Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.Rußland und China bis zum vertrage von Nertschinsk des 27. Augusts Truppen fortschicken, die "um Uaksa herum alles Getreide Es lag also durchaus nicht in der Macht der Jesuiten, in Fragen der So dürfen wir auch den Grenzvertrag von Nertschinsk nicht als unter Rußland und China bis zum vertrage von Nertschinsk des 27. Augusts Truppen fortschicken, die „um Uaksa herum alles Getreide Es lag also durchaus nicht in der Macht der Jesuiten, in Fragen der So dürfen wir auch den Grenzvertrag von Nertschinsk nicht als unter <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0518" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293315"/> <fw type="header" place="top"> Rußland und China bis zum vertrage von Nertschinsk</fw><lb/> <p xml:id="ID_2861" prev="#ID_2860"> des 27. Augusts Truppen fortschicken, die „um Uaksa herum alles Getreide<lb/> verderben" sollten, bewilligt der russische Gesandte am 28. die chinesischen<lb/> Forderungen. Sein Auftrag wird gewesen sein: Möglichst viel zu erreichen<lb/> suchen, schließlich auch mit wenigem zufrieden zu sein, auf jeden Fall aber<lb/> Frieden zu schließen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2862"> Es lag also durchaus nicht in der Macht der Jesuiten, in Fragen der<lb/> Grenzregulierung einen Einfluß auf den chinesischen Gesandten auszuüben, der<lb/> ja selbst an eine starre Vorschrift gebunden war. Sie hatten kein Recht, an<lb/> den Besprechungen der chinesischen Würdenträger teilzunehmen, wurden aber<lb/> dazu „geladen" und auch „befohlen"; denn für die Chinesen waren sie als<lb/> Europäer unentbehrlich im Verkehr mit Europäern, sie waren ihnen Unter¬<lb/> händler und Ratgeber, soweit ihre eigne Macht reichte. Doch die Jesuiten<lb/> hüteten sich, jemals bei irgend einer Beschlußfassung ausschlaggebend sein zu<lb/> wollen: „In dieser Unentschlossenheit wollten sie (die Chinesen) unsre Meinung<lb/> hören; wir trugen aber billig Bedenken, etwas in dieser kitzligen Sache zu<lb/> sagen." Irgend welche Verantwortlichkeit wollten sie niemals auf sich nehmen.<lb/> Die Stellung der Jesuiten charakterisiert sich demnach als die von Vermittlern,<lb/> die aus eigner Machtvollkommenheit weder Zugeständnisse machen noch For¬<lb/> derungen aufstellen konnten, und die sogar in untergeordneten Fragen jedes<lb/> entscheidende Eingreifen vermieden, wenn ihnen daraus Weiterungen hätten<lb/> entstehn können.</p><lb/> <p xml:id="ID_2863" next="#ID_2864"> So dürfen wir auch den Grenzvertrag von Nertschinsk nicht als unter<lb/> jesuitischen Einfluß entstanden ansehen; soweit reichte ihre Macht nicht, und<lb/> Baer betrachtet den ganzen Vorgang durch die Brille des Russen, es erscheint<lb/> ihm rühmlicher, das Zurückgehn seiner Landsleute am Amur nicht mit ihrer<lb/> erklärlichen militärischen Schwäche zu begründen, sondern sie als die Be-<lb/> trognen hinzustellen. Es lag auch gar nicht in der Absicht der Jesuiten, den<lb/> Russen irgendwie schaden zu wollen. Die beiden frommen Väter sollen hier<lb/> durchaus nicht als die uneigennützigen Friedensengel hingestellt werden. Ihre<lb/> Handlung war von Anfang an Berechnung: ihr Zurückschrecken vor einem<lb/> ausschlaggebenden Rate, der schließlich nachteilig sein konnte, in den Kon¬<lb/> ferenzen der Chinesen, ihre rastlose Vermittlertütigkeit im Dienste der unbe¬<lb/> holfnen chinesischen Gesandten und ihre verheißenden Andeutungen, die sie<lb/> dem russischen Bevollmächtigten machten, dem ihre Dienste ebenfalls von<lb/> größtem Nutzen waren. Das aber, worauf sie rechneten, war die Dankbar¬<lb/> keit aller Beteiligten; nicht für sich beanspruchten sie die, sondern für ihren<lb/> Orden. „Daher versprach uns auch der russische Bevollmächtigte, daß er bei<lb/> seinem Herrn, dem Großfürsten, die guten Dienste, so wir hierbei geleistet,<lb/> würde zu rühmen wissen, wobei er uns die Hoffnung machte, daß unser<lb/> Jesuiterorden in Moskau sollte geschützt werden. Eben diese Gerechtigkeit<lb/> ließen uns auch unsre Abgesandten widerfahren. Denn sie trugen dem Offi¬<lb/> zier, der dem Kaiser von ihrer Ncgotiation Nachricht bringen mußte, insonder¬<lb/> heit dieses auf, daß er dem Kaiser sagen möchte, daß diese wichtige Angelegen¬<lb/> heit ohne uns nicht würde geendigt worden sein, und daß sie uns alles zu<lb/> danken Hütten," schreibt Gerbillon. In China erreichten sie denn auch ihren<lb/> Zweck durch das Edikt vom 20. März 1692, das den Jesuiten „wegen ihrer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0518]
Rußland und China bis zum vertrage von Nertschinsk
des 27. Augusts Truppen fortschicken, die „um Uaksa herum alles Getreide
verderben" sollten, bewilligt der russische Gesandte am 28. die chinesischen
Forderungen. Sein Auftrag wird gewesen sein: Möglichst viel zu erreichen
suchen, schließlich auch mit wenigem zufrieden zu sein, auf jeden Fall aber
Frieden zu schließen.
