Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.Alkohol und Idealismus Sobald aus dem Spiele Ernst wird und sich der Idealismus in seiner Kraft erhebt, wird der Wein als gänzlich unbeteiligt beiseite gelassen. Greifen wir die schönsten der geselligen Lieder Schillers und Goethes So beginnt Schillers Dithyrambe. Wie soll der Dichter die Himmlischen bewirten? Er hat nichts, was Seine Bitte wird erfüllt. Hebe schenkt dem Dichter ein. Er empfängt Das himmlische Ideal des Trunks wirkt gerade das Gegenteil wie sein irdisches Und nun das schon erwähnte Goethische Bundeslied! Wohl, zu seinem Wo ist der Wein geblieben? Er ist völlig vergessen, denn der Idealismus Diese Überwindung des Niederziehenden durch den emporstrebenden Geist Alkohol und Idealismus Sobald aus dem Spiele Ernst wird und sich der Idealismus in seiner Kraft erhebt, wird der Wein als gänzlich unbeteiligt beiseite gelassen. Greifen wir die schönsten der geselligen Lieder Schillers und Goethes So beginnt Schillers Dithyrambe. Wie soll der Dichter die Himmlischen bewirten? Er hat nichts, was Seine Bitte wird erfüllt. Hebe schenkt dem Dichter ein. Er empfängt Das himmlische Ideal des Trunks wirkt gerade das Gegenteil wie sein irdisches Und nun das schon erwähnte Goethische Bundeslied! Wohl, zu seinem Wo ist der Wein geblieben? Er ist völlig vergessen, denn der Idealismus Diese Überwindung des Niederziehenden durch den emporstrebenden Geist <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0274" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293071"/> <fw type="header" place="top"> Alkohol und Idealismus</fw><lb/> </div> <div n="1"> <head> Sobald aus dem Spiele Ernst wird und sich der Idealismus in seiner Kraft<lb/> erhebt, wird der Wein als gänzlich unbeteiligt beiseite gelassen.</head><lb/> <p xml:id="ID_1396"> Greifen wir die schönsten der geselligen Lieder Schillers und Goethes<lb/> heraus!</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_19" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_1397"> So beginnt Schillers Dithyrambe.</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_20" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_1398"> Wie soll der Dichter die Himmlischen bewirten? Er hat nichts, was<lb/> ihrer würdig wäre, als die Sehnsucht. So bittet er sie, ihn empor zu heben<lb/> zum Olymp. </p><lb/> <lg xml:id="POEMID_21" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_1399"> Seine Bitte wird erfüllt. Hebe schenkt dem Dichter ein. Er empfängt<lb/> und trinkt, und ^ -» . . ^ r >"</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_22" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_1400"> Das himmlische Ideal des Trunks wirkt gerade das Gegenteil wie sein irdisches<lb/> Zerrbild. Der Alkohol regt den Busen auf und trübt das Auge.</p><lb/> <p xml:id="ID_1401"> Und nun das schon erwähnte Goethische Bundeslied! Wohl, zu seinem<lb/> Beginn erscheint der Wein. Er erhöht die Stunde im Vereine mit der Liebe.<lb/> Es wird angestoßen; der neue Bund wird gefeiert, des alten gedacht. Dann<lb/> aber erhebt sich das Lied und zieht immer höhere, weitere Kreise. Die Liebes-<lb/> mnigteit, die Freiheit, die Großheit, alles Herrliche, was im Bunde gedeiht,<lb/> wird besungen. Zum Schlüsse heißt es:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_23" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_1402"> Wo ist der Wein geblieben? Er ist völlig vergessen, denn der Idealismus<lb/> tut seine königlichen Flüge.</p><lb/> <p xml:id="ID_1403" next="#ID_1404"> Diese Überwindung des Niederziehenden durch den emporstrebenden Geist<lb/> hat im hellenischen Volke ein Werk von unermeßlich segensreichen Folgen<lb/> vollbracht. Es war eine furchtbare Gefahr für das Hellenentum, als der<lb/> Kultus des thrakischen Sonnengottes Dionysos herniederbrauste auf die<lb/> griechischen Länder und Inseln und wie im rasenden Sturm Männer und<lb/> Frauen in seinen orgiastischen Taumel riß. Der fremde Gott, dessen Lust es<lb/> war, Phantasie und Empfindung zu höchster Spannung emporzutreiben, bis<lb/> die menschliche Seele in unerträglicher Erregung ihren Kerker sprengte, um<lb/> in ein mächtigeres Leben aufgenommen zu werden, dieser Gott, den sich die<lb/> Thraker als einen Taumelnden, Trnnknen dachten, nahm den berauschenden</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0274]
Alkohol und Idealismus
Sobald aus dem Spiele Ernst wird und sich der Idealismus in seiner Kraft
erhebt, wird der Wein als gänzlich unbeteiligt beiseite gelassen.
Greifen wir die schönsten der geselligen Lieder Schillers und Goethes
heraus!
So beginnt Schillers Dithyrambe.
Wie soll der Dichter die Himmlischen bewirten? Er hat nichts, was
ihrer würdig wäre, als die Sehnsucht. So bittet er sie, ihn empor zu heben
zum Olymp.
Seine Bitte wird erfüllt. Hebe schenkt dem Dichter ein. Er empfängt
und trinkt, und ^ -» . . ^ r >"
Das himmlische Ideal des Trunks wirkt gerade das Gegenteil wie sein irdisches
Zerrbild. Der Alkohol regt den Busen auf und trübt das Auge.
Und nun das schon erwähnte Goethische Bundeslied! Wohl, zu seinem
Beginn erscheint der Wein. Er erhöht die Stunde im Vereine mit der Liebe.
Es wird angestoßen; der neue Bund wird gefeiert, des alten gedacht. Dann
aber erhebt sich das Lied und zieht immer höhere, weitere Kreise. Die Liebes-
mnigteit, die Freiheit, die Großheit, alles Herrliche, was im Bunde gedeiht,
wird besungen. Zum Schlüsse heißt es:
Wo ist der Wein geblieben? Er ist völlig vergessen, denn der Idealismus
tut seine königlichen Flüge.
Diese Überwindung des Niederziehenden durch den emporstrebenden Geist
hat im hellenischen Volke ein Werk von unermeßlich segensreichen Folgen
vollbracht. Es war eine furchtbare Gefahr für das Hellenentum, als der
Kultus des thrakischen Sonnengottes Dionysos herniederbrauste auf die
griechischen Länder und Inseln und wie im rasenden Sturm Männer und
Frauen in seinen orgiastischen Taumel riß. Der fremde Gott, dessen Lust es
war, Phantasie und Empfindung zu höchster Spannung emporzutreiben, bis
die menschliche Seele in unerträglicher Erregung ihren Kerker sprengte, um
in ein mächtigeres Leben aufgenommen zu werden, dieser Gott, den sich die
Thraker als einen Taumelnden, Trnnknen dachten, nahm den berauschenden
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |