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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Forderungen zu stellen gewagt, mit denen man um seine Nachfolger herantrat,
weil er persönlich zu sachverständig war. Aber auch auf diesen Gebieten legen
andre Zeiten andre Pflichten ans. Der so viel angefeindete Handelsvertrag mit
Österreich hat in der Praxis eine völlig andre Entwicklung gezeitigt, als sie bei
seinem Abschluß befürchtet worden war, und gegenüber der ungeheuern Entfaltung
Rußlands in Asien würden wir einen russischen Handelsvertrag doch kaum ent¬
behren wollen. Vismarcks Größe war, daß er seiner Zeit ins Gesicht zu sehen, in
ihrem Antlitz zu lesen verstand, früher und besser als seine Zeitgenossen, und daß
er dann mit unbeugsamer Entschlossenheit die Wege ging, die er im Interesse der
Monarchie und des Landes gehn zu sollen glaubte. Er hat dabei bald die Unter¬
stützung, bald die Gegnerschaft der Parteien gehabt, er hat Konservative, Zentrum
und Natioualliberale wiederholt neben sich nud sich gegenüber gesehen. Wer will
da mit Sicherheit ermessen, was Bismarck heute tuu würde, wenn er -- und in
welchem Lebensalter -- noch im Amte wäre? Er würde einen starkem Einfluß
auf die Wahlen nehmen, was die jetzige Regierung freilich nicht tut. Immer
geglückt ist ihm das bekanntlich anch nicht, und viel weniger als er darf sich eine
der ihm folgenden Regierungen Wahlniederlagen aussetzen. Darum mag es besser
sein, auf Wahlparolen zu verzichten, deren Durchkämpfuug man nicht sicher ist, und
deren Scheiter" auch auf die Monarchie zurückfallen müßte. Die Politik ist doch
eben nur die Kunst des Möglichen; ein verständiger Politiker wird das, was
er nicht für möglich hält, nicht erst versuchen. Unser Volk bei Wahlen fort¬
zureißen ist mit großen Fragen unsrer nationalen Existenz ausführbar, mit Fragen
des innern Parteihaders nicht. Der amtlichen Parole "Wider die Sozialdemo-
krntie!" -- welche Partei auszer den Konservativen würde da geschlossen der Re¬
gierung folgen? Die Nnttvnalliberalen würden ans "taktischen Wahlrücksichten"
und Popularitätsbedeukeu, die schon soviel Unheil in unsrer Gesetzgebung angerichtet
haben, zurückbleiben, das Zentrum ebenso. Soll das "liberale Bürgertum" -- viele
^-ente scheinen zu denken, daß "liberal" und "Bürgertum" identische Begriffe seien --
sich aufraffen, so muß ihm das Wasser noch viel hoher an den Hals steigen. Im
>M)re 184g gab es ein "Lied des Kolbergschen Regiments" an die Adresse der
Stadt Berlin. Es hieß darin: "Und wenn der Kosak eure Tore berennt, dann ruft
M gewiß nach dem Kolbergschen Regiment." Auch heute werden unsre Liberalen
nach dem Kolbergschen Regiment, d. h. nach dem energischen Vorgehen der Staats¬
gewalt auf alle Konsequenzen hin, erst rufen, wenn der Sozialdemokrat "ihre Tore
berennt," d. h. die Tore ihrer Häuser; die Tore ihrer politischen Existenz berennt
er längst und mit Erfolg, soweit der Unverstand sie ihm nicht von selbst öffnet.
Graf Beust erzählt in seinen Memoiren, daß Bismarck einst zu ihm in Gastein mit
^ezug auf den Grafen Armin, als dieser auf der Landstraße hinter der Postkutsche
Wäsche und Kleider wechselte, um mit tunlichster Eleganz bei ihnen einzutreten, ge¬
federt habe: Und mit solchen Leuten soll ich Politik machen! Der Kaiser ""d ^a
Bülow möge" gegenüber unsern Parlamentspvlitikern oft einen ähnlichen Gebauer
haben! .

Die Deutschen hatten in diesen Tagen unerwartet Anlaß, si^ lor zu machen
w"s der jetzige Kaiser ihnen bedeutet. Herrscher und Volk "'d daber einand r
nur nähergetreten. Mit Ausnahme der sozialdemokratischen ist d,e Hrene
Parteien einmütig in dem mit redlichen und herzliche.: Worten bekunde en Wun M.
daß der Kaiser bald genesen und uns erhalten bleiben möge A"s °em ^Auslande: ans Österreich und Ungarn, aus England, aus ^alreN'^°us Dänemark und sogar aus Frankreich klang das Ees° "
^ruck. die gesamte angesehene Presse Enropas vereinigte sich :n e ne s
Huldigung an den deutschen Kaiser. Sogar der Pan,er "^"^6 ""
-efen Verbeugung: "Neben den Wünschen, die Dentschland f" /me v^^Wues Kaisers hegt, gibt es leine aufrichtigem, keine weniger ego se s n W in he
"is die. die aus Frankreich sür die Erhaltung ewes Monarchen arg du. der u .
