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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Sinekure ansah, nicht gefielen. So kam es, daß der alte Herr seinem Briqade-
chef oft recht unbequem wurde. Die Charaktere beider Männer waren einander
ähnlich: beide hatten ihre Laufbahn an der Spitze leichter Fußtruppen be¬
gonnen, beide waren eisenfeste Soldaten aus der altpreußischen Schule, und
beide wollten ihren Willen innerhalb ihrer dienstlichen Befugnisse mit voller
Entschiedenheit durchsetzen. Zwischen zwei so ähnlichen Charakteren war eine
Zuneigung wohl nicht gut möglich, wie jn bekanntlich eine solche auch
zwischen York und Blücher nicht bestand; wohl aber bestand eine gegenseitige
Achtung, und das Urteil Droysens ist durch keine Äußerung aus Yorks
Munde gestützt.

Im Winter 1809 kam der König auf seiner Reise von Marienwerder nach
Berlin durch Graudenz. Bei dieser Gelegenheit sah Courbiere seinen königlichen
Herrn zum letztenmal. Am 1. Februar verlor der alte Feldmarschall seine
treue Gattin, aber schon nach einigen Jahren, am 23. Juli 1811, folgte er ihr
im Tode nach. Er hatte sein Leben auf 78^ Jahre gebracht. Die gemein¬
same Gruft liegt im Innern der Bastion III, wo Courbiere oft seinen Stand¬
ort bei der Beobachtung der Belagerung hatte. Von seinen fünf Söhnen standen
vier 1813 im Felde, zwei davon als Landwehrbataillonskommandeure; der
älteste und der dritte ließen im Freiheitskampf ihr Leben. Gleich nach dem
Frieden, am 26. Mai 1815, wurde dem alten Helden von Graudenz auf könig¬
liche Kosten ein einfaches, aber würdiges Denkmal gesetzt. Es trägt die Inschrift:
"Wilhelm Reinhard de l'Homme de Courbiere, Königl. Preuß. Generalfeld¬
marschall und Gouverneur von Graudenz, geboren 23. Februar 1733, gestorben
23. Juli 1811. -- Ihm, dem unerschütterlichen Krieger, verdankt König und
Baterland die Erhaltung dieser Feste." Seit 1893 hat die ehemalige Zitadelle
der Festung zum ehrenden Gedächtnis des alten Helden den Namen "Feste
Courbiere" erhalten.

Durch Conrbicres tapfere Tat und unbeugsame Entschlossenheit wurde
freilich der Gang der großen geschichtlichen Ereignisse dieser Zeit nicht aufge¬
halten und in andre Bahnen gelenkt; er wurde von andern Umstünden be¬
stimmt. Das aber muß rühmend als das hohe und unsterbliche Verdienst
Courbieres hervorgehoben werden, daß dnrch seine heldenhafte Verteidigung von
Graudenz Mut und Selbstvertrauen wieder aufgeweckt wurden, und daß trotz
des furchtbaren Niederbruchs und des grenzenlosen Elends im Preußenlande
die Hoffnung auf bessere Zeiten aufrecht erhalten wurde.




Sinekure ansah, nicht gefielen. So kam es, daß der alte Herr seinem Briqade-
chef oft recht unbequem wurde. Die Charaktere beider Männer waren einander
ähnlich: beide hatten ihre Laufbahn an der Spitze leichter Fußtruppen be¬
gonnen, beide waren eisenfeste Soldaten aus der altpreußischen Schule, und
beide wollten ihren Willen innerhalb ihrer dienstlichen Befugnisse mit voller
Entschiedenheit durchsetzen. Zwischen zwei so ähnlichen Charakteren war eine
Zuneigung wohl nicht gut möglich, wie jn bekanntlich eine solche auch
zwischen York und Blücher nicht bestand; wohl aber bestand eine gegenseitige
Achtung, und das Urteil Droysens ist durch keine Äußerung aus Yorks
Munde gestützt.

Im Winter 1809 kam der König auf seiner Reise von Marienwerder nach
Berlin durch Graudenz. Bei dieser Gelegenheit sah Courbiere seinen königlichen
Herrn zum letztenmal. Am 1. Februar verlor der alte Feldmarschall seine
treue Gattin, aber schon nach einigen Jahren, am 23. Juli 1811, folgte er ihr
im Tode nach. Er hatte sein Leben auf 78^ Jahre gebracht. Die gemein¬
same Gruft liegt im Innern der Bastion III, wo Courbiere oft seinen Stand¬
ort bei der Beobachtung der Belagerung hatte. Von seinen fünf Söhnen standen
vier 1813 im Felde, zwei davon als Landwehrbataillonskommandeure; der
älteste und der dritte ließen im Freiheitskampf ihr Leben. Gleich nach dem
Frieden, am 26. Mai 1815, wurde dem alten Helden von Graudenz auf könig¬
liche Kosten ein einfaches, aber würdiges Denkmal gesetzt. Es trägt die Inschrift:
„Wilhelm Reinhard de l'Homme de Courbiere, Königl. Preuß. Generalfeld¬
marschall und Gouverneur von Graudenz, geboren 23. Februar 1733, gestorben
23. Juli 1811. — Ihm, dem unerschütterlichen Krieger, verdankt König und
Baterland die Erhaltung dieser Feste." Seit 1893 hat die ehemalige Zitadelle
der Festung zum ehrenden Gedächtnis des alten Helden den Namen „Feste
Courbiere" erhalten.

Durch Conrbicres tapfere Tat und unbeugsame Entschlossenheit wurde
freilich der Gang der großen geschichtlichen Ereignisse dieser Zeit nicht aufge¬
halten und in andre Bahnen gelenkt; er wurde von andern Umstünden be¬
stimmt. Das aber muß rühmend als das hohe und unsterbliche Verdienst
Courbieres hervorgehoben werden, daß dnrch seine heldenhafte Verteidigung von
Graudenz Mut und Selbstvertrauen wieder aufgeweckt wurden, und daß trotz
des furchtbaren Niederbruchs und des grenzenlosen Elends im Preußenlande
die Hoffnung auf bessere Zeiten aufrecht erhalten wurde.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/479>, abgerufen am 22.07.2024.