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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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von der Spree zur Oder

Adel und Fürsten schlichtet und Einigungen für die Säuberung der Straßen von
Wegelagerern zustande bringt, sondern auch vollkommen trnnkfest war, sodaß er, wenn
die andern längst unter die Bank gesunken waren, noch aufrecht stand und den Fürsten
seine Meinung sagen konnte. Kurfürst Joachim der Erste, dessen Gevatter er war,
verschaffte ihm 1507 das Bistum Brandenburg und danach auch das von Havelberg.
In diesem Amte war scultetus dem Wittenberger Dr. Luther ein schonender, gütiger
Vorgesetzter, der ihm zwar den Rat gab: "Steht stille und laßt Euch nicht zu weit
ein," aber doch jeder Gewalttat gegen den kühnen Augustiner widerstrebte. Willibald
Alexis hat ihm in seinem Roman "Der Wärwvlf" ein Denkmal gesetzt. In Kottbns
wurde die Reformation eingeführt durch Johann Briesmann, einen Minoriten des
Kottbnser Franziskanerklosters, der als eifriger Gegner Luthers zu der Leipziger
Disputation zog, danach aber noch einmal in Wittenberg studierte und 1522 als
begeisterter Anhänger Luthers unes Kottbus zurückkehrte. Zwar mußte er hier dem
Zorne Joachims des Ersten weichen, aber Luther schickte ihn als Reformator zum
Herzog Albrecht von Preußen, und dieser erhob ihn in Königsberg erst zum Propst
der Kneiphvfischen Kirche, dann zum evangelischen Bischof von Samland.

In der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs bot der Kottbnser Kreis, gerade wie
die sächsisch gewordnen Teile der Niederlausitz, vielen böhmischen Exulcmteu ein Ashl.
Interessante Zeugnisse sind davon übrig. Die Kirche des westlich von Kottbus am
Rande des Spreewalds gelegnen Dorfes Werben besitzt den herrlichen Abendmahls¬
kelch und die Pateue des Grafen Joachim Andreas Schlick, eines der bekanntesten
Opfer des Prager Bluttags (21. Juni 1621). Et" "deutscher Theologus" Magister
Werben (so genannt nach seinem Heimatsorte) hat diese Kleinodien dahin gebracht,
die ihm vom Grafen Schlick, den er vor der Hinrichtung mit dem heiligen Abend¬
mahl versehen und dann zum Schafott geleitet hatte, übergeben worden waren.
Der entsprechende Kelch des Freiherrn Budowetz von Budowa, der trotz seiner
fünfundsiebzig Jahre das Blutgerüst besteigen mußte, findet sich in der ehedem
kursächsischen Niederlausitzer Stadt Finsterwalde; nach einer Angabe des Kirchenbuchs
hat ihn Joachim von Maltitz von einem Herrn von Sndowsly zu Sadowa gekauft
und nach Finsterwalde gestiftet.