v°r allem als selwes Beispiel eines lebenswarmen Me"^ ^ u
gewöhnlicher Typus eines Königtums erscheint, das zugleich sehr .no.en r^mo und


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Forderungen zu stellen gewagt, mit denen man um seine Nachfolger herantrat,
weil er persönlich zu sachverständig war. Aber auch auf diesen Gebieten legen
andre Zeiten andre Pflichten ans. Der so viel angefeindete Handelsvertrag mit
Österreich hat in der Praxis eine völlig andre Entwicklung gezeitigt, als sie bei
seinem Abschluß befürchtet worden war, und gegenüber der ungeheuern Entfaltung
Rußlands in Asien würden wir einen russischen Handelsvertrag doch kaum ent¬
behren wollen. Vismarcks Größe war, daß er seiner Zeit ins Gesicht zu sehen, in
ihrem Antlitz zu lesen verstand, früher und besser als seine Zeitgenossen, und daß
er dann mit unbeugsamer Entschlossenheit die Wege ging, die er im Interesse der
Monarchie und des Landes gehn zu sollen glaubte. Er hat dabei bald die Unter¬
stützung, bald die Gegnerschaft der Parteien gehabt, er hat Konservative, Zentrum
und Natioualliberale wiederholt neben sich nud sich gegenüber gesehen. Wer will
da mit Sicherheit ermessen, was Bismarck heute tuu würde, wenn er — und in
welchem Lebensalter — noch im Amte wäre? Er würde einen starkem Einfluß
auf die Wahlen nehmen, was die jetzige Regierung freilich nicht tut. Immer
geglückt ist ihm das bekanntlich anch nicht, und viel weniger als er darf sich eine
der ihm folgenden Regierungen Wahlniederlagen aussetzen. Darum mag es besser
sein, auf Wahlparolen zu verzichten, deren Durchkämpfuug man nicht sicher ist, und
deren Scheiter» auch auf die Monarchie zurückfallen müßte. Die Politik ist doch
eben nur die Kunst des Möglichen; ein verständiger Politiker wird das, was
er nicht für möglich hält, nicht erst versuchen. Unser Volk bei Wahlen fort¬
zureißen ist mit großen Fragen unsrer nationalen Existenz ausführbar, mit Fragen
des innern Parteihaders nicht. Der amtlichen Parole „Wider die Sozialdemo-
krntie!" — welche Partei auszer den Konservativen würde da geschlossen der Re¬
gierung folgen? Die Nnttvnalliberalen würden ans „taktischen Wahlrücksichten"
und Popularitätsbedeukeu, die schon soviel Unheil in unsrer Gesetzgebung angerichtet
haben, zurückbleiben, das Zentrum ebenso. Soll das „liberale Bürgertum" — viele
^-ente scheinen zu denken, daß „liberal" und „Bürgertum" identische Begriffe seien —
sich aufraffen, so muß ihm das Wasser noch viel hoher an den Hals steigen. Im
>M)re 184g gab es ein „Lied des Kolbergschen Regiments" an die Adresse der
Stadt Berlin. Es hieß darin: „Und wenn der Kosak eure Tore berennt, dann ruft
M gewiß nach dem Kolbergschen Regiment." Auch heute werden unsre Liberalen
nach dem Kolbergschen Regiment, d. h. nach dem energischen Vorgehen der Staats¬
gewalt auf alle Konsequenzen hin, erst rufen, wenn der Sozialdemokrat „ihre Tore
berennt," d. h. die Tore ihrer Häuser; die Tore ihrer politischen Existenz berennt
er längst und mit Erfolg, soweit der Unverstand sie ihm nicht von selbst öffnet.
Graf Beust erzählt in seinen Memoiren, daß Bismarck einst zu ihm in Gastein mit
^ezug auf den Grafen Armin, als dieser auf der Landstraße hinter der Postkutsche
Wäsche und Kleider wechselte, um mit tunlichster Eleganz bei ihnen einzutreten, ge¬
federt habe: Und mit solchen Leuten soll ich Politik machen! Der Kaiser ""d ^a
Bülow möge» gegenüber unsern Parlamentspvlitikern oft einen ähnlichen Gebauer
haben! .

Die Deutschen hatten in diesen Tagen unerwartet Anlaß, si^ lor zu machen
w"s der jetzige Kaiser ihnen bedeutet. Herrscher und Volk "'d daber einand r
nur nähergetreten. Mit Ausnahme der sozialdemokratischen ist d,e Hrene
Parteien einmütig in dem mit redlichen und herzliche.: Worten bekunde en Wun M.
