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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Aus dein Spreewalde

Mieder und blauseidnen, bis auf die Achseln reichenden, weit vom Haar abstehenden
Kopfschmuck, der in schweren goldnen Fransen endigte. Größer noch als in der
Oberstadt war das Getöse in den untern um das alte Lynarsche Schloß herum
liegenden Straßen, wo die Pferde seilgehalten wurden, meist Füchse und Rappen,
mittelgroße, teilweise sehr zierliche, feinfüßige Tiere. Trotz der Enge der Straßen
wurden die Tiere an der Trense dem Käufer im Trabe vorgeführt, sodaß aller¬
orten eilige Hufschläge über dem holprigen Pflaster ertönten, dazwischen Kreischen
und Schreien der Weiber und Kinder: da galt es schnell zur Seite springen mitten
unter die an den Wänden angebundnen Pferde hinein, und doch ereignete sich dabei
^in Unglücksfall, das Pferd ist eben verständiger als ein Automobil. Ehedem muß
der Vetschauer Markt noch interessantere Bilder geboten haben: es soll nämlich hier
^jährlich ein großer Gesindemarkt abgehalten worden sein, bei dem die Lieberoser
Herrschaft das Vormietungsrecht hatte; bei einer andern Gelegenheit wurde all-
ehrlich auf dem Vetschauer Markt ein großer Ball des gesamten Gesindes der
Umgegend veranstaltet, zu dem einst 1080 Mägde in ihren Spreewälder Flügel¬
bänder und roten Röcken erschienen sein sollen. Der herrschaftliche Förster hatte
dabei den Vortanz, konnte ihn aber gegen einen Silbertäler an einen andern über¬
essen. Was mag da für ein Tosen und Jauchzen, für ein Dirnenschwenken und
Nöckefliegen auf dem Vetschauer Markte geherrscht haben, wenn der Förster in
grüner Pikesche mit der seidenbebänderten Obermagd aus dem Schlosse zum
ersten Reigen antrat, und die langkittligen, buntwestigen wendischen Musikanten
un't Fibeln und Brummbaß, mit Klarinetten und dem besonders beliebten Dudelsack
aufspielten!

Aber die Zeiten solcher buntbewegten frohen Volksfeste liegen weit hinter
uns -- wir mußten froh sein, daß wenigstens der Viehmarkt dem stillen Städtchen
etwas Leben verlieh. Dieser warf seine Wellen weithin. Auch die nordwärts von
Vetschau in den eigentlichen Spreewald führende Straße war den ganzen Nach¬
mittag voll von Vieh, und als wir an dem vorläufigen Ziel unsrer Fahrt, dem
Gasthof zum schwarzen Adler in Burg, dem Hauptort des obern Spreewalds, an¬
langten, waren auch vor diesem Gasthofe zahlreiche Rinder und Rosse angebunden.
Drinnen saßen die neuen Besitzer und beredeten ihren Handel in einen? interessanten
Gemisch von Wendisch und Deutsch. Deutsch waren die technischen Ausdrücke, die
Rassenbezeichnungen, deutsch vor allem die eingestreuten Flüche. Das schwarze ein¬
heimische Bier stand vor den Zechern in großen bauchigen Humpen, aber es wurde
nur gegen den ersten großen Durst, weiterhin, wie ich es einst in Schweden ge¬
sehen hatte, nur anstandshalber getrunken; beliebter war die daneben stehende kleinere
Rasche voll Schnaps. Der Spreewälder, sonst ein braver und biedrer Mensch,
huldigt dem Laster des Branntweintrinkens in nicht unbedenklicher Weise; auch zum
Trost für den einsamen Heimweg ließen sich die meisten Gäste des Schwarzen
Adlers beim Abschied die Schnapsflaschen noch einmal füllen.

Natürlich war in Vetschau nicht lauter Edelware gekauft worden. Einer hatte
einen alten, auf den Vorderbeinen etwas struppierten Fuchs erstanden -- wir
gingen mit ihm aus dem Kruge fort --, aber nicht lange führte er das Roß an
der Trense. Zwar war er noch dreimal älter als das Tier, aber ihn packte die
Erinnerung an jüngere Tage der Rüstigkeit, und so wollte er denn seiner Haus¬
frau hoch zu Roß entgegentraben, obwohl er weder Steigbügel noch Sattel noch
Decke zur Hand hatte. Vor einer Sägemühle lag ein Haufen Klötze -- von dieser
Höhe aus versuchte der Alte, den Rücken des neuen Hausgenossen zu erklimmen,
der mißtrauisch doch geduldig mit rückwärts gewandtem Kopfe seinem Beginnen
zusah. Lange Zeit war alles Bemühen vergeblich: immer wieder rutschte der Alte
zur Seite des Pferdebauchs herunter. Endlich umklammerte er mit beiden Armen
den Hals des Tieres, und allmählich gelang es ihm, das steife Bein über das
spitzkantige Rückgrat hinüberzuschieben. Der überlistete Fuchs sträubte sich eine Weile
und manövrierte rückwärts auf einen wohlgefüllten Wassergraben zu, der Bauer