Die wirtschaftliche Blüte von Kottbus begründete Friedrich der Große, der
1752 sechs Wvllspiunhäuser erbauen ließ, wo auch auswärtige (preußische) Unter¬
tanen in der Verarbeitung der Wolle unterrichtet wurden. Das ist der Anfang der
jetzt zu hoher Blüte entwickelten Kottbuser Webschule. Durch diese und andre
Maßregeln steigerte er die alteinheimische Tuchfabrikation von 3000 Stück jährlich
auf 6000, die insgesamt 100000 Taler wert waren. Jetzt beträgt der Wert der
jährlichen Tuchfabrikation in Kottbus 25 Millionen Mark. Der Wert der von
Kottbns im Jahre 1797 verfrachteten Waren, unter denen 151 Stück Zitronen
ausdrücklich genannt werden, betrug gegen 900000 Taler; auch heute noch ist das
Kottbuser Speditionsgeschäft bedeutend; im Mai findet ein Wachs-, im September
ein berühmter Karpfenmarkt statt, und der Umsatz der Reichsbaukstelle betrug schon
1894 die Summe von 274 Millionen Mark. Trotz dieses gewaltigen Aufschwungs
und der damit verbundnen Banveränderungen hat sich Kottbus den alten, wohl¬
ummauerten, hufeisenförmigen, und Toren und Türmen bewehrten Kern der Stadt
fast unversehrt erhalten; es liegt nämlich so günstig inmitten einer weiten Ebene,
daß es seiue Peripherie immer zwanglos nach allen Seiten hinausschieben konnte,
ohne die ältern Stadtteile zu zerstören. So ragt denn noch heute ans dem höchsten
Punkte des Stadtbodeus der ehrwürdige Bergsried des alten Schlosses, wenn auch
mit erneuerter Bekrönung, aussichtsreich in die Luft, während die übrigen Teile
der Feste dem Landgericht Platz gemacht haben. Noch verkünden die altertümlichen
Backsteinbauten der Oberkirche und der noch originellem langgestreckten Kloster¬
kirche, daß wir uns hier an der Schwelle Niederdeutschlauds befinden; und wenn
sich am Sonntag an dem schlanken, roten Glockenturm dieser Kirche, der noch die
alte, grcmbetalkte Spitzhaube mit der Wetterfahne trägt, die buntgekleideten Wen-


von der Spree zur Oder

Adel und Fürsten schlichtet und Einigungen für die Säuberung der Straßen von
Wegelagerern zustande bringt, sondern auch vollkommen trnnkfest war, sodaß er, wenn
die andern längst unter die Bank gesunken waren, noch aufrecht stand und den Fürsten
seine Meinung sagen konnte. Kurfürst Joachim der Erste, dessen Gevatter er war,
verschaffte ihm 1507 das Bistum Brandenburg und danach auch das von Havelberg.
In diesem Amte war scultetus dem Wittenberger Dr. Luther ein schonender, gütiger
Vorgesetzter, der ihm zwar den Rat gab: „Steht stille und laßt Euch nicht zu weit
ein," aber doch jeder Gewalttat gegen den kühnen Augustiner widerstrebte. Willibald
Alexis hat ihm in seinem Roman „Der Wärwvlf" ein Denkmal gesetzt. In Kottbns
wurde die Reformation eingeführt durch Johann Briesmann, einen Minoriten des
Kottbnser Franziskanerklosters, der als eifriger Gegner Luthers zu der Leipziger
Disputation zog, danach aber noch einmal in Wittenberg studierte und 1522 als
begeisterter Anhänger Luthers unes Kottbus zurückkehrte. Zwar mußte er hier dem
Zorne Joachims des Ersten weichen, aber Luther schickte ihn als Reformator zum
Herzog Albrecht von Preußen, und dieser erhob ihn in Königsberg erst zum Propst
der Kneiphvfischen Kirche, dann zum evangelischen Bischof von Samland.

In der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs bot der Kottbnser Kreis, gerade wie
die sächsisch gewordnen Teile der Niederlausitz, vielen böhmischen Exulcmteu ein Ashl.
Interessante Zeugnisse sind davon übrig. Die Kirche des westlich von Kottbus am
Rande des Spreewalds gelegnen Dorfes Werben besitzt den herrlichen Abendmahls¬
kelch und die Pateue des Grafen Joachim Andreas Schlick, eines der bekanntesten
Opfer des Prager Bluttags (21. Juni 1621). Et» „deutscher Theologus" Magister
Werben (so genannt nach seinem Heimatsorte) hat diese Kleinodien dahin gebracht,
die ihm vom Grafen Schlick, den er vor der Hinrichtung mit dem heiligen Abend¬
mahl versehen und dann zum Schafott geleitet hatte, übergeben worden waren.
Der entsprechende Kelch des Freiherrn Budowetz von Budowa, der trotz seiner
fünfundsiebzig Jahre das Blutgerüst besteigen mußte, findet sich in der ehedem
kursächsischen Niederlausitzer Stadt Finsterwalde; nach einer Angabe des Kirchenbuchs
hat ihn Joachim von Maltitz von einem Herrn von Sndowsly zu Sadowa gekauft
und nach Finsterwalde gestiftet.

