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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Die Alabuiikerstraße

behandelt. Nun aber War alles anders geworden. Gerade sie, die einstmals so
gute Bekannte, behandelte ihn von oben herab und sagte ihm, was ihr in den
Sinn kam. Er wäre ihr gern aus dem Wege gegangen; aber gerade ihr mußte
er immer begegnen.

Von der Turmuhr der Klosterkirche tönte der Stundenschlag; Wolf achtete
nicht darauf. In der Stadt hatte er nichts zu tun, und er war nur gegangen,
weil ihn das Benehmen der Gräfin Eberstein geärgert hatte. Er wünschte ihr
Schlechtes. Asta war doch, Gott sei Dank, anders. Sie sprach allerdings von
Ehescheidung, und er hatte es gut genug verstanden, worauf sie zielte.

Ehescheidung! Wolf wandte den Kopf, weil es ihm vorkam, als sagte jemand
hinter ihm dieses Wort. Welcher Gedanke! So etwas gab es nicht. Er liebte
Elisabeth, und er wurde gerührt, wenn er an seine Kinder dachte. Wie es ihnen
wohl gehn mochte, den armen Lieben im heißen Hamburg und in der abscheulichen
Paulinenterrasse? Wolf seufzte, während er in das kühle Grün des Klostergartens
schaute. Es war so gut hier zu sitzen, auf diesem stillen Plätzchen, das schon
manchem Wandrer Ruhe gewährt hatte. Wie schon lebte es sich doch in Gottes
freier Natur, und wie fest hatte Wolf darauf gerechnet, sein eignes Besitztum zu
haben. Nur hunderttausend Mark bedürfte er dazu. Ju frühern Zeiten war ihm
diese Summe wie eine Kleinigkeit vorgekommen. Aber statt der hunderttausend
Mark hatte er sich Schulden aufgehalst und eine blutarme Frau, und der Doven-
hof, das Gut, das ihm bestimmt gewesen war, mußte in andre Hände übergehn.

Wolf erhob sich laugsam, drückte den Hut auf den Kopf und ging durch die
offne Säulenreihe in den Klostergarten und von dort am Torhaus vorüber in das
freie Feld. Denn der Klostergarten hatte noch eine Mauer, die ihn gegen unbe¬
fugte Blicke schützte, und in dem verwitterten Torhaus wohnte ein alter Mann, der
des Nachts die Türen abschloß. Heute saß er schläfrig im Torweg, sog an einer
kalten Pfeife und grüßte den vorübergehenden Herrn mit großer Ehrerbietung.
Wolf achtete nicht auf ihn. Mit großen Schritten ging er über die Laudstmße
dem Städtchen zu. Es war eine freundliche Gegend, besonders im Sommerkleide.
Leichtgewelltes Land, Wiesen und Kornfelder, zwischen denen ein dunkler Wald¬
strich auftauchte. Ju der Ferne hoben Heidehugel ihre rotschimmernden Köpfe und
leuchteten auf im Strahl der untergehenden Sonne.

Wolf Wolffenradt sah weder die Kornfelder noch die rote Pracht in der
Ferne. Er dachte an den alten Besitz seiner Familie, an den Dovenhof. Das Gut
lag ganz hinten in der Provinz, fern von allem Verkehr, und war nicht sehr wert¬
voll; aber es hatte den Wolffenradts seit undenklichen Zeiten gehört, und Wolf
hatte fest erwartet, einmal als Herr ans ihm zu sitzen.

Nur hunderttausend Mark mußte einer der Wolffenradts den andern Ge¬
schwistern auszahlen, dann gehörte er ihm. So lautete die Familienbestimmung,
die so einfach klang und doch nicht so leicht zu erfüllen schien. Denn seit mehreren
Generationen war das Gut verpachtet gewesen, und kein Wolffenradt hatte sich
zur Auszahlung des Geldes bereit gefunden. Sie hatten meist keins gehabt;
außerdem hätte man noch eine ebenso große Summe in das arg vernachlässigte
Gut stecken müssen, ehe es ertragfähig wurde. Wolf hatte sich in den Besitz ver¬
liebt, als er ihn als sechzehnjähriger Kadett kennen gelernt hatte.

Den Dovenhof will ich haben! hatte er zu seinem Bruder Felix gesagt, der
mit ihm dorthin gekommen war.

Sein Bruder hatte gutmütig gelacht. Es wäre nett, wenn du die alte Kutsche
übernehmen könntest, hatte er gesagt. Deine Frau müßte aber mindestens dreimal-
hunderttausend Mark haben.

Unter einer halben Million tue ich es nicht! versicherte der Kadett.

