Partei ihre Vertreter sehen, günstigere Lebensbedingungen zu verschaffe", sondern darin, ob es dadurch gelingen wird, diese drei Millionen Wähler, die jetzt 31 Abgeordnete in den Reichstag entsandt haben, wo sie nur als totes Gewicht oder als Störenfriede wirken, dein nationalen Gedanken, dem Reiche, der Monarchie zurückzugewinnen, und stellt man die Frage so, dann ist es klar, daß sie unter alleu Umständen gelöst werden muß, weil es die Nation auf die Dauer nicht ertragen kann, daß ein so großer Teil des Volks ihrer gegenwärtigen, historisch gewordnen Ordnung wenigstens theoretisch in abgesagter Feindschaft gegenübersteht. Diese Stellung ist an sich um so merk¬ würdiger, als kein Stand von der Begründung des Deutschen Reichs, an die ja die gewaltige Entwicklung der deutscheu Industrie unmittelbar anknüpft, größere Vorteile gezogen hat als der Arbeiterstand, und keiner in höherm Maße als er an der Sicherung und Erweiterung der Absatzmärkte, d. h. an der Welt¬ politik interessiert ist. Und doch bekämpfen die Sozialdemokraten, die "ewig Blinden," aufs hartnäckigste jede Förderung dieser ihrer eignen Sache. Der Grund dieser Erscheinung liegt wahrhaftig nicht in unsern sozialen Verhält¬ nissen, da doch kein Staat in sozialer Fürsorge dem Deutschen Reiche auch nur nahe kommt, er liegt in der Verengerung unsrer materiellen Lebens- bedingungen, seitdem der Boden unsers mit natürlichen Gaben nur mäßig aus¬ gestatteten Landes uns zu eng geworden ist, und alle Berufe mit alleiniger Ausnahme des ursprünglichsten und mühsamsten, des landwirtschaftlichen, über¬ füllt sind; er liegt in der Schwäche unsers Nationalbewußtseins, der Folge von Jahrhunderten der Kleinstaaterei und innerer Kämpfe, in der Empfäng¬ lichkeit unsers Volkscharakters auch für den abgeschmacktesten Doktrinarismus, der früher schon auf kirchlichem Gebiete die ärgsten Verwüstungen angerichtet hat, und in der Untergrabung des religiösen Bewußtseins durch eine zunächst im liberalen Bürgertum weitverbreitete Weltanschauung, die, sobald sie in die mehr oder weniger urteilsloseu Massen hinabsickerte, diesen notwendigerweise den Gedanken erzeugen mußte, deu Himmel, an dessen Stelle man das reine Nichts setzte, schon ans Erden herzustellen. Nur auf solchem Boden konnte eine Lehre Millionen von gläubige" Anhänger" gewinnen, die die zehnfach von der Erfahrung widerlegte Möglichkeit einer dauerhaften koimuunistisch- sozialistischen Ordnung predigt, die von der Herrschaft des Proletariats, also der ungebildeten Masse träumt, die zwar, allerdings nur durch den stärkstell Terrorismus, die Massen in erstaunlicher Weise diszipliniert hat, so wie sich selbständig denkende Menschen niemals disziplinieren lassen, aber auch durch Lüge und Verleumdung alle ihre schlechten, rohen Instinkte planmüßig, he- stüudig aufreizt, Haß, Neid, Unduldsamkeit, Herrschsucht und mit solchen Mittel" eine ideale Ordnung aufrichten zu können meint, als wenn nicht alle dauernden Schöpfungen auf Hingebung und Selbstbeherrschung, d. h. auf den edeln Seiten der Menschennatur beruht hätten und beruhten. Seitdem der Dresdner Partei¬ tag jene Eigenschaften gerade unter den Führern der Partei vor den Augen der staunenden Welt offen enthüllt hat, wird sich jeder vernünftige Mensch sagen: eine Partei, die von solchen Leuten geführt wird, die mit solche" rohen Mitteln arbeitet, ist ungefährlich, sie kann niemals etwas dauerndes schaffen;
ZU!» neuen Jahre ^tzg^