daß der Kaiser bald genesen und uns erhalten bleiben möge A»s °em ^Auslande: ans Österreich und Ungarn, aus England, aus ^alreN'^°us Dänemark und sogar aus Frankreich klang das Ees° "
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Huldigung an den deutschen Kaiser. Sogar der Pan,er »^"^6 "„
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v°r allem als selwes Beispiel eines lebenswarmen Me"^ ^ u
gewöhnlicher Typus eines Königtums erscheint, das zugleich sehr .no.en r^mo und


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[0539] Maßgebliches und Unmaßgebliches Forderungen zu stellen gewagt, mit denen man um seine Nachfolger herantrat, weil er persönlich zu sachverständig war. Aber auch auf diesen Gebieten legen andre Zeiten andre Pflichten ans. Der so viel angefeindete Handelsvertrag mit Österreich hat in der Praxis eine völlig andre Entwicklung gezeitigt, als sie bei seinem Abschluß befürchtet worden war, und gegenüber der ungeheuern Entfaltung Rußlands in Asien würden wir einen russischen Handelsvertrag doch kaum ent¬ behren wollen. Vismarcks Größe war, daß er seiner Zeit ins Gesicht zu sehen, in ihrem Antlitz zu lesen verstand, früher und besser als seine Zeitgenossen, und daß er dann mit unbeugsamer Entschlossenheit die Wege ging, die er im Interesse der Monarchie und des Landes gehn zu sollen glaubte. Er hat dabei bald die Unter¬ stützung, bald die Gegnerschaft der Parteien gehabt, er hat Konservative, Zentrum und Natioualliberale wiederholt neben sich nud sich gegenüber gesehen. Wer will da mit Sicherheit ermessen, was Bismarck heute tuu würde, wenn er — und in welchem Lebensalter — noch im Amte wäre? Er würde einen starkem Einfluß auf die Wahlen nehmen, was die jetzige Regierung freilich nicht tut. Immer geglückt ist ihm das bekanntlich anch nicht, und viel weniger als er darf sich eine der ihm folgenden Regierungen Wahlniederlagen aussetzen. Darum mag es besser sein, auf Wahlparolen zu verzichten, deren Durchkämpfuug man nicht sicher ist, und deren Scheiter» auch auf die Monarchie zurückfallen müßte. Die Politik ist doch eben nur die Kunst des Möglichen; ein verständiger Politiker wird das, was er nicht für möglich hält, nicht erst versuchen. Unser Volk bei Wahlen fort¬ zureißen ist mit großen Fragen unsrer nationalen Existenz ausführbar, mit Fragen des innern Parteihaders nicht. Der amtlichen Parole „Wider die Sozialdemo- krntie!" — welche Partei auszer den Konservativen würde da geschlossen der Re¬ gierung folgen? Die Nnttvnalliberalen würden ans „taktischen Wahlrücksichten" und Popularitätsbedeukeu, die schon soviel Unheil in unsrer Gesetzgebung angerichtet haben, zurückbleiben, das Zentrum ebenso. Soll das „liberale Bürgertum" — viele ^-ente scheinen zu denken, daß „liberal" und „Bürgertum" identische Begriffe seien — sich aufraffen, so muß ihm das Wasser noch viel hoher an den Hals steigen. Im >M)re 184g gab es ein „Lied des Kolbergschen Regiments" an die Adresse der Stadt Berlin. Es hieß darin: „Und wenn der Kosak eure Tore berennt, dann ruft M gewiß nach dem Kolbergschen Regiment." Auch heute werden unsre Liberalen nach dem Kolbergschen Regiment, d. h. nach dem energischen Vorgehen der Staats¬ gewalt auf alle Konsequenzen hin, erst rufen, wenn der Sozialdemokrat „ihre Tore berennt," d. h. die Tore ihrer Häuser; die Tore ihrer politischen Existenz berennt er längst und mit Erfolg, soweit der Unverstand sie ihm nicht von selbst öffnet. Graf Beust erzählt in seinen Memoiren, daß Bismarck einst zu ihm in Gastein mit ^ezug auf den Grafen Armin, als dieser auf der Landstraße hinter der Postkutsche Wäsche und Kleider wechselte, um mit tunlichster Eleganz bei ihnen einzutreten, ge¬ federt habe: Und mit solchen Leuten soll ich Politik machen! Der Kaiser ""d ^a Bülow möge» gegenüber unsern Parlamentspvlitikern oft einen ähnlichen Gebauer haben! . Die Deutschen hatten in diesen Tagen unerwartet Anlaß, si^ lor zu machen w"s der jetzige Kaiser ihnen bedeutet. Herrscher und Volk "'d daber einand r nur nähergetreten. Mit Ausnahme der sozialdemokratischen ist d,e Hrene Parteien einmütig in dem mit redlichen und herzliche.: Worten bekunde en Wun M. daß der Kaiser bald genesen und uns erhalten bleiben möge A»s °em ^Auslande: ans Österreich und Ungarn, aus England, aus ^alreN'^°us Dänemark und sogar aus Frankreich klang das Ees° " ^ruck. die gesamte angesehene Presse Enropas vereinigte sich :n e ne s Huldigung an den deutschen Kaiser. Sogar der Pan,er »^"^6 "„ -efen Verbeugung: „Neben den Wünschen, die Dentschland f" /me v^^Wues Kaisers hegt, gibt es leine aufrichtigem, keine weniger ego se s n W in he "is die. die aus Frankreich sür die Erhaltung ewes Monarchen arg du. der u . v°r allem als selwes Beispiel eines lebenswarmen Me"^ ^ u gewöhnlicher Typus eines Königtums erscheint, das zugleich sehr .no.en r^mo und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/539>, abgerufen am 24.08.2024.