Es lag also durchaus nicht in der Macht der Jesuiten, in Fragen der
Grenzregulierung einen Einfluß auf den chinesischen Gesandten auszuüben, der
ja selbst an eine starre Vorschrift gebunden war. Sie hatten kein Recht, an
den Besprechungen der chinesischen Würdenträger teilzunehmen, wurden aber
dazu „geladen" und auch „befohlen"; denn für die Chinesen waren sie als
Europäer unentbehrlich im Verkehr mit Europäern, sie waren ihnen Unter¬
händler und Ratgeber, soweit ihre eigne Macht reichte. Doch die Jesuiten
hüteten sich, jemals bei irgend einer Beschlußfassung ausschlaggebend sein zu
wollen: „In dieser Unentschlossenheit wollten sie (die Chinesen) unsre Meinung
hören; wir trugen aber billig Bedenken, etwas in dieser kitzligen Sache zu
sagen." Irgend welche Verantwortlichkeit wollten sie niemals auf sich nehmen.
Die Stellung der Jesuiten charakterisiert sich demnach als die von Vermittlern,
die aus eigner Machtvollkommenheit weder Zugeständnisse machen noch For¬
derungen aufstellen konnten, und die sogar in untergeordneten Fragen jedes
entscheidende Eingreifen vermieden, wenn ihnen daraus Weiterungen hätten
entstehn können.
So dürfen wir auch den Grenzvertrag von Nertschinsk nicht als unter
jesuitischen Einfluß entstanden ansehen; soweit reichte ihre Macht nicht, und
Baer betrachtet den ganzen Vorgang durch die Brille des Russen, es erscheint
ihm rühmlicher, das Zurückgehn seiner Landsleute am Amur nicht mit ihrer
erklärlichen militärischen Schwäche zu begründen, sondern sie als die Be-
trognen hinzustellen. Es lag auch gar nicht in der Absicht der Jesuiten, den
Russen irgendwie schaden zu wollen. Die beiden frommen Väter sollen hier
durchaus nicht als die uneigennützigen Friedensengel hingestellt werden. Ihre
Handlung war von Anfang an Berechnung: ihr Zurückschrecken vor einem
ausschlaggebenden Rate, der schließlich nachteilig sein konnte, in den Kon¬
ferenzen der Chinesen, ihre rastlose Vermittlertütigkeit im Dienste der unbe¬
holfnen chinesischen Gesandten und ihre verheißenden Andeutungen, die sie
dem russischen Bevollmächtigten machten, dem ihre Dienste ebenfalls von
größtem Nutzen waren. Das aber, worauf sie rechneten, war die Dankbar¬
keit aller Beteiligten; nicht für sich beanspruchten sie die, sondern für ihren
Orden. „Daher versprach uns auch der russische Bevollmächtigte, daß er bei
seinem Herrn, dem Großfürsten, die guten Dienste, so wir hierbei geleistet,
würde zu rühmen wissen, wobei er uns die Hoffnung machte, daß unser
Jesuiterorden in Moskau sollte geschützt werden. Eben diese Gerechtigkeit
ließen uns auch unsre Abgesandten widerfahren. Denn sie trugen dem Offi¬
zier, der dem Kaiser von ihrer Ncgotiation Nachricht bringen mußte, insonder¬
heit dieses auf, daß er dem Kaiser sagen möchte, daß diese wichtige Angelegen¬
heit ohne uns nicht würde geendigt worden sein, und daß sie uns alles zu
danken Hütten," schreibt Gerbillon. In China erreichten sie denn auch ihren
Zweck durch das Edikt vom 20. März 1692, das den Jesuiten „wegen ihrer
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