Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.Der mitteleuropäische Wirtschaftsverein gründliche Arbeit über eine wirtschaftliche Föderation Mitteleuropas hinweisen. Der mitteleuropäische Wirtschaftsverein lehnt von vornherein jede Propa¬ Es ist zweifellos, sagen wir mit dem Schlußwort des Programms des Der mitteleuropäische Wirtschaftsverein gründliche Arbeit über eine wirtschaftliche Föderation Mitteleuropas hinweisen. Der mitteleuropäische Wirtschaftsverein lehnt von vornherein jede Propa¬ Es ist zweifellos, sagen wir mit dem Schlußwort des Programms des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0266" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293063"/> <fw type="header" place="top"> Der mitteleuropäische Wirtschaftsverein</fw><lb/> <p xml:id="ID_1350" prev="#ID_1349"> gründliche Arbeit über eine wirtschaftliche Föderation Mitteleuropas hinweisen.<lb/> In einer besondern Schrift „Das Deutsche Reich und der Weltmarkt" stellte<lb/> Wolf 1902 dem immer wieder auftauchenden und doch zu der Zeit unver-<lb/> wirklichbaren Plan eines europäischen Zollvereins, mit oder ohne Rußland und<lb/> England, die praktisch mögliche, zum Teil schon angebahnte Annäherung einer<lb/> Anzahl von Staaten Mitteleuropas und vielleicht auch Sttdeuropas gegenüber.<lb/> Er wiederholte in mehreren Veröffentlichungen in deutschen und österreichischen<lb/> Zeitschriften den Gedanken der „wirtschaftlichen Allianzen," die die Selbst¬<lb/> bestimmung der Staaten unberührt, politische Zwecke völlig beiseite lassen, und<lb/> nur Übereinstimmung in der Behandlung solcher wirtschaftliche,? Fragen an-<lb/> streben, in denen die Interessen dieser Staaten übereinstimmen. Und da diese<lb/> ruhigen und klaren Erörterungen entschieden den Beifall einzelner und ganzer<lb/> Körperschaften fanden, war endlich der Augenblick zur Anbahnung der Ver¬<lb/> wirklichung gekommen. Wolf versandte Ende 1903 ein Heft „Materialien be¬<lb/> treffend einen mitteleuropäischen Wirtschaftsverein, Verein zur Förderung der<lb/> gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der mitteleuropäischen Staaten," die<lb/> hoffentlich noch in den Buchhandel kommen werden. In dieser Schrift wird<lb/> das Programm entwickelt, der positive, uuaggressive und unpolitische Charakter<lb/> der Bewegung festgestellt und besonders die Stellung der mitteleuropäischen<lb/> Länder zu Nordamerika und England besprochen. Wir versuchen das Pro¬<lb/> gramm in folgenden Sätzen so gedrängt wie möglich wiederzugeben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1351"> Der mitteleuropäische Wirtschaftsverein lehnt von vornherein jede Propa¬<lb/> ganda für einen mitteleuropäischen oder europäischen Zollverein als unpraktisch<lb/> ab. Er geht aber von der Ansicht aus, daß sich zunächst die mitteleuropäischen<lb/> Staaten ihr Gedeihen in höherm Maße als jetzt sichern können durch gleich¬<lb/> mäßige Regelung gewisser Gegenstände des Wirtschaftswesens und des Wirt¬<lb/> schaftsrechts, durch wechselseitige Dienstbarmachung der Einrichtungen, die sie<lb/> haben, zum Beispiel im Grenzwachdienst, in der Kontrolle der Ein- und der<lb/> Ausfuhr, Clearings von einem Staate in den andern und dergleichen, durch<lb/> besondre Rücksicht auf die besondern Zölle, Eisenbahntarife usw., durch dauerndes<lb/> Studium der auf diesem Gebiet vorhnndnen Möglichkeiten, statt sich auf Ver¬<lb/> handlungen, die nur aller Jahrzehnte einmal wiederkehren und hastig durch¬<lb/> geführt werden müssen, zu beschränken. Es erscheint ferner möglich, daß sie<lb/> mit der Vertretung ihrer Interessen im fernern Allsland hin und wieder<lb/> gemeinsam Organe betrauen, oder wieder auch Organe des einen Staats dem<lb/> andern dienstbar machen, daß sie bei Verhandlungen mit dem fernern Aus¬<lb/> land, wo dies ersprießlich ist, im Einvernehmen vorgehn, daß sie für die<lb/> Schlichtung internationaler Streitigkeiten auf dem Gebiete des Wirtschafts-,<lb/> insbesondre des Zollwesens ständige Schiedsgerichte einsetzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1352" next="#ID_1353"> Es ist zweifellos, sagen wir mit dem Schlußwort des Programms des<lb/> mitteleuropäischen Wirtschaftsvereins, „daß bei systematischer Arbeit auf allen<lb/> diesen Gebieten jeder der Staaten gewinnender sein muß, zweifellos, daß<lb/> Gelegenheiten und Aufforderungen zu solcher Arbeit in sehr großer Zahl vor¬<lb/> handen sind, und weiter auch klar, daß jene Arbeit getan werden kann, ohne<lb/> das wirtschaftspolitische, geschweige denn politische Selbstbestimmungsrecht der<lb/> Staaten im geringsten zu gefährden." Zweifellos, möchten wir hinzufügen, ist</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0266]
Der mitteleuropäische Wirtschaftsverein
gründliche Arbeit über eine wirtschaftliche Föderation Mitteleuropas hinweisen.
