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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Rußland und Japan

land ihm fortgesetzt entgegen, China war zwar durch den Frieden aus allen
koreanischen Angelegenheiten ausgemerzt morden. An dessen Stelle war aber
das mächtige Rußland getreten, das in der richtigen Erkenntnis der so sehr
veränderten Machtverhältnisse in Ostasien seine Position unausgesetzt vervoll¬
kommnete und im Begriff war, eine Bahn zu bauen, die es militärisch bald
zum Herrn des Festlandes von Nordchina und Korea machen würde.

Japan hatte sofort die einflußreichsten Beamten Koreas durch solche Koreaner
ersetzt, die nur für Japan arbeiteten. Dadurch war dem König jeder anti¬
japanische Einfluß auf die Negierung des Landes genommen worden. Das
bedeutendste Hindernis für die Tätigkeit der Japaner in Korea war aber die
Königin. Diese wurde deshalb am 8. Oktober 1895 im Palast ermordet. Der
Versuch, sich des Königs zu bemächtigen, mißlang; dieser flüchtete sich, um der
fortwährenden Bedrohung durch die Japaner zu entgehn, in die russische Ge-
sandtschaft. In den nun folgenden Verhandlungen zwischen Nußland und Japan,
die in dem Abkommen vom 14. Mai 1896 in sont, vom 6. Juni 1896 in
Moskau niedergelegt wurden, und die nach Organisierung der koreanischen
Finanzen und Truppen durch Rußland im Vertrage von Tokio am 25. April 1898
zum Abschlüsse kamen, wurde die gänzliche Unabhängigkeit und Selbständigkeit
des koreanischen Reiches von beiden Staaten anerkannt, mit der gegenseitigen
Verpflichtung, sich jeder Einmischung in die innern Angelegenheiten des Landes
zu enthalten. Falls Korea den Rat und die Unterstützung einer der beiden
Mächte nachsuchen sollte, verpflichteten sie sich, keine Maßnahmen zu treffen,
ohne zuvor darüber zu einem gegenseitigen Einverständnis gelangt zu sein. Auch
verpflichtete sich Nußland, dem japanischen Handel keine Hindernisse in den
Weg zu legen. Rußland hatte hierdurch erreicht, daß Japan alle die Vorteile,
die es durch seinen Krieg mit China Korea gegenüber zu erlangen hoffte, vor--
tausig aufgeben mußte. Korea blieb in derselben hilflosen, für Nußland ange¬
genehmen Verfassung wie vor dem Kriege. Rußland konnte weiter arbeiten
und abwarten, bis ein günstigerer Augenblick, nach Herstellung seiner Bahn
und nach Erledigung seiner näher liegenden Aufgaben in der Mandschurei und
südlich davon, ihm neue Wege zur Erreichung seiner großen Ziele in Korea
chüele.

Und Rußland arbeitete weiter. Die schnell aufeinander folgenden großen
Erfolge der damaligen Zeit zeugen am besten, welchen gewaltigen Einfluß es
auf China ausüben konnte. Kurz nach dem Kriege machte es China finanziell
von sich abhängig. Die von Japan geforderte Kriegsentschädigung betrug
230 Millionen Taels. Der russische Finanzminister Witte setzte nun zur
Zahlung dieser Summe und zur Reorganisation der chinesischen Armee und
Marine mit Hilfe von sieben französischen und vier russischen Banken den Ab¬
schluß eines Anleihekontrakts durch. Unter Führung der russischen National¬
bank verpflichteten sich diese zur Übernahme einer Anleihe von 400 Millionen
Franken unter Garantie der russischen Regierung im Falle der Zahlungsunfähig¬
keit der chinesischen.

