Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.Das deutsche Gfsizierkorps und das deutsche Volk ist als 1870 die Kriegsaufstcllung, ist das auch nicht anders möglich. Aber schon Der Kriegsminister deutete in einer seiner letzten Reden an, daß die Militär¬ Zu der Herabsetzung übertriebner Dienstanforderungen Hütte sich die Er¬ Das deutsche Gfsizierkorps und das deutsche Volk ist als 1870 die Kriegsaufstcllung, ist das auch nicht anders möglich. Aber schon Der Kriegsminister deutete in einer seiner letzten Reden an, daß die Militär¬ Zu der Herabsetzung übertriebner Dienstanforderungen Hütte sich die Er¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0020" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/292817"/> <fw type="header" place="top"> Das deutsche Gfsizierkorps und das deutsche Volk</fw><lb/> <p xml:id="ID_33" prev="#ID_32"> ist als 1870 die Kriegsaufstcllung, ist das auch nicht anders möglich. Aber schon<lb/> macht sich die Gefahr der Konkurrenz andrer Berufe fühlbar, die begabten jungen<lb/> Männern gesichertere und namentlich viel einträglichere Laufbahnen in größerer<lb/> Fülle bieten. Von Kunst und Wissenschaft, der reichern Dotierung der wissen¬<lb/> schaftlichen Laufbahnen, wollen wir absehen, diese werden immer nur bevorzugte<lb/> Jünger an sich ziehn. Aber die Technik, die Industrie, der immer weiter aus¬<lb/> greifende Handel, die Schiffahrt — sie rufen alljährlich neue Hunderte und<lb/> Tausende in ihren Dienst, darunter manchen, der wohl einen tüchtigen Offizier<lb/> abgegeben und sich unter andern Verhältnissen dieser Laufbahn auch gewidmet<lb/> haben würde. Jedoch die gesteigerten Ansprüche an den Dienst, die durch viel<lb/> beklagte Mißstände fortgesetzt gesteigerten Ansprüche um die väterliche Zulage,<lb/> die größere Aussichtslosigkeit der Friedenszeit und zuletzt, aber nicht am<lb/> wenigsten, die zunehmende Verspottung des Offiziers in der Karikaturpresse<lb/> bestimmen manchen jungen Mann zur Wahl eines andern Berufs, veranlassen<lb/> namentlich auch manchen Vater, seinen Sohn in diesem Sinne zu beeinflussen.</p><lb/> <p xml:id="ID_34"> Der Kriegsminister deutete in einer seiner letzten Reden an, daß die Militär¬<lb/> verwaltung in Anbetracht mancher Elemente im Offizierkorps in der Zulassung<lb/> wohl zu weit gegangen sei, und demselben Gedanken gab vor kurzem sogar<lb/> die Freisinnige Zeitung des Herrn Richter Ausdruck. Will man aber in<lb/> Zukunft sorgfältiger in der Auswahl verfahren, und liegt zugleich die Tat¬<lb/> sache vor, daß etatsmäßige Lentnautsstellen in wachsender Zahl unbesetzt<lb/> bleiben, also der Andrang nachläßt, so wird um so mehr dafür gesorgt werden<lb/> müssen, daß sich die Militärverwaltung den Ersatz, den sie brauchen kann,<lb/> auch wirklich sichert. Ob und wie die dienstlichen Ansprüche gemindert<lb/> werden können, entzieht sich der publizistischen Diskussion. Auf alle Fälle<lb/> aber müßte dafür gesorgt werde», daß die etatmäßigen Stellen auch wirklich<lb/> besetzt werden, d. h. daß zum Beispiel jede Kompagnie tatsächlich ihre drei<lb/> Leutnants hat. Alle Abkommandierungen von längerer Dauer — und ihre<lb/> Zahl ist Legion — dürfen diesen Sollstand nicht berühren, es müssen so¬<lb/> viel Stellen mehr vorhanden sein, als alljährlich Offiziere durch Abkomman¬<lb/> dierung dem Frontdienst entzogen werden. Hat ein Hauptmann nnr einen<lb/> Leutnant statt deren drei zur Verfügung, so wird dieser eine nicht nur un¬<lb/> verhältnismäßig belastet — ein Umstand, der ihm den Dienst schwerlich an¬<lb/> ziehender macht —, sondern der Dienst selbst wird natürlich darunter leiden<lb/> und in vieler Hinsicht in die Hände der Unteroffiziere übergehn. Bei den<lb/> Soldatenmißhandlungen spielt die mangelnde Beaufsichtigung durch die Offi¬<lb/> ziere infolge ihrer oft zu genügen Zahl sicherlich eine sehr große Rolle.<lb/> Auch der Hinblick ans die Erfordernisse eines künftigen Krieges müßte dazu<lb/> führen, daß die etatsmüßig feststehenden Offizierstellen auch wirklich sämtlich<lb/> besetzt sind. Nur dann kann allen Anforderungen des Dienstes sach- und<lb/> vorschriftsgemäß entsprochen werden, nur dann beeinträchtigen die Komman¬<lb/> dierungen zur Kriegsakademie, Zcntralturnanstalt, Schießschule, zum Lehr-<lb/> bntcnllon usw. nicht den Dienst und die Ausbildung der Truppe.</p><lb/> <p xml:id="ID_35" next="#ID_36"> Zu der Herabsetzung übertriebner Dienstanforderungen Hütte sich die Er¬<lb/> mäßigung des anwachsenden persönlichen Kostenaufwands zu gesellen; es sind<lb/> sicherlich nicht die schlechtesten jungen Leute, die durch die jetzigen hohen Zulagen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0020]
