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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Bekanntlich gehn unsre Offiziere teils aus deu Kndetteuhüuseru, teils aus
den auf Avancement/dienenden^ Fahnenjunkern hervor; ein kleiner Nest .aus
übertretenden Reserveoffizieren. Die Fahnenjunker unterliegen wie bei.der
Annahme der Prüfung des Kommandeurs, so bevor sie zum Offizier ein-.
gegeben werden, der Wahl durch das Offizierkorps. Die Kadetten dagegen
nicht, ihre Verteilung an die Regimenter erfolgt durch allerhöchsten Befehl.
Hierin liegt eine Ungleichheit, die leicht beseitigt werden könnte, wenn, ans
dein Kadettenhause nur Fähnriche zur Ariuee entlassen, und diese nach sechs-
monatiger Probezeit gleichfalls dem betreffenden Offizierkorps zur Wahl gestellt,
würden. Der aus dem Kndettenhause kommende junge Leutnant findet sich ohne¬
hin, im Regiment schwer zurecht und bedarf ziemlicher Zeit, bevor er sich wirkliche
als Offizier, nützlich erweisen kann. Eine solche Maßregel erscheint an sich
unbedeutend, wird aber vielfach als eine sehr zeitgenüiße Reform angesehen., ^

Dem Heere und dem Volke sei es als aufrichtiger Neujahrswimsch, dar-,
gebracht, daß beiden die unliebsamen Vorgange, die das vergangne Jahr , ge¬
zeitigt oder enthüllt hat,, zum Segen.gereichen.. Möge der Forbacher, Prozeß ein
Länternngsprozeß gewesen sein, aber unserm gesamten Volk auch eine Mahnung,
daß es in seinem Heere die nationalste seiner Institutionen und im Offizier-
korps deren. auserlesnen Träger hat. Unsre gelÄdeten Stände sollten eine
Literatur von sich abschütteln, die in ihren Absichten oder ihren Resultaten
nur der Herabsetzung dieser Institution dient. Bedingung jedes Erfolges ist
fü L>. I-, r den Einzelnen wie für die Nationen -- die Selbstachtung.




9er ^ürstentag zu Erfurt im Jahre ^808
von Gustav Brünnart

ach dem llnglücklichen Kriege Preußens mit Frankreich in den
Jahren 180K und 1807 brach der Mut des mit Preußen Ver¬
bündeten Zaren von Nußland plötzlich zusammen; es blieb ihm
nichts übrig, als Frieden zu schließen. Da empfing er mitten in
diesen Besorgnissen die Einladung Napoleons zu einer persön¬
lichen Zusammenkunft; denn anch Napoleons Lage war so, daß er den Frieden
wünschen mußte. Und in wenig Tagen gelang es ihm, den Zaren für ein
Bündnis mit Frankreich zu gewinnen. Vergessen war die weihevolle Stunde
am Sarge Friedrichs des Großen, vergessen waren die Freundschaftsgelöbnisse
in Meinet. Nun mußte sich der König von Preußen, der ritterlich ausgehalten
hatte, bis fast der letzte Teil seines Landes verloren war, beugen; und auch
die Bitten der Königin Luise, die ihrem Lande den weiblichen Stolz opferte
und mit dem Peiniger persönlich verhandelte, glitten von ihm ab (so schrieb
er schadenfroh) wie das Wasser vom Wachstuch. Am 7. Juli 1807 wurde
zwischen Frankreich und Rußland der Friede unterzeichnet, wonach Rußland
dem Kampfe gegen England sowie der Festlandssperre beitrat, während Napoleon
seine Zustimmung zu der Eroberung der Donanfürstentinner und des schwedischen


Bekanntlich gehn unsre Offiziere teils aus deu Kndetteuhüuseru, teils aus
den auf Avancement/dienenden^ Fahnenjunkern hervor; ein kleiner Nest .aus
übertretenden Reserveoffizieren. Die Fahnenjunker unterliegen wie bei.der
Annahme der Prüfung des Kommandeurs, so bevor sie zum Offizier ein-.
gegeben werden, der Wahl durch das Offizierkorps. Die Kadetten dagegen
nicht, ihre Verteilung an die Regimenter erfolgt durch allerhöchsten Befehl.
Hierin liegt eine Ungleichheit, die leicht beseitigt werden könnte, wenn, ans
dein Kadettenhause nur Fähnriche zur Ariuee entlassen, und diese nach sechs-
monatiger Probezeit gleichfalls dem betreffenden Offizierkorps zur Wahl gestellt,
würden. Der aus dem Kndettenhause kommende junge Leutnant findet sich ohne¬
hin, im Regiment schwer zurecht und bedarf ziemlicher Zeit, bevor er sich wirkliche
als Offizier, nützlich erweisen kann. Eine solche Maßregel erscheint an sich
unbedeutend, wird aber vielfach als eine sehr zeitgenüiße Reform angesehen., ^

Dem Heere und dem Volke sei es als aufrichtiger Neujahrswimsch, dar-,
gebracht, daß beiden die unliebsamen Vorgange, die das vergangne Jahr , ge¬
zeitigt oder enthüllt hat,, zum Segen.gereichen.. Möge der Forbacher, Prozeß ein
Länternngsprozeß gewesen sein, aber unserm gesamten Volk auch eine Mahnung,
daß es in seinem Heere die nationalste seiner Institutionen und im Offizier-
korps deren. auserlesnen Träger hat. Unsre gelÄdeten Stände sollten eine
Literatur von sich abschütteln, die in ihren Absichten oder ihren Resultaten
nur der Herabsetzung dieser Institution dient. Bedingung jedes Erfolges ist
fü L>. I-, r den Einzelnen wie für die Nationen — die Selbstachtung.




9er ^ürstentag zu Erfurt im Jahre ^808
von Gustav Brünnart

ach dem llnglücklichen Kriege Preußens mit Frankreich in den
Jahren 180K und 1807 brach der Mut des mit Preußen Ver¬
bündeten Zaren von Nußland plötzlich zusammen; es blieb ihm
nichts übrig, als Frieden zu schließen. Da empfing er mitten in
diesen Besorgnissen die Einladung Napoleons zu einer persön¬
lichen Zusammenkunft; denn anch Napoleons Lage war so, daß er den Frieden
wünschen mußte. Und in wenig Tagen gelang es ihm, den Zaren für ein
Bündnis mit Frankreich zu gewinnen. Vergessen war die weihevolle Stunde
am Sarge Friedrichs des Großen, vergessen waren die Freundschaftsgelöbnisse
in Meinet. Nun mußte sich der König von Preußen, der ritterlich ausgehalten
hatte, bis fast der letzte Teil seines Landes verloren war, beugen; und auch
die Bitten der Königin Luise, die ihrem Lande den weiblichen Stolz opferte
und mit dem Peiniger persönlich verhandelte, glitten von ihm ab (so schrieb
er schadenfroh) wie das Wasser vom Wachstuch. Am 7. Juli 1807 wurde
zwischen Frankreich und Rußland der Friede unterzeichnet, wonach Rußland
dem Kampfe gegen England sowie der Festlandssperre beitrat, während Napoleon
seine Zustimmung zu der Eroberung der Donanfürstentinner und des schwedischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/23>, abgerufen am 23.07.2024.