In einer besondern Schrift „Das Deutsche Reich und der Weltmarkt" stellte
Wolf 1902 dem immer wieder auftauchenden und doch zu der Zeit unver-
wirklichbaren Plan eines europäischen Zollvereins, mit oder ohne Rußland und
England, die praktisch mögliche, zum Teil schon angebahnte Annäherung einer
Anzahl von Staaten Mitteleuropas und vielleicht auch Sttdeuropas gegenüber.
Er wiederholte in mehreren Veröffentlichungen in deutschen und österreichischen
Zeitschriften den Gedanken der „wirtschaftlichen Allianzen," die die Selbst¬
bestimmung der Staaten unberührt, politische Zwecke völlig beiseite lassen, und
nur Übereinstimmung in der Behandlung solcher wirtschaftliche,? Fragen an-
streben, in denen die Interessen dieser Staaten übereinstimmen. Und da diese
ruhigen und klaren Erörterungen entschieden den Beifall einzelner und ganzer
Körperschaften fanden, war endlich der Augenblick zur Anbahnung der Ver¬
wirklichung gekommen. Wolf versandte Ende 1903 ein Heft „Materialien be¬
treffend einen mitteleuropäischen Wirtschaftsverein, Verein zur Förderung der
gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der mitteleuropäischen Staaten," die
hoffentlich noch in den Buchhandel kommen werden. In dieser Schrift wird
das Programm entwickelt, der positive, uuaggressive und unpolitische Charakter
der Bewegung festgestellt und besonders die Stellung der mitteleuropäischen
Länder zu Nordamerika und England besprochen. Wir versuchen das Pro¬
gramm in folgenden Sätzen so gedrängt wie möglich wiederzugeben.
Der mitteleuropäische Wirtschaftsverein lehnt von vornherein jede Propa¬
ganda für einen mitteleuropäischen oder europäischen Zollverein als unpraktisch
ab. Er geht aber von der Ansicht aus, daß sich zunächst die mitteleuropäischen
Staaten ihr Gedeihen in höherm Maße als jetzt sichern können durch gleich¬
mäßige Regelung gewisser Gegenstände des Wirtschaftswesens und des Wirt¬
schaftsrechts, durch wechselseitige Dienstbarmachung der Einrichtungen, die sie
haben, zum Beispiel im Grenzwachdienst, in der Kontrolle der Ein- und der
Ausfuhr, Clearings von einem Staate in den andern und dergleichen, durch
besondre Rücksicht auf die besondern Zölle, Eisenbahntarife usw., durch dauerndes
Studium der auf diesem Gebiet vorhnndnen Möglichkeiten, statt sich auf Ver¬
handlungen, die nur aller Jahrzehnte einmal wiederkehren und hastig durch¬
geführt werden müssen, zu beschränken. Es erscheint ferner möglich, daß sie
mit der Vertretung ihrer Interessen im fernern Allsland hin und wieder
gemeinsam Organe betrauen, oder wieder auch Organe des einen Staats dem
andern dienstbar machen, daß sie bei Verhandlungen mit dem fernern Aus¬
land, wo dies ersprießlich ist, im Einvernehmen vorgehn, daß sie für die
Schlichtung internationaler Streitigkeiten auf dem Gebiete des Wirtschafts-,
insbesondre des Zollwesens ständige Schiedsgerichte einsetzen.
Es ist zweifellos, sagen wir mit dem Schlußwort des Programms des
mitteleuropäischen Wirtschaftsvereins, „daß bei systematischer Arbeit auf allen
diesen Gebieten jeder der Staaten gewinnender sein muß, zweifellos, daß
Gelegenheiten und Aufforderungen zu solcher Arbeit in sehr großer Zahl vor¬
handen sind, und weiter auch klar, daß jene Arbeit getan werden kann, ohne
das wirtschaftspolitische, geschweige denn politische Selbstbestimmungsrecht der
Staaten im geringsten zu gefährden." Zweifellos, möchten wir hinzufügen, ist
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |