden Daseinsweisen so dunkel wie zuvor. Sobald wir den
Ausdruck substÄnos ok urinä anders gebrauchen als das X einer Gleichung
(jedenfalls hat er eine Gleichung im Sinn, die nicht aufgelöst werden kann),
so verwickeln wir uns in Irrtümer. Auf dem richtigen Wege können wir
nur bleiben, wenn wir uns bestündig vor Augen halten, daß Symbole eben
nur Symbole sind, und daß wir den Dualismus nicht los werden. Da das
Unwißbare, sofern es sich innerhalb unsers Bewußtseins als Gefühl kundgibt,
nicht weniger unerforschlich ist, als wenn es sich außerhalb unsers Bewußtseins
in andern Gestalten kundgibt, so kommen wir dem Verständnis dieser andern
Gestatte,, dadurch nicht näher, daß wir sie auf geistige Elemente zurückführen.
Weder das bedingte Subjektive noch das bedingte Objektive kann das beiden
gemeinsam zugrunde liegende unbedingte Wesen sein.
Es wird dann gezeigt, wie sich der Geist mit dem Leben, also biologisch,
entwickelt. Leben wird noch einmal definiert, und zwar als eine sich in
Wechselwirkung mit äußern Tätigkeiten selbst erhaltende innere Tätigkeit. Die
einfachsten Lebewesen empfangen von ihrer ganz gleichförmigen Umgebung,
dem Wasser, nur gleichförmige Eindrücke. Wachsende Mannigfaltigkeit der
Umgebung und der Einwirkungen gliedert den Leib immer feiner und erzeugt
nach Entstehung eines Nervensystems eine immer größere Mannigfaltigkeit
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |