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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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von der Spree zur Gder

und ihren Bundesgenossen erobert. Friedrich der Große hat deshalb nach dem
Frieden die Festungswerke schleifen lassen.

Wenig Kilometer östlich von Penz trennt ein Höhenzug die etwas oberhalb
ziemlich benachbarten Flüsse Malxe und Reiße: jene wendet sich zur Spree, diese
zur Oder; wir überschreiten also hier eine Wasserscheide zwischen Nord- und Ostsee.
Ehe die Reiße die Oder erreicht, nimmt sie, etwa fünfundzwanzig Kilometer nord¬
östlich von Penz, die von Sommerfeld herkommende Lubis auf. Von da an ist die
Reiße bis zu ihrer Einmündung in die Oder schiffbar. An so bevorzugter Stelle
mußte frühzeitig ein wichtiger Handelsplatz entstehn: das ist Guben l^not wendisch
-- Mündung, russisch ---- Hafen). Der Ort war sicherlich schon in den polnisch-
dentschen Kämpfen des elften Jahrhunderts von Bedeutung; 1235 erhielt er von
dem Wettiner Heinrich dem Erlauchten das magdeburgische Stadtrecht. Ein Jahr¬
hundert später, als die Wettiner wieder einmal (1350 bis 1364) Landesherren
der Lausitz waren, beherbergte Guben außer den Zünften schon ein selbstbewußtes
Patriziat und machte bei deu Streitigkeiten um die Herrschaft im Lande seine
Stimme geltend. Die Herren von Budissin, von Stradow, von Lieberose, die
Zache, Ziegenfras, Tylo, die mit den Einkünften der Judenhöfe, mit der Münze,
mit ganzen Dörfern belehnt werden, saßen als Bürger zu Guben; Männer aus
diesen Familien erscheinen aber auch, wie die gleichzeitigen Ahnen Bismarcks, Rule
und Claus, Bürger von Stendal, im brandenburgischen Hof- und Verwaltungs¬
dienste eine wichtige Rolle zu spielen, als Bankiers und Räte der Landesherren der
Niederlausitz. Der Reichtum dieser Geschlechter war wohl durch gewinnbringenden
Handel auf der Oder und der Weichsel begründet worden. Auf diesem Gebiete
wird Guben freilich bald durch Frankfurt an der Oder überflügelt. Aber noch
1359 haben die Brandenburger und die Wettiner ans einer Verhandlung in
Jüterbog die Privilegien der Gubener bestätigt. Später hat auch Karl der Vierte
öfters in Guben geweilt, und der dortige Zoll war so bedeutend, daß Markgraf
Jost 1491 daraus jährlich 199 Schock böhmische Groschen für ein Darlehen von
2999 Schock verpfänden konnte, das er von dem Wettiner Wilhelm dem Ersten
erhalten hatte.