Partei ihre Vertreter sehen, günstigere Lebensbedingungen zu verschaffe», sondern darin, ob es dadurch gelingen wird, diese drei Millionen Wähler, die jetzt 31 Abgeordnete in den Reichstag entsandt haben, wo sie nur als totes Gewicht oder als Störenfriede wirken, dein nationalen Gedanken, dem Reiche, der Monarchie zurückzugewinnen, und stellt man die Frage so, dann ist es klar, daß sie unter alleu Umständen gelöst werden muß, weil es die Nation auf die Dauer nicht ertragen kann, daß ein so großer Teil des Volks ihrer gegenwärtigen, historisch gewordnen Ordnung wenigstens theoretisch in abgesagter Feindschaft gegenübersteht. Diese Stellung ist an sich um so merk¬ würdiger, als kein Stand von der Begründung des Deutschen Reichs, an die ja die gewaltige Entwicklung der deutscheu Industrie unmittelbar anknüpft, größere Vorteile gezogen hat als der Arbeiterstand, und keiner in höherm Maße als er an der Sicherung und Erweiterung der Absatzmärkte, d. h. an der Welt¬ politik interessiert ist. Und doch bekämpfen die Sozialdemokraten, die „ewig Blinden," aufs hartnäckigste jede Förderung dieser ihrer eignen Sache. Der Grund dieser Erscheinung liegt wahrhaftig nicht in unsern sozialen Verhält¬ nissen, da doch kein Staat in sozialer Fürsorge dem Deutschen Reiche auch nur nahe kommt, er liegt in der Verengerung unsrer materiellen Lebens- bedingungen, seitdem der Boden unsers mit natürlichen Gaben nur mäßig aus¬ gestatteten Landes uns zu eng geworden ist, und alle Berufe mit alleiniger Ausnahme des ursprünglichsten und mühsamsten, des landwirtschaftlichen, über¬ füllt sind; er liegt in der Schwäche unsers Nationalbewußtseins, der Folge von Jahrhunderten der Kleinstaaterei und innerer Kämpfe, in der Empfäng¬ lichkeit unsers Volkscharakters auch für den abgeschmacktesten Doktrinarismus, der früher schon auf kirchlichem Gebiete die ärgsten Verwüstungen angerichtet hat, und in der Untergrabung des religiösen Bewußtseins durch eine zunächst im liberalen Bürgertum weitverbreitete Weltanschauung, die, sobald sie in die mehr oder weniger urteilsloseu Massen hinabsickerte, diesen notwendigerweise den Gedanken erzeugen mußte, deu Himmel, an dessen Stelle man das reine Nichts setzte, schon ans Erden herzustellen. Nur auf solchem Boden konnte eine Lehre Millionen von gläubige» Anhänger» gewinnen, die die zehnfach von der Erfahrung widerlegte Möglichkeit einer dauerhaften koimuunistisch- sozialistischen Ordnung predigt, die von der Herrschaft des Proletariats, also der ungebildeten Masse träumt, die zwar, allerdings nur durch den stärkstell Terrorismus, die Massen in erstaunlicher Weise diszipliniert hat, so wie sich selbständig denkende Menschen niemals disziplinieren lassen, aber auch durch Lüge und Verleumdung alle ihre schlechten, rohen Instinkte planmüßig, he- stüudig aufreizt, Haß, Neid, Unduldsamkeit, Herrschsucht und mit solchen Mittel» eine ideale Ordnung aufrichten zu können meint, als wenn nicht alle dauernden Schöpfungen auf Hingebung und Selbstbeherrschung, d. h. auf den edeln Seiten der Menschennatur beruht hätten und beruhten. Seitdem der Dresdner Partei¬ tag jene Eigenschaften gerade unter den Führern der Partei vor den Augen der staunenden Welt offen enthüllt hat, wird sich jeder vernünftige Mensch sagen: eine Partei, die von solchen Leuten geführt wird, die mit solche» rohen Mitteln arbeitet, ist ungefährlich, sie kann niemals etwas dauerndes schaffen;
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[0012]
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Partei ihre Vertreter sehen, günstigere Lebensbedingungen zu verschaffe»,