Seit der Zeit waren zwanzig Jahre vergangen, und der Dovenhof wartete
noch auf einen Käufer. Er war nicht wertvoller geworden, kostete mehr, als er
einbrachte, und der Majoratsherr Felix von Wolffenradt nannte ihn einen fressenden


Die Alabuiikerstraße

behandelt. Nun aber War alles anders geworden. Gerade sie, die einstmals so
gute Bekannte, behandelte ihn von oben herab und sagte ihm, was ihr in den
Sinn kam. Er wäre ihr gern aus dem Wege gegangen; aber gerade ihr mußte
er immer begegnen.

Von der Turmuhr der Klosterkirche tönte der Stundenschlag; Wolf achtete
nicht darauf. In der Stadt hatte er nichts zu tun, und er war nur gegangen,
weil ihn das Benehmen der Gräfin Eberstein geärgert hatte. Er wünschte ihr
Schlechtes. Asta war doch, Gott sei Dank, anders. Sie sprach allerdings von
Ehescheidung, und er hatte es gut genug verstanden, worauf sie zielte.

Ehescheidung! Wolf wandte den Kopf, weil es ihm vorkam, als sagte jemand
hinter ihm dieses Wort. Welcher Gedanke! So etwas gab es nicht. Er liebte
Elisabeth, und er wurde gerührt, wenn er an seine Kinder dachte. Wie es ihnen
wohl gehn mochte, den armen Lieben im heißen Hamburg und in der abscheulichen
Paulinenterrasse? Wolf seufzte, während er in das kühle Grün des Klostergartens
schaute. Es war so gut hier zu sitzen, auf diesem stillen Plätzchen, das schon
manchem Wandrer Ruhe gewährt hatte. Wie schon lebte es sich doch in Gottes
freier Natur, und wie fest hatte Wolf darauf gerechnet, sein eignes Besitztum zu
haben. Nur hunderttausend Mark bedürfte er dazu. Ju frühern Zeiten war ihm
diese Summe wie eine Kleinigkeit vorgekommen. Aber statt der hunderttausend
Mark hatte er sich Schulden aufgehalst und eine blutarme Frau, und der Doven-
hof, das Gut, das ihm bestimmt gewesen war, mußte in andre Hände übergehn.

Wolf erhob sich laugsam, drückte den Hut auf den Kopf und ging durch die
offne Säulenreihe in den Klostergarten und von dort am Torhaus vorüber in das
freie Feld. Denn der Klostergarten hatte noch eine Mauer, die ihn gegen unbe¬
fugte Blicke schützte, und in dem verwitterten Torhaus wohnte ein alter Mann, der
des Nachts die Türen abschloß. Heute saß er schläfrig im Torweg, sog an einer
kalten Pfeife und grüßte den vorübergehenden Herrn mit großer Ehrerbietung.
Wolf achtete nicht auf ihn. Mit großen Schritten ging er über die Laudstmße
dem Städtchen zu. Es war eine freundliche Gegend, besonders im Sommerkleide.
Leichtgewelltes Land, Wiesen und Kornfelder, zwischen denen ein dunkler Wald¬
strich auftauchte. Ju der Ferne hoben Heidehugel ihre rotschimmernden Köpfe und
leuchteten auf im Strahl der untergehenden Sonne.

Wolf Wolffenradt sah weder die Kornfelder noch die rote Pracht in der
Ferne. Er dachte an den alten Besitz seiner Familie, an den Dovenhof. Das Gut
lag ganz hinten in der Provinz, fern von allem Verkehr, und war nicht sehr wert¬
voll; aber es hatte den Wolffenradts seit undenklichen Zeiten gehört, und Wolf
hatte fest erwartet, einmal als Herr ans ihm zu sitzen.

Nur hunderttausend Mark mußte einer der Wolffenradts den andern Ge¬
schwistern auszahlen, dann gehörte er ihm. So lautete die Familienbestimmung,
die so einfach klang und doch nicht so leicht zu erfüllen schien. Denn seit mehreren
Generationen war das Gut verpachtet gewesen, und kein Wolffenradt hatte sich
zur Auszahlung des Geldes bereit gefunden. Sie hatten meist keins gehabt;
außerdem hätte man noch eine ebenso große Summe in das arg vernachlässigte
Gut stecken müssen, ehe es ertragfähig wurde. Wolf hatte sich in den Besitz ver¬
liebt, als er ihn als sechzehnjähriger Kadett kennen gelernt hatte.

Den Dovenhof will ich haben! hatte er zu seinem Bruder Felix gesagt, der
mit ihm dorthin gekommen war.

Sein Bruder hatte gutmütig gelacht. Es wäre nett, wenn du die alte Kutsche
übernehmen könntest, hatte er gesagt. Deine Frau müßte aber mindestens dreimal-
hunderttausend Mark haben.

Unter einer halben Million tue ich es nicht! versicherte der Kadett.