Im Jahre 1526 kamen die Lausitzer und Böhmen, Schlesien und Mähren
an das Haus Habsburg; trotzdem fand bei der Wnrzelschwäche des österreichischen
Regiments die Reformation in Guben leicht Eingang. Das Gnbener Jungfrauen¬
kloster wurde 1563 säkularisiert, und 1589 wurden darin königlich böhmische Salz¬
siedewerke errichtet, in denen man portugiesische und spanische Baisalze verarbeitete,
die von Stettin her ans dem Wasserwege nach Guben gelangten. Dann kam
während des Dreißigjährigen Krieges das kursächsische und seit 1815 das preußische
Regiment. Guben hatte damals 6999 Einwohner; heute ist es die zweite Stadt
der Niederlnusitz mit mehr als 39999 Einwohnern. Es wird von allen Nicder-
lausitzern mit Stolz genannt. "Guben ist unser Paradies," sagte man uns schon
in Forst und in Pforten. Wir waren nämlich nicht auf dem nächsten Wege von
der Spree her ins Neißetal gefahren, sondern hatten den Brühlischcn Schlössern
zuliebe den Umweg über die genannten Städte gewählt. Unsre Erwartungen erfüllten
sich. Als wir von Süden her aus den die Lnbis begleitenden Wäldern ins offne
Land kamen, sahen wir Guben mit seinen zahlreichen Türmen an einer wohlangebauten
Hügelkette liegen, die wir der Niederlausitz nie zugetraut hätten. Winzerhcinser
und Villen stehn am obern Rande, Weinberge, Saatfelder und Fruchtgärten ziehn
sich von ihnen in schimmernden Streifen zur Flußniederung herab. Das Ganze
erinnert an das ethische Fruchtgelände zwischen Lnschwitz und Wachwitz, nur sind
die Verhältnisse kleiner. Auch in Guben ist der Weinbau zurückgegangen, aber
einst war er von großer Bedeutung. Die Sage meldet, der Wettiner Konrad der
Große, seit 1136 auch Markgraf der Lausitzer, habe den Weinbau hier eingeführt. Ein
Hauptabnehmer in alter Zeit war das Ordensland Preußen: die Stadtrechnungen
von Elbing beweisen, daß dort die Hochmeister 1412 und 1413 mit Gubener Wein
bewirtet wurden, der meist von Johannes Birsmede in Guben bezogen war.


von der Spree zur Gder

und ihren Bundesgenossen erobert. Friedrich der Große hat deshalb nach dem
Frieden die Festungswerke schleifen lassen.

Wenig Kilometer östlich von Penz trennt ein Höhenzug die etwas oberhalb
ziemlich benachbarten Flüsse Malxe und Reiße: jene wendet sich zur Spree, diese
zur Oder; wir überschreiten also hier eine Wasserscheide zwischen Nord- und Ostsee.
Ehe die Reiße die Oder erreicht, nimmt sie, etwa fünfundzwanzig Kilometer nord¬
östlich von Penz, die von Sommerfeld herkommende Lubis auf. Von da an ist die
Reiße bis zu ihrer Einmündung in die Oder schiffbar. An so bevorzugter Stelle
mußte frühzeitig ein wichtiger Handelsplatz entstehn: das ist Guben l^not wendisch
— Mündung, russisch ---- Hafen). Der Ort war sicherlich schon in den polnisch-
dentschen Kämpfen des elften Jahrhunderts von Bedeutung; 1235 erhielt er von
dem Wettiner Heinrich dem Erlauchten das magdeburgische Stadtrecht. Ein Jahr¬
hundert später, als die Wettiner wieder einmal (1350 bis 1364) Landesherren
der Lausitz waren, beherbergte Guben außer den Zünften schon ein selbstbewußtes
Patriziat und machte bei deu Streitigkeiten um die Herrschaft im Lande seine
Stimme geltend. Die Herren von Budissin, von Stradow, von Lieberose, die
Zache, Ziegenfras, Tylo, die mit den Einkünften der Judenhöfe, mit der Münze,
mit ganzen Dörfern belehnt werden, saßen als Bürger zu Guben; Männer aus
diesen Familien erscheinen aber auch, wie die gleichzeitigen Ahnen Bismarcks, Rule
und Claus, Bürger von Stendal, im brandenburgischen Hof- und Verwaltungs¬
dienste eine wichtige Rolle zu spielen, als Bankiers und Räte der Landesherren der
Niederlausitz. Der Reichtum dieser Geschlechter war wohl durch gewinnbringenden
Handel auf der Oder und der Weichsel begründet worden. Auf diesem Gebiete
wird Guben freilich bald durch Frankfurt an der Oder überflügelt. Aber noch
1359 haben die Brandenburger und die Wettiner ans einer Verhandlung in
Jüterbog die Privilegien der Gubener bestätigt. Später hat auch Karl der Vierte
öfters in Guben geweilt, und der dortige Zoll war so bedeutend, daß Markgraf
Jost 1491 daraus jährlich 199 Schock böhmische Groschen für ein Darlehen von
2999 Schock verpfänden konnte, das er von dem Wettiner Wilhelm dem Ersten
erhalten hatte.

