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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Dante in der konfessionellen Polemik

als diplomatischer Agent, Zur Aufgabe wurde ihm gestellt die Ausbreitung
der evangelischen Lehre und die Bekämpfung des Papsttums. Zum Aufent¬
halt wurde ihm Tübingen angewiesen. Der Herzog unterstützte ihn reichlich
bei seinen literarischen Arbeiten. Auf herzogliche Kosten wurde denn auch
der glossierte venetianische Index herausgegeben.

Zu Dantes Monarchia fügt Vergerius die Glosse hinzu, daß ihm das
Borhandensein dieses Traktats völlig unbekannt gewesen sei. Erst durch den
Index sei er auf ihn aufmerksam gemacht worden. Er beabsichtige, diesen
Traktat demnächst in Druck zu geben.

Aus dieser Glosse ergibt sich, daß Vergerius, als er die Worte nieder¬
schrieb, im Besitze einer Handschrift der Monarchia gewesen ist. Ein Manu¬
skript der Monarchia war in der Heidelberger Bibliothek.") Daß es hier uicht
verborgen lag, sondern daß sein Vorhandensein bekannt oder wenigstens
registriert gewesen sei, läßt sich leicht denken bei dem verständnisvollen Inter¬
esse, das Ottheinrich den Büchcrschützcn der pfälzischen Hauptstadt entgegen¬
brachte. Ottheinrich und Herzog Christoph standen sich persönlich sehr nahe.
So konnte Vergerius, als er nach der Monarchia zu spüren begann, auf die
Heidelberger Handschrift aufmerksam gemacht worden sein und sich durch Ver¬
mittlung des Herzogs eine Abschrift haben anfertigen lassen.

Er hatte vor, sie herauszugeben. Da hörte er von dem großen Plane
des Matthias Flacius und wurde durch Briefe oder Agenten um Beihilfe er¬
sucht. Was ist natürlicher, als daß Vergerins die Abschrift uach Magdeburg
schickte, damit sie dort im Interesse der Polemik verwertet werde? Aber noch
eine andre Vermutung liegt sehr nahe, nämlich die, daß Vergerius auch den
Druck des Traktats, den er nach der angeführten Glosse zum venetianische"
Index ursprünglich selber hatte besorgen wollen, seinem Landsmanne Flacius
überlassen habe.

Im Jahre 1556 ist der <Ul>,t,g.1vAU8 wstium vöritatis zu Basel von dem
Verleger Johannes Oporinus gedruckt worden, und in derselben Offizin ist
drei Jahre später die Monarchia erschienen. Sollte die Herausgabe der beiden
Werke, von denen das erste einen Auszug aus dem zweiten bringt, durch ein
und dieselbe Druckerei im Verlaufe vou drei Jahren nicht im Zusammenhange
stehn? Was könnte es für einen natürlichern Zusammenhang geben als den,
daß Flacius zugleich mit dem Manuskript seines Katalogs die ihm zur Ve"
fügung gestellte Abschrift der Monarchia nach Basel zum Drucke geschickt habe?
Allerdings nennt das Titelblatt der Monarchia von 1559 als Herausgeber
den Andreas Alciatus, M-s vousulws. Aus der Mitte des sechzehnten Jahr¬
hunderts ist nur ein einziger Andreas Alciatus als Rechtsgelehrter bekannt,
der aber zu seiner Zeit berühmt genug war: er war Lehrer an der Hochschule
in Pavia, Kronrat des Königs Franz des Zweiten, zuweilen auch Sachwalter
Karls des Fünften und stand in enger Beziehung zur Kurie. Ist es von
vornherein unwahrscheinlich, daß dieser der katholischen Seite verpflichtete
Manu ein Buch herausgab, das die Ketzer als Waffe gegen den Papst benutzt



*) OxI. v"dio. IM. x"Jak. No. I73V.
Dante in der konfessionellen Polemik

als diplomatischer Agent, Zur Aufgabe wurde ihm gestellt die Ausbreitung
der evangelischen Lehre und die Bekämpfung des Papsttums. Zum Aufent¬
halt wurde ihm Tübingen angewiesen. Der Herzog unterstützte ihn reichlich
bei seinen literarischen Arbeiten. Auf herzogliche Kosten wurde denn auch
der glossierte venetianische Index herausgegeben.

Zu Dantes Monarchia fügt Vergerius die Glosse hinzu, daß ihm das
Borhandensein dieses Traktats völlig unbekannt gewesen sei. Erst durch den
Index sei er auf ihn aufmerksam gemacht worden. Er beabsichtige, diesen
Traktat demnächst in Druck zu geben.

Aus dieser Glosse ergibt sich, daß Vergerius, als er die Worte nieder¬
schrieb, im Besitze einer Handschrift der Monarchia gewesen ist. Ein Manu¬
skript der Monarchia war in der Heidelberger Bibliothek.") Daß es hier uicht
verborgen lag, sondern daß sein Vorhandensein bekannt oder wenigstens
registriert gewesen sei, läßt sich leicht denken bei dem verständnisvollen Inter¬
esse, das Ottheinrich den Büchcrschützcn der pfälzischen Hauptstadt entgegen¬
brachte. Ottheinrich und Herzog Christoph standen sich persönlich sehr nahe.
So konnte Vergerius, als er nach der Monarchia zu spüren begann, auf die
Heidelberger Handschrift aufmerksam gemacht worden sein und sich durch Ver¬
mittlung des Herzogs eine Abschrift haben anfertigen lassen.