Aus dein Spreewalde

Mieder und blauseidnen, bis auf die Achseln reichenden, weit vom Haar abstehenden
Kopfschmuck, der in schweren goldnen Fransen endigte. Größer noch als in der
Oberstadt war das Getöse in den untern um das alte Lynarsche Schloß herum
liegenden Straßen, wo die Pferde seilgehalten wurden, meist Füchse und Rappen,
mittelgroße, teilweise sehr zierliche, feinfüßige Tiere. Trotz der Enge der Straßen
wurden die Tiere an der Trense dem Käufer im Trabe vorgeführt, sodaß aller¬
orten eilige Hufschläge über dem holprigen Pflaster ertönten, dazwischen Kreischen
und Schreien der Weiber und Kinder: da galt es schnell zur Seite springen mitten
unter die an den Wänden angebundnen Pferde hinein, und doch ereignete sich dabei
^in Unglücksfall, das Pferd ist eben verständiger als ein Automobil. Ehedem muß
der Vetschauer Markt noch interessantere Bilder geboten haben: es soll nämlich hier
^jährlich ein großer Gesindemarkt abgehalten worden sein, bei dem die Lieberoser
Herrschaft das Vormietungsrecht hatte; bei einer andern Gelegenheit wurde all-
ehrlich auf dem Vetschauer Markt ein großer Ball des gesamten Gesindes der
Umgegend veranstaltet, zu dem einst 1080 Mägde in ihren Spreewälder Flügel¬
bänder und roten Röcken erschienen sein sollen. Der herrschaftliche Förster hatte
dabei den Vortanz, konnte ihn aber gegen einen Silbertäler an einen andern über¬
essen. Was mag da für ein Tosen und Jauchzen, für ein Dirnenschwenken und
Nöckefliegen auf dem Vetschauer Markte geherrscht haben, wenn der Förster in
grüner Pikesche mit der seidenbebänderten Obermagd aus dem Schlosse zum
ersten Reigen antrat, und die langkittligen, buntwestigen wendischen Musikanten
un't Fibeln und Brummbaß, mit Klarinetten und dem besonders beliebten Dudelsack
aufspielten!

Aber die Zeiten solcher buntbewegten frohen Volksfeste liegen weit hinter
uns — wir mußten froh sein, daß wenigstens der Viehmarkt dem stillen Städtchen
etwas Leben verlieh. Dieser warf seine Wellen weithin. Auch die nordwärts von
Vetschau in den eigentlichen Spreewald führende Straße war den ganzen Nach¬
mittag voll von Vieh, und als wir an dem vorläufigen Ziel unsrer Fahrt, dem
Gasthof zum schwarzen Adler in Burg, dem Hauptort des obern Spreewalds, an¬
langten, waren auch vor diesem Gasthofe zahlreiche Rinder und Rosse angebunden.
Drinnen saßen die neuen Besitzer und beredeten ihren Handel in einen? interessanten
Gemisch von Wendisch und Deutsch. Deutsch waren die technischen Ausdrücke, die
Rassenbezeichnungen, deutsch vor allem die eingestreuten Flüche. Das schwarze ein¬
heimische Bier stand vor den Zechern in großen bauchigen Humpen, aber es wurde
nur gegen den ersten großen Durst, weiterhin, wie ich es einst in Schweden ge¬
sehen hatte, nur anstandshalber getrunken; beliebter war die daneben stehende kleinere
Rasche voll Schnaps. Der Spreewälder, sonst ein braver und biedrer Mensch,
huldigt dem Laster des Branntweintrinkens in nicht unbedenklicher Weise; auch zum
Trost für den einsamen Heimweg ließen sich die meisten Gäste des Schwarzen
Adlers beim Abschied die Schnapsflaschen noch einmal füllen.

Natürlich war in Vetschau nicht lauter Edelware gekauft worden. Einer hatte
einen alten, auf den Vorderbeinen etwas struppierten Fuchs erstanden — wir
gingen mit ihm aus dem Kruge fort —, aber nicht lange führte er das Roß an
der Trense. Zwar war er noch dreimal älter als das Tier, aber ihn packte die
Erinnerung an jüngere Tage der Rüstigkeit, und so wollte er denn seiner Haus¬
frau hoch zu Roß entgegentraben, obwohl er weder Steigbügel noch Sattel noch
Decke zur Hand hatte. Vor einer Sägemühle lag ein Haufen Klötze — von dieser
Höhe aus versuchte der Alte, den Rücken des neuen Hausgenossen zu erklimmen,
der mißtrauisch doch geduldig mit rückwärts gewandtem Kopfe seinem Beginnen
zusah. Lange Zeit war alles Bemühen vergeblich: immer wieder rutschte der Alte
zur Seite des Pferdebauchs herunter. Endlich umklammerte er mit beiden Armen
den Hals des Tieres, und allmählich gelang es ihm, das steife Bein über das
spitzkantige Rückgrat hinüberzuschieben. Der überlistete Fuchs sträubte sich eine Weile
und manövrierte rückwärts auf einen wohlgefüllten Wassergraben zu, der Bauer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/233>, abgerufen am 23.07.2024.