Von China wurden für die Zinszcchluug und die Amortisation die noch
nicht anderweitig verpfändeten Einnahmen der Seezollämter angewiesen- Um
diese Abhängigkeit Chinas zu verstärken, errichtete Rußland 1896 zum Bau der


Rußland und Japan

land ihm fortgesetzt entgegen, China war zwar durch den Frieden aus allen
koreanischen Angelegenheiten ausgemerzt morden. An dessen Stelle war aber
das mächtige Rußland getreten, das in der richtigen Erkenntnis der so sehr
veränderten Machtverhältnisse in Ostasien seine Position unausgesetzt vervoll¬
kommnete und im Begriff war, eine Bahn zu bauen, die es militärisch bald
zum Herrn des Festlandes von Nordchina und Korea machen würde.

Japan hatte sofort die einflußreichsten Beamten Koreas durch solche Koreaner
ersetzt, die nur für Japan arbeiteten. Dadurch war dem König jeder anti¬
japanische Einfluß auf die Negierung des Landes genommen worden. Das
bedeutendste Hindernis für die Tätigkeit der Japaner in Korea war aber die
Königin. Diese wurde deshalb am 8. Oktober 1895 im Palast ermordet. Der
Versuch, sich des Königs zu bemächtigen, mißlang; dieser flüchtete sich, um der
fortwährenden Bedrohung durch die Japaner zu entgehn, in die russische Ge-
sandtschaft. In den nun folgenden Verhandlungen zwischen Nußland und Japan,
die in dem Abkommen vom 14. Mai 1896 in sont, vom 6. Juni 1896 in
Moskau niedergelegt wurden, und die nach Organisierung der koreanischen
Finanzen und Truppen durch Rußland im Vertrage von Tokio am 25. April 1898
zum Abschlüsse kamen, wurde die gänzliche Unabhängigkeit und Selbständigkeit
des koreanischen Reiches von beiden Staaten anerkannt, mit der gegenseitigen
Verpflichtung, sich jeder Einmischung in die innern Angelegenheiten des Landes
zu enthalten. Falls Korea den Rat und die Unterstützung einer der beiden
Mächte nachsuchen sollte, verpflichteten sie sich, keine Maßnahmen zu treffen,
ohne zuvor darüber zu einem gegenseitigen Einverständnis gelangt zu sein. Auch
verpflichtete sich Nußland, dem japanischen Handel keine Hindernisse in den
Weg zu legen. Rußland hatte hierdurch erreicht, daß Japan alle die Vorteile,
die es durch seinen Krieg mit China Korea gegenüber zu erlangen hoffte, vor--
tausig aufgeben mußte. Korea blieb in derselben hilflosen, für Nußland ange¬
genehmen Verfassung wie vor dem Kriege. Rußland konnte weiter arbeiten
und abwarten, bis ein günstigerer Augenblick, nach Herstellung seiner Bahn
und nach Erledigung seiner näher liegenden Aufgaben in der Mandschurei und
südlich davon, ihm neue Wege zur Erreichung seiner großen Ziele in Korea
chüele.

Und Rußland arbeitete weiter. Die schnell aufeinander folgenden großen
Erfolge der damaligen Zeit zeugen am besten, welchen gewaltigen Einfluß es
auf China ausüben konnte. Kurz nach dem Kriege machte es China finanziell
von sich abhängig. Die von Japan geforderte Kriegsentschädigung betrug
230 Millionen Taels. Der russische Finanzminister Witte setzte nun zur
Zahlung dieser Summe und zur Reorganisation der chinesischen Armee und
Marine mit Hilfe von sieben französischen und vier russischen Banken den Ab¬
schluß eines Anleihekontrakts durch. Unter Führung der russischen National¬
bank verpflichteten sich diese zur Übernahme einer Anleihe von 400 Millionen
Franken unter Garantie der russischen Regierung im Falle der Zahlungsunfähig¬
keit der chinesischen.