sondern darin, ob es dadurch gelingen wird, diese drei Millionen Wähler,
die jetzt 31 Abgeordnete in den Reichstag entsandt haben, wo sie nur als
totes Gewicht oder als Störenfriede wirken, dein nationalen Gedanken, dem
Reiche, der Monarchie zurückzugewinnen, und stellt man die Frage so, dann
ist es klar, daß sie unter alleu Umständen gelöst werden muß, weil es die
Nation auf die Dauer nicht ertragen kann, daß ein so großer Teil des Volks
ihrer gegenwärtigen, historisch gewordnen Ordnung wenigstens theoretisch in
abgesagter Feindschaft gegenübersteht. Diese Stellung ist an sich um so merk¬
würdiger, als kein Stand von der Begründung des Deutschen Reichs, an die ja
die gewaltige Entwicklung der deutscheu Industrie unmittelbar anknüpft, größere
Vorteile gezogen hat als der Arbeiterstand, und keiner in höherm Maße als
er an der Sicherung und Erweiterung der Absatzmärkte, d. h. an der Welt¬
politik interessiert ist. Und doch bekämpfen die Sozialdemokraten, die „ewig
Blinden," aufs hartnäckigste jede Förderung dieser ihrer eignen Sache. Der
Grund dieser Erscheinung liegt wahrhaftig nicht in unsern sozialen Verhält¬
nissen, da doch kein Staat in sozialer Fürsorge dem Deutschen Reiche auch
nur nahe kommt, er liegt in der Verengerung unsrer materiellen Lebens-
bedingungen, seitdem der Boden unsers mit natürlichen Gaben nur mäßig aus¬
gestatteten Landes uns zu eng geworden ist, und alle Berufe mit alleiniger
Ausnahme des ursprünglichsten und mühsamsten, des landwirtschaftlichen, über¬
füllt sind; er liegt in der Schwäche unsers Nationalbewußtseins, der Folge
von Jahrhunderten der Kleinstaaterei und innerer Kämpfe, in der Empfäng¬
lichkeit unsers Volkscharakters auch für den abgeschmacktesten Doktrinarismus,
der früher schon auf kirchlichem Gebiete die ärgsten Verwüstungen angerichtet
hat, und in der Untergrabung des religiösen Bewußtseins durch eine zunächst
im liberalen Bürgertum weitverbreitete Weltanschauung, die, sobald sie in die
mehr oder weniger urteilsloseu Massen hinabsickerte, diesen notwendigerweise
den Gedanken erzeugen mußte, deu Himmel, an dessen Stelle man das reine
Nichts setzte, schon ans Erden herzustellen. Nur auf solchem Boden konnte
eine Lehre Millionen von gläubige» Anhänger» gewinnen, die die zehnfach
von der Erfahrung widerlegte Möglichkeit einer dauerhaften koimuunistisch-
sozialistischen Ordnung predigt, die von der Herrschaft des Proletariats, also
der ungebildeten Masse träumt, die zwar, allerdings nur durch den stärkstell
Terrorismus, die Massen in erstaunlicher Weise diszipliniert hat, so wie sich
selbständig denkende Menschen niemals disziplinieren lassen, aber auch durch
Lüge und Verleumdung alle ihre schlechten, rohen Instinkte planmüßig, he-
stüudig aufreizt, Haß, Neid, Unduldsamkeit, Herrschsucht und mit solchen Mittel»
eine ideale Ordnung aufrichten zu können meint, als wenn nicht alle dauernden
Schöpfungen auf Hingebung und Selbstbeherrschung, d. h. auf den edeln Seiten
der Menschennatur beruht hätten und beruhten. Seitdem der Dresdner Partei¬
tag jene Eigenschaften gerade unter den Führern der Partei vor den Augen
der staunenden Welt offen enthüllt hat, wird sich jeder vernünftige Mensch
sagen: eine Partei, die von solchen Leuten geführt wird, die mit solche» rohen
Mitteln arbeitet, ist ungefährlich, sie kann niemals etwas dauerndes schaffen;
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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/12>, abgerufen am 22.07.2024.
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