Er hatte vor, sie herauszugeben. Da hörte er von dem großen Plane
des Matthias Flacius und wurde durch Briefe oder Agenten um Beihilfe er¬
sucht. Was ist natürlicher, als daß Vergerins die Abschrift uach Magdeburg
schickte, damit sie dort im Interesse der Polemik verwertet werde? Aber noch
eine andre Vermutung liegt sehr nahe, nämlich die, daß Vergerius auch den
Druck des Traktats, den er nach der angeführten Glosse zum venetianische»
Index ursprünglich selber hatte besorgen wollen, seinem Landsmanne Flacius
überlassen habe.

Im Jahre 1556 ist der <Ul>,t,g.1vAU8 wstium vöritatis zu Basel von dem
Verleger Johannes Oporinus gedruckt worden, und in derselben Offizin ist
drei Jahre später die Monarchia erschienen. Sollte die Herausgabe der beiden
Werke, von denen das erste einen Auszug aus dem zweiten bringt, durch ein
und dieselbe Druckerei im Verlaufe vou drei Jahren nicht im Zusammenhange
stehn? Was könnte es für einen natürlichern Zusammenhang geben als den,
daß Flacius zugleich mit dem Manuskript seines Katalogs die ihm zur Ve»
fügung gestellte Abschrift der Monarchia nach Basel zum Drucke geschickt habe?
Allerdings nennt das Titelblatt der Monarchia von 1559 als Herausgeber
den Andreas Alciatus, M-s vousulws. Aus der Mitte des sechzehnten Jahr¬
hunderts ist nur ein einziger Andreas Alciatus als Rechtsgelehrter bekannt,
der aber zu seiner Zeit berühmt genug war: er war Lehrer an der Hochschule
in Pavia, Kronrat des Königs Franz des Zweiten, zuweilen auch Sachwalter
Karls des Fünften und stand in enger Beziehung zur Kurie. Ist es von
vornherein unwahrscheinlich, daß dieser der katholischen Seite verpflichtete
Manu ein Buch herausgab, das die Ketzer als Waffe gegen den Papst benutzt



*) OxI. v»dio. IM. x»Jak. No. I73V.
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[0100] Dante in der konfessionellen Polemik als diplomatischer Agent, Zur Aufgabe wurde ihm gestellt die Ausbreitung der evangelischen Lehre und die Bekämpfung des Papsttums. Zum Aufent¬ halt wurde ihm Tübingen angewiesen. Der Herzog unterstützte ihn reichlich bei seinen literarischen Arbeiten. Auf herzogliche Kosten wurde denn auch der glossierte venetianische Index herausgegeben. Zu Dantes Monarchia fügt Vergerius die Glosse hinzu, daß ihm das Borhandensein dieses Traktats völlig unbekannt gewesen sei. Erst durch den Index sei er auf ihn aufmerksam gemacht worden. Er beabsichtige, diesen Traktat demnächst in Druck zu geben. Aus dieser Glosse ergibt sich, daß Vergerius, als er die Worte nieder¬ schrieb, im Besitze einer Handschrift der Monarchia gewesen ist. Ein Manu¬ skript der Monarchia war in der Heidelberger Bibliothek.") Daß es hier uicht verborgen lag, sondern daß sein Vorhandensein bekannt oder wenigstens registriert gewesen sei, läßt sich leicht denken bei dem verständnisvollen Inter¬ esse, das Ottheinrich den Büchcrschützcn der pfälzischen Hauptstadt entgegen¬ brachte. Ottheinrich und Herzog Christoph standen sich persönlich sehr nahe. So konnte Vergerius, als er nach der Monarchia zu spüren begann, auf die Heidelberger Handschrift aufmerksam gemacht worden sein und sich durch Ver¬ mittlung des Herzogs eine Abschrift haben anfertigen lassen. Er hatte vor, sie herauszugeben. Da hörte er von dem großen Plane des Matthias Flacius und wurde durch Briefe oder Agenten um Beihilfe er¬ sucht. Was ist natürlicher, als daß Vergerins die Abschrift uach Magdeburg schickte, damit sie dort im Interesse der Polemik verwertet werde? Aber noch eine andre Vermutung liegt sehr nahe, nämlich die, daß Vergerius auch den Druck des Traktats, den er nach der angeführten Glosse zum venetianische» Index ursprünglich selber hatte besorgen wollen, seinem Landsmanne Flacius überlassen habe. Im Jahre 1556 ist der <Ul>,t,g.1vAU8 wstium vöritatis zu Basel von dem Verleger Johannes Oporinus gedruckt worden, und in derselben Offizin ist drei Jahre später die Monarchia erschienen. Sollte die Herausgabe der beiden Werke, von denen das erste einen Auszug aus dem zweiten bringt, durch ein und dieselbe Druckerei im Verlaufe vou drei Jahren nicht im Zusammenhange stehn? Was könnte es für einen natürlichern Zusammenhang geben als den, daß Flacius zugleich mit dem Manuskript seines Katalogs die ihm zur Ve» fügung gestellte Abschrift der Monarchia nach Basel zum Drucke geschickt habe? Allerdings nennt das Titelblatt der Monarchia von 1559 als Herausgeber den Andreas Alciatus, M-s vousulws. Aus der Mitte des sechzehnten Jahr¬ hunderts ist nur ein einziger Andreas Alciatus als Rechtsgelehrter bekannt, der aber zu seiner Zeit berühmt genug war: er war Lehrer an der Hochschule in Pavia, Kronrat des Königs Franz des Zweiten, zuweilen auch Sachwalter Karls des Fünften und stand in enger Beziehung zur Kurie. Ist es von vornherein unwahrscheinlich, daß dieser der katholischen Seite verpflichtete Manu ein Buch herausgab, das die Ketzer als Waffe gegen den Papst benutzt *) OxI. v»dio. IM. x»Jak. No. I73V.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/100>, abgerufen am 23.07.2024.