Seit der Zeit waren zwanzig Jahre vergangen, und der Dovenhof wartete
noch auf einen Käufer. Er war nicht wertvoller geworden, kostete mehr, als er
einbrachte, und der Majoratsherr Felix von Wolffenradt nannte ihn einen fressenden


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[0122] Die Alabuiikerstraße behandelt. Nun aber War alles anders geworden. Gerade sie, die einstmals so gute Bekannte, behandelte ihn von oben herab und sagte ihm, was ihr in den Sinn kam. Er wäre ihr gern aus dem Wege gegangen; aber gerade ihr mußte er immer begegnen. Von der Turmuhr der Klosterkirche tönte der Stundenschlag; Wolf achtete nicht darauf. In der Stadt hatte er nichts zu tun, und er war nur gegangen, weil ihn das Benehmen der Gräfin Eberstein geärgert hatte. Er wünschte ihr Schlechtes. Asta war doch, Gott sei Dank, anders. Sie sprach allerdings von Ehescheidung, und er hatte es gut genug verstanden, worauf sie zielte. Ehescheidung! Wolf wandte den Kopf, weil es ihm vorkam, als sagte jemand hinter ihm dieses Wort. Welcher Gedanke! So etwas gab es nicht. Er liebte Elisabeth, und er wurde gerührt, wenn er an seine Kinder dachte. Wie es ihnen wohl gehn mochte, den armen Lieben im heißen Hamburg und in der abscheulichen Paulinenterrasse? Wolf seufzte, während er in das kühle Grün des Klostergartens schaute. Es war so gut hier zu sitzen, auf diesem stillen Plätzchen, das schon manchem Wandrer Ruhe gewährt hatte. Wie schon lebte es sich doch in Gottes freier Natur, und wie fest hatte Wolf darauf gerechnet, sein eignes Besitztum zu haben. Nur hunderttausend Mark bedürfte er dazu. Ju frühern Zeiten war ihm diese Summe wie eine Kleinigkeit vorgekommen. Aber statt der hunderttausend Mark hatte er sich Schulden aufgehalst und eine blutarme Frau, und der Doven- hof, das Gut, das ihm bestimmt gewesen war, mußte in andre Hände übergehn. Wolf erhob sich laugsam, drückte den Hut auf den Kopf und ging durch die offne Säulenreihe in den Klostergarten und von dort am Torhaus vorüber in das freie Feld. Denn der Klostergarten hatte noch eine Mauer, die ihn gegen unbe¬ fugte Blicke schützte, und in dem verwitterten Torhaus wohnte ein alter Mann, der des Nachts die Türen abschloß. Heute saß er schläfrig im Torweg, sog an einer kalten Pfeife und grüßte den vorübergehenden Herrn mit großer Ehrerbietung. Wolf achtete nicht auf ihn. Mit großen Schritten ging er über die Laudstmße dem Städtchen zu. Es war eine freundliche Gegend, besonders im Sommerkleide. Leichtgewelltes Land, Wiesen und Kornfelder, zwischen denen ein dunkler Wald¬ strich auftauchte. Ju der Ferne hoben Heidehugel ihre rotschimmernden Köpfe und leuchteten auf im Strahl der untergehenden Sonne. Wolf Wolffenradt sah weder die Kornfelder noch die rote Pracht in der Ferne. Er dachte an den alten Besitz seiner Familie, an den Dovenhof. Das Gut lag ganz hinten in der Provinz, fern von allem Verkehr, und war nicht sehr wert¬ voll; aber es hatte den Wolffenradts seit undenklichen Zeiten gehört, und Wolf hatte fest erwartet, einmal als Herr ans ihm zu sitzen. Nur hunderttausend Mark mußte einer der Wolffenradts den andern Ge¬ schwistern auszahlen, dann gehörte er ihm. So lautete die Familienbestimmung, die so einfach klang und doch nicht so leicht zu erfüllen schien. Denn seit mehreren Generationen war das Gut verpachtet gewesen, und kein Wolffenradt hatte sich zur Auszahlung des Geldes bereit gefunden. Sie hatten meist keins gehabt; außerdem hätte man noch eine ebenso große Summe in das arg vernachlässigte Gut stecken müssen, ehe es ertragfähig wurde. Wolf hatte sich in den Besitz ver¬ liebt, als er ihn als sechzehnjähriger Kadett kennen gelernt hatte. Den Dovenhof will ich haben! hatte er zu seinem Bruder Felix gesagt, der mit ihm dorthin gekommen war. Sein Bruder hatte gutmütig gelacht. Es wäre nett, wenn du die alte Kutsche übernehmen könntest, hatte er gesagt. Deine Frau müßte aber mindestens dreimal- hunderttausend Mark haben. Unter einer halben Million tue ich es nicht! versicherte der Kadett. Seit der Zeit waren zwanzig Jahre vergangen, und der Dovenhof wartete noch auf einen Käufer. Er war nicht wertvoller geworden, kostete mehr, als er einbrachte, und der Majoratsherr Felix von Wolffenradt nannte ihn einen fressenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/122>, abgerufen am 25.08.2024.