Die wirtschaftliche Blüte von Kottbus begründete Friedrich der Große, der
1752 sechs Wvllspiunhäuser erbauen ließ, wo auch auswärtige (preußische) Unter¬
tanen in der Verarbeitung der Wolle unterrichtet wurden. Das ist der Anfang der
jetzt zu hoher Blüte entwickelten Kottbuser Webschule. Durch diese und andre
Maßregeln steigerte er die alteinheimische Tuchfabrikation von 3000 Stück jährlich
auf 6000, die insgesamt 100000 Taler wert waren. Jetzt beträgt der Wert der
jährlichen Tuchfabrikation in Kottbus 25 Millionen Mark. Der Wert der von
Kottbns im Jahre 1797 verfrachteten Waren, unter denen 151 Stück Zitronen
ausdrücklich genannt werden, betrug gegen 900000 Taler; auch heute noch ist das
Kottbuser Speditionsgeschäft bedeutend; im Mai findet ein Wachs-, im September
ein berühmter Karpfenmarkt statt, und der Umsatz der Reichsbaukstelle betrug schon
1894 die Summe von 274 Millionen Mark. Trotz dieses gewaltigen Aufschwungs
und der damit verbundnen Banveränderungen hat sich Kottbus den alten, wohl¬
ummauerten, hufeisenförmigen, und Toren und Türmen bewehrten Kern der Stadt
fast unversehrt erhalten; es liegt nämlich so günstig inmitten einer weiten Ebene,
daß es seiue Peripherie immer zwanglos nach allen Seiten hinausschieben konnte,
ohne die ältern Stadtteile zu zerstören. So ragt denn noch heute ans dem höchsten
Punkte des Stadtbodeus der ehrwürdige Bergsried des alten Schlosses, wenn auch
mit erneuerter Bekrönung, aussichtsreich in die Luft, während die übrigen Teile
der Feste dem Landgericht Platz gemacht haben. Noch verkünden die altertümlichen
Backsteinbauten der Oberkirche und der noch originellem langgestreckten Kloster¬
kirche, daß wir uns hier an der Schwelle Niederdeutschlauds befinden; und wenn
sich am Sonntag an dem schlanken, roten Glockenturm dieser Kirche, der noch die
alte, grcmbetalkte Spitzhaube mit der Wetterfahne trägt, die buntgekleideten Wen-