Im Jahre 1526 kamen die Lausitzer und Böhmen, Schlesien und Mähren
an das Haus Habsburg; trotzdem fand bei der Wnrzelschwäche des österreichischen
Regiments die Reformation in Guben leicht Eingang. Das Gnbener Jungfrauen¬
kloster wurde 1563 säkularisiert, und 1589 wurden darin königlich böhmische Salz¬
siedewerke errichtet, in denen man portugiesische und spanische Baisalze verarbeitete,
die von Stettin her ans dem Wasserwege nach Guben gelangten. Dann kam
während des Dreißigjährigen Krieges das kursächsische und seit 1815 das preußische
Regiment. Guben hatte damals 6999 Einwohner; heute ist es die zweite Stadt
der Niederlnusitz mit mehr als 39999 Einwohnern. Es wird von allen Nicder-
lausitzern mit Stolz genannt. „Guben ist unser Paradies," sagte man uns schon
in Forst und in Pforten. Wir waren nämlich nicht auf dem nächsten Wege von
der Spree her ins Neißetal gefahren, sondern hatten den Brühlischcn Schlössern
zuliebe den Umweg über die genannten Städte gewählt. Unsre Erwartungen erfüllten
sich. Als wir von Süden her aus den die Lnbis begleitenden Wäldern ins offne
Land kamen, sahen wir Guben mit seinen zahlreichen Türmen an einer wohlangebauten
Hügelkette liegen, die wir der Niederlausitz nie zugetraut hätten. Winzerhcinser
und Villen stehn am obern Rande, Weinberge, Saatfelder und Fruchtgärten ziehn
sich von ihnen in schimmernden Streifen zur Flußniederung herab. Das Ganze
erinnert an das ethische Fruchtgelände zwischen Lnschwitz und Wachwitz, nur sind
die Verhältnisse kleiner. Auch in Guben ist der Weinbau zurückgegangen, aber
einst war er von großer Bedeutung. Die Sage meldet, der Wettiner Konrad der
Große, seit 1136 auch Markgraf der Lausitzer, habe den Weinbau hier eingeführt. Ein
Hauptabnehmer in alter Zeit war das Ordensland Preußen: die Stadtrechnungen
von Elbing beweisen, daß dort die Hochmeister 1412 und 1413 mit Gubener Wein
bewirtet wurden, der meist von Johannes Birsmede in Guben bezogen war.