Von China wurden für die Zinszcchluug und die Amortisation die noch
nicht anderweitig verpfändeten Einnahmen der Seezollämter angewiesen- Um
diese Abhängigkeit Chinas zu verstärken, errichtete Rußland 1896 zum Bau der


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[0326] Rußland und Japan land ihm fortgesetzt entgegen, China war zwar durch den Frieden aus allen koreanischen Angelegenheiten ausgemerzt morden. An dessen Stelle war aber das mächtige Rußland getreten, das in der richtigen Erkenntnis der so sehr veränderten Machtverhältnisse in Ostasien seine Position unausgesetzt vervoll¬ kommnete und im Begriff war, eine Bahn zu bauen, die es militärisch bald zum Herrn des Festlandes von Nordchina und Korea machen würde. Japan hatte sofort die einflußreichsten Beamten Koreas durch solche Koreaner ersetzt, die nur für Japan arbeiteten. Dadurch war dem König jeder anti¬ japanische Einfluß auf die Negierung des Landes genommen worden. Das bedeutendste Hindernis für die Tätigkeit der Japaner in Korea war aber die Königin. Diese wurde deshalb am 8. Oktober 1895 im Palast ermordet. Der Versuch, sich des Königs zu bemächtigen, mißlang; dieser flüchtete sich, um der fortwährenden Bedrohung durch die Japaner zu entgehn, in die russische Ge- sandtschaft. In den nun folgenden Verhandlungen zwischen Nußland und Japan, die in dem Abkommen vom 14. Mai 1896 in sont, vom 6. Juni 1896 in Moskau niedergelegt wurden, und die nach Organisierung der koreanischen Finanzen und Truppen durch Rußland im Vertrage von Tokio am 25. April 1898 zum Abschlüsse kamen, wurde die gänzliche Unabhängigkeit und Selbständigkeit des koreanischen Reiches von beiden Staaten anerkannt, mit der gegenseitigen Verpflichtung, sich jeder Einmischung in die innern Angelegenheiten des Landes zu enthalten. Falls Korea den Rat und die Unterstützung einer der beiden Mächte nachsuchen sollte, verpflichteten sie sich, keine Maßnahmen zu treffen, ohne zuvor darüber zu einem gegenseitigen Einverständnis gelangt zu sein. Auch verpflichtete sich Nußland, dem japanischen Handel keine Hindernisse in den Weg zu legen. Rußland hatte hierdurch erreicht, daß Japan alle die Vorteile, die es durch seinen Krieg mit China Korea gegenüber zu erlangen hoffte, vor-- tausig aufgeben mußte. Korea blieb in derselben hilflosen, für Nußland ange¬ genehmen Verfassung wie vor dem Kriege. Rußland konnte weiter arbeiten und abwarten, bis ein günstigerer Augenblick, nach Herstellung seiner Bahn und nach Erledigung seiner näher liegenden Aufgaben in der Mandschurei und südlich davon, ihm neue Wege zur Erreichung seiner großen Ziele in Korea chüele. Und Rußland arbeitete weiter. Die schnell aufeinander folgenden großen Erfolge der damaligen Zeit zeugen am besten, welchen gewaltigen Einfluß es auf China ausüben konnte. Kurz nach dem Kriege machte es China finanziell von sich abhängig. Die von Japan geforderte Kriegsentschädigung betrug 230 Millionen Taels. Der russische Finanzminister Witte setzte nun zur Zahlung dieser Summe und zur Reorganisation der chinesischen Armee und Marine mit Hilfe von sieben französischen und vier russischen Banken den Ab¬ schluß eines Anleihekontrakts durch. Unter Führung der russischen National¬ bank verpflichteten sich diese zur Übernahme einer Anleihe von 400 Millionen Franken unter Garantie der russischen Regierung im Falle der Zahlungsunfähig¬ keit der chinesischen. Von China wurden für die Zinszcchluug und die Amortisation die noch nicht anderweitig verpfändeten Einnahmen der Seezollämter angewiesen- Um diese Abhängigkeit Chinas zu verstärken, errichtete Rußland 1896 zum Bau der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/326>, abgerufen am 25.08.2024.