Das deutsche Gfsizierkorps und das deutsche Volk
ist als 1870 die Kriegsaufstcllung, ist das auch nicht anders möglich. Aber schon
macht sich die Gefahr der Konkurrenz andrer Berufe fühlbar, die begabten jungen
Männern gesichertere und namentlich viel einträglichere Laufbahnen in größerer
Fülle bieten. Von Kunst und Wissenschaft, der reichern Dotierung der wissen¬
schaftlichen Laufbahnen, wollen wir absehen, diese werden immer nur bevorzugte
Jünger an sich ziehn. Aber die Technik, die Industrie, der immer weiter aus¬
greifende Handel, die Schiffahrt — sie rufen alljährlich neue Hunderte und
Tausende in ihren Dienst, darunter manchen, der wohl einen tüchtigen Offizier
abgegeben und sich unter andern Verhältnissen dieser Laufbahn auch gewidmet
haben würde. Jedoch die gesteigerten Ansprüche an den Dienst, die durch viel
beklagte Mißstände fortgesetzt gesteigerten Ansprüche um die väterliche Zulage,
die größere Aussichtslosigkeit der Friedenszeit und zuletzt, aber nicht am
wenigsten, die zunehmende Verspottung des Offiziers in der Karikaturpresse
bestimmen manchen jungen Mann zur Wahl eines andern Berufs, veranlassen
namentlich auch manchen Vater, seinen Sohn in diesem Sinne zu beeinflussen.
Der Kriegsminister deutete in einer seiner letzten Reden an, daß die Militär¬
verwaltung in Anbetracht mancher Elemente im Offizierkorps in der Zulassung
wohl zu weit gegangen sei, und demselben Gedanken gab vor kurzem sogar
die Freisinnige Zeitung des Herrn Richter Ausdruck. Will man aber in
Zukunft sorgfältiger in der Auswahl verfahren, und liegt zugleich die Tat¬
sache vor, daß etatsmäßige Lentnautsstellen in wachsender Zahl unbesetzt
bleiben, also der Andrang nachläßt, so wird um so mehr dafür gesorgt werden
müssen, daß sich die Militärverwaltung den Ersatz, den sie brauchen kann,
auch wirklich sichert. Ob und wie die dienstlichen Ansprüche gemindert
werden können, entzieht sich der publizistischen Diskussion. Auf alle Fälle
aber müßte dafür gesorgt werde», daß die etatmäßigen Stellen auch wirklich
besetzt werden, d. h. daß zum Beispiel jede Kompagnie tatsächlich ihre drei
Leutnants hat. Alle Abkommandierungen von längerer Dauer — und ihre
Zahl ist Legion — dürfen diesen Sollstand nicht berühren, es müssen so¬
viel Stellen mehr vorhanden sein, als alljährlich Offiziere durch Abkomman¬
dierung dem Frontdienst entzogen werden. Hat ein Hauptmann nnr einen
Leutnant statt deren drei zur Verfügung, so wird dieser eine nicht nur un¬
verhältnismäßig belastet — ein Umstand, der ihm den Dienst schwerlich an¬
ziehender macht —, sondern der Dienst selbst wird natürlich darunter leiden
und in vieler Hinsicht in die Hände der Unteroffiziere übergehn. Bei den
Soldatenmißhandlungen spielt die mangelnde Beaufsichtigung durch die Offi¬
ziere infolge ihrer oft zu genügen Zahl sicherlich eine sehr große Rolle.
Auch der Hinblick ans die Erfordernisse eines künftigen Krieges müßte dazu
führen, daß die etatsmüßig feststehenden Offizierstellen auch wirklich sämtlich
besetzt sind. Nur dann kann allen Anforderungen des Dienstes sach- und
vorschriftsgemäß entsprochen werden, nur dann beeinträchtigen die Komman¬
dierungen zur Kriegsakademie, Zcntralturnanstalt, Schießschule, zum Lehr-
bntcnllon usw. nicht den Dienst und die Ausbildung der Truppe.
Zu der Herabsetzung übertriebner Dienstanforderungen Hütte sich die Er¬
mäßigung des anwachsenden persönlichen Kostenaufwands zu gesellen; es sind
sicherlich nicht die schlechtesten jungen Leute, die durch die jetzigen hohen Zulagen
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