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[0297] von der Spree zur Gder und ihren Bundesgenossen erobert. Friedrich der Große hat deshalb nach dem Frieden die Festungswerke schleifen lassen. Wenig Kilometer östlich von Penz trennt ein Höhenzug die etwas oberhalb ziemlich benachbarten Flüsse Malxe und Reiße: jene wendet sich zur Spree, diese zur Oder; wir überschreiten also hier eine Wasserscheide zwischen Nord- und Ostsee. Ehe die Reiße die Oder erreicht, nimmt sie, etwa fünfundzwanzig Kilometer nord¬ östlich von Penz, die von Sommerfeld herkommende Lubis auf. Von da an ist die Reiße bis zu ihrer Einmündung in die Oder schiffbar. An so bevorzugter Stelle mußte frühzeitig ein wichtiger Handelsplatz entstehn: das ist Guben l^not wendisch — Mündung, russisch ---- Hafen). Der Ort war sicherlich schon in den polnisch- dentschen Kämpfen des elften Jahrhunderts von Bedeutung; 1235 erhielt er von dem Wettiner Heinrich dem Erlauchten das magdeburgische Stadtrecht. Ein Jahr¬ hundert später, als die Wettiner wieder einmal (1350 bis 1364) Landesherren der Lausitz waren, beherbergte Guben außer den Zünften schon ein selbstbewußtes Patriziat und machte bei deu Streitigkeiten um die Herrschaft im Lande seine Stimme geltend. Die Herren von Budissin, von Stradow, von Lieberose, die Zache, Ziegenfras, Tylo, die mit den Einkünften der Judenhöfe, mit der Münze, mit ganzen Dörfern belehnt werden, saßen als Bürger zu Guben; Männer aus diesen Familien erscheinen aber auch, wie die gleichzeitigen Ahnen Bismarcks, Rule und Claus, Bürger von Stendal, im brandenburgischen Hof- und Verwaltungs¬ dienste eine wichtige Rolle zu spielen, als Bankiers und Räte der Landesherren der Niederlausitz. Der Reichtum dieser Geschlechter war wohl durch gewinnbringenden Handel auf der Oder und der Weichsel begründet worden. Auf diesem Gebiete wird Guben freilich bald durch Frankfurt an der Oder überflügelt. Aber noch 1359 haben die Brandenburger und die Wettiner ans einer Verhandlung in Jüterbog die Privilegien der Gubener bestätigt. Später hat auch Karl der Vierte öfters in Guben geweilt, und der dortige Zoll war so bedeutend, daß Markgraf Jost 1491 daraus jährlich 199 Schock böhmische Groschen für ein Darlehen von 2999 Schock verpfänden konnte, das er von dem Wettiner Wilhelm dem Ersten erhalten hatte. Im Jahre 1526 kamen die Lausitzer und Böhmen, Schlesien und Mähren an das Haus Habsburg; trotzdem fand bei der Wnrzelschwäche des österreichischen Regiments die Reformation in Guben leicht Eingang. Das Gnbener Jungfrauen¬ kloster wurde 1563 säkularisiert, und 1589 wurden darin königlich böhmische Salz¬ siedewerke errichtet, in denen man portugiesische und spanische Baisalze verarbeitete, die von Stettin her ans dem Wasserwege nach Guben gelangten. Dann kam während des Dreißigjährigen Krieges das kursächsische und seit 1815 das preußische Regiment. Guben hatte damals 6999 Einwohner; heute ist es die zweite Stadt der Niederlnusitz mit mehr als 39999 Einwohnern. Es wird von allen Nicder- lausitzern mit Stolz genannt. „Guben ist unser Paradies," sagte man uns schon in Forst und in Pforten. Wir waren nämlich nicht auf dem nächsten Wege von der Spree her ins Neißetal gefahren, sondern hatten den Brühlischcn Schlössern zuliebe den Umweg über die genannten Städte gewählt. Unsre Erwartungen erfüllten sich. Als wir von Süden her aus den die Lnbis begleitenden Wäldern ins offne Land kamen, sahen wir Guben mit seinen zahlreichen Türmen an einer wohlangebauten Hügelkette liegen, die wir der Niederlausitz nie zugetraut hätten. Winzerhcinser und Villen stehn am obern Rande, Weinberge, Saatfelder und Fruchtgärten ziehn sich von ihnen in schimmernden Streifen zur Flußniederung herab. Das Ganze erinnert an das ethische Fruchtgelände zwischen Lnschwitz und Wachwitz, nur sind die Verhältnisse kleiner. Auch in Guben ist der Weinbau zurückgegangen, aber einst war er von großer Bedeutung. Die Sage meldet, der Wettiner Konrad der Große, seit 1136 auch Markgraf der Lausitzer, habe den Weinbau hier eingeführt. Ein Hauptabnehmer in alter Zeit war das Ordensland Preußen: die Stadtrechnungen von Elbing beweisen, daß dort die Hochmeister 1412 und 1413 mit Gubener Wein bewirtet wurden, der meist von Johannes Birsmede in Guben bezogen war.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/297>, abgerufen am 22.07.2024.