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[0294] von der Spree zur Oder Adel und Fürsten schlichtet und Einigungen für die Säuberung der Straßen von Wegelagerern zustande bringt, sondern auch vollkommen trnnkfest war, sodaß er, wenn die andern längst unter die Bank gesunken waren, noch aufrecht stand und den Fürsten seine Meinung sagen konnte. Kurfürst Joachim der Erste, dessen Gevatter er war, verschaffte ihm 1507 das Bistum Brandenburg und danach auch das von Havelberg. In diesem Amte war scultetus dem Wittenberger Dr. Luther ein schonender, gütiger Vorgesetzter, der ihm zwar den Rat gab: „Steht stille und laßt Euch nicht zu weit ein," aber doch jeder Gewalttat gegen den kühnen Augustiner widerstrebte. Willibald Alexis hat ihm in seinem Roman „Der Wärwvlf" ein Denkmal gesetzt. In Kottbns wurde die Reformation eingeführt durch Johann Briesmann, einen Minoriten des Kottbnser Franziskanerklosters, der als eifriger Gegner Luthers zu der Leipziger Disputation zog, danach aber noch einmal in Wittenberg studierte und 1522 als begeisterter Anhänger Luthers unes Kottbus zurückkehrte. Zwar mußte er hier dem Zorne Joachims des Ersten weichen, aber Luther schickte ihn als Reformator zum Herzog Albrecht von Preußen, und dieser erhob ihn in Königsberg erst zum Propst der Kneiphvfischen Kirche, dann zum evangelischen Bischof von Samland. In der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs bot der Kottbnser Kreis, gerade wie die sächsisch gewordnen Teile der Niederlausitz, vielen böhmischen Exulcmteu ein Ashl. Interessante Zeugnisse sind davon übrig. Die Kirche des westlich von Kottbus am Rande des Spreewalds gelegnen Dorfes Werben besitzt den herrlichen Abendmahls¬ kelch und die Pateue des Grafen Joachim Andreas Schlick, eines der bekanntesten Opfer des Prager Bluttags (21. Juni 1621). Et» „deutscher Theologus" Magister Werben (so genannt nach seinem Heimatsorte) hat diese Kleinodien dahin gebracht, die ihm vom Grafen Schlick, den er vor der Hinrichtung mit dem heiligen Abend¬ mahl versehen und dann zum Schafott geleitet hatte, übergeben worden waren. Der entsprechende Kelch des Freiherrn Budowetz von Budowa, der trotz seiner fünfundsiebzig Jahre das Blutgerüst besteigen mußte, findet sich in der ehedem kursächsischen Niederlausitzer Stadt Finsterwalde; nach einer Angabe des Kirchenbuchs hat ihn Joachim von Maltitz von einem Herrn von Sndowsly zu Sadowa gekauft und nach Finsterwalde gestiftet. Die wirtschaftliche Blüte von Kottbus begründete Friedrich der Große, der 1752 sechs Wvllspiunhäuser erbauen ließ, wo auch auswärtige (preußische) Unter¬ tanen in der Verarbeitung der Wolle unterrichtet wurden. Das ist der Anfang der jetzt zu hoher Blüte entwickelten Kottbuser Webschule. Durch diese und andre Maßregeln steigerte er die alteinheimische Tuchfabrikation von 3000 Stück jährlich auf 6000, die insgesamt 100000 Taler wert waren. Jetzt beträgt der Wert der jährlichen Tuchfabrikation in Kottbus 25 Millionen Mark. Der Wert der von Kottbns im Jahre 1797 verfrachteten Waren, unter denen 151 Stück Zitronen ausdrücklich genannt werden, betrug gegen 900000 Taler; auch heute noch ist das Kottbuser Speditionsgeschäft bedeutend; im Mai findet ein Wachs-, im September ein berühmter Karpfenmarkt statt, und der Umsatz der Reichsbaukstelle betrug schon 1894 die Summe von 274 Millionen Mark. Trotz dieses gewaltigen Aufschwungs und der damit verbundnen Banveränderungen hat sich Kottbus den alten, wohl¬ ummauerten, hufeisenförmigen, und Toren und Türmen bewehrten Kern der Stadt fast unversehrt erhalten; es liegt nämlich so günstig inmitten einer weiten Ebene, daß es seiue Peripherie immer zwanglos nach allen Seiten hinausschieben konnte, ohne die ältern Stadtteile zu zerstören. So ragt denn noch heute ans dem höchsten Punkte des Stadtbodeus der ehrwürdige Bergsried des alten Schlosses, wenn auch mit erneuerter Bekrönung, aussichtsreich in die Luft, während die übrigen Teile der Feste dem Landgericht Platz gemacht haben. Noch verkünden die altertümlichen Backsteinbauten der Oberkirche und der noch originellem langgestreckten Kloster¬ kirche, daß wir uns hier an der Schwelle Niederdeutschlauds befinden; und wenn sich am Sonntag an dem schlanken, roten Glockenturm dieser Kirche, der noch die alte, grcmbetalkte Spitzhaube mit der Wetterfahne trägt, die buntgekleideten Wen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/294>, abgerufen am 22.07.2024.