Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Leipziger Dramaturgie

Feinde mit unglaublicher Verblendung selbst fordernde Melun menschlich nahe ge¬
bracht und in Anbetracht seiner freigebigen königlichen Natur trotz aller Verfeh¬
lungen als ein würdiger Gegenstand der Teilnahme und des Mitgefühls dar¬
gestellt wird.

An den Darsteller macht deshalb die Titelrolle große Ansprüche. Er soll
imponieren, verschlossen und abenteuerlich sein und doch gewinnen. Nur selten
gelingt es besonders begabten Künstlern, die ans der Bühne solchen rätselhaften
Charakteren individuelles Leben. Gestalt und plastische Erscheinung geben, aus ein¬
ander so widersprechenden Zügen ein Gebild zu gestalten, das, ohne den Reiz des
Großen und Unheimlichen zu verlieren, doch wahrscheinlich wirkt. Und den stolzen
Gebieter, den an blinden Gehorsam gewöhnten Führer, den ehrgeizigen, niemand
über sich noch neben sich duldenden Fürsten vorzustellen genügt bei einem Charakter,
wie uns der Wallcnsteinschc von Schiller gezeichnet worden ist, nicht. Ohne die
ganz individuellen Züge des etwas finstern, an die Sterne glaubenden Fanatikers
und des als geborner Böhme rastlosen Ehrgeiz und stetes Plnnemachen hinter ge¬
winnenden Formen verbergenden Abenteurers, beides Spezialitäten, deren Wieder¬
gabe mir verwandten Naturen möglich ist, hat die Rolle etwas alltägliches, banales,
das der Schillerschen Dichtung den Reiz des Außerordentliche-, entzieht.

Der Herzog von Friedland, wie er über die Leipziger Buhne geht, ist eine
stattliche, ehrfurchtgebietende Erscheinung: namentlich in seinen Politiker Erwägungen
und philosophischen Auseinandersetzungen trifft er den richtigen Ton, aber den
dämonischen Sonderling und den unheimlichen Slawen vergegenwärtigt er uns
nicht. So sehr man das vermißt, weil diese Charakterzüge dem von Schiller ent-
worfnen Bilde den Reiz des Ungewöhnlichen, psychologisch Interessanten verleihen,
so unverständig wäre es. wenn man einem Darsteller zumuten wollte, sich dem
Publikum zuliebe "etwas Dämonisches," das seiner Natur fremd ist, künstlich zuzu¬
legen. Niemand kann in solchen Dingen weiter gehn, als es ihm die natürliche
Anlage erlaubt: in diesem Sinne ist es anch ganz richtig wenn man sich der
Redensart bedient, daß diese oder jene Rolle einem Schauspieler "besouders gut
liege." Vertiefen kann allerdings der Künstler die Auffassung die er von einer
Rolle hat. er kann sie durch allerhand wirksame Details beleben und interessant
machen, aber der Guß im ganzen und großen ist ein Erzeugnis des Talents, wenn
nicht des Genies, und da kann der Einzelne, wie anch sonst im Leben, seiner Größe
durch guten Willen und eifrige Bemühung leinen Millimeter zusetzen.

Man pflegte von einem inzwischen verstorbne" Darsteller der Wallensteinrolle.
der ein geborner Tscheche und in seiner mitunter bezähmten, mitunter losbrechenden
natürlichen Leidenschaftlichkeit ein unheimlicher Mensch, ein unbequem.er Geselle war.
zu sagen, er wäre, wenn er sich im gold und schwarzen Wams anch ohne den
Mund aufzutun, nur auf der Bühne zeige, der personifizierte Wallenstein. Freilich
war er das. wie er auch der personifizierte Philipp der Zweite von Spanien, der
personifizierte Richard der Dritte und der personifizierte Franz Moor war, und
daß ihm das Verständnis solcher Charaktere durch die Beschaffenheit des eignen
eher erleichtert als erschwert wurde, begriff jeder, der ,in Privatleben mit ihm zu
tun hatte. Wohl den Angehörigen und Freunden des Schauspielers, dem das
Dämonische von Natur aus fremd ist. So gut es ans der Bühne in den unheim¬
lichen Rollen wirkt, so unbequem wird es im Leben. Wie es aber, da sich das
Dämonische nicht erzwingen läßt, in solchen Fällen durchaus vergebliches Bemühen
wäre, wenn sich der eine die Darstellungsweise des andern in dem Sinne zum
Muster nehmen wollte, daß er ihn zu kopieren versuchte, so darf sich auch das
Publikum nicht einem besonders bekannten und wirkungsvollen Darsteller zuliebe
ein zu bestimmtes und deshalb möglichenfalls einseitiges Bild einer Rolle machen.
Es kommt vielmehr einzig und allein ans die Wirkung an. die der Darsteller mit
seiner Auffassung und Wiedergabe der Rolle auf den Zuschauer ausübt; wie er
sich den Charakter vorstellt, und wie er ihn zur Erscheinung bringt, ist seine Sache,


Leipziger Dramaturgie

Feinde mit unglaublicher Verblendung selbst fordernde Melun menschlich nahe ge¬
bracht und in Anbetracht seiner freigebigen königlichen Natur trotz aller Verfeh¬
lungen als ein würdiger Gegenstand der Teilnahme und des Mitgefühls dar¬
gestellt wird.

An den Darsteller macht deshalb die Titelrolle große Ansprüche. Er soll
imponieren, verschlossen und abenteuerlich sein und doch gewinnen. Nur selten
gelingt es besonders begabten Künstlern, die ans der Bühne solchen rätselhaften
Charakteren individuelles Leben. Gestalt und plastische Erscheinung geben, aus ein¬
ander so widersprechenden Zügen ein Gebild zu gestalten, das, ohne den Reiz des
Großen und Unheimlichen zu verlieren, doch wahrscheinlich wirkt. Und den stolzen
Gebieter, den an blinden Gehorsam gewöhnten Führer, den ehrgeizigen, niemand
über sich noch neben sich duldenden Fürsten vorzustellen genügt bei einem Charakter,
wie uns der Wallcnsteinschc von Schiller gezeichnet worden ist, nicht. Ohne die
ganz individuellen Züge des etwas finstern, an die Sterne glaubenden Fanatikers
und des als geborner Böhme rastlosen Ehrgeiz und stetes Plnnemachen hinter ge¬
winnenden Formen verbergenden Abenteurers, beides Spezialitäten, deren Wieder¬
gabe mir verwandten Naturen möglich ist, hat die Rolle etwas alltägliches, banales,
das der Schillerschen Dichtung den Reiz des Außerordentliche-, entzieht.

Der Herzog von Friedland, wie er über die Leipziger Buhne geht, ist eine
stattliche, ehrfurchtgebietende Erscheinung: namentlich in seinen Politiker Erwägungen
und philosophischen Auseinandersetzungen trifft er den richtigen Ton, aber den
dämonischen Sonderling und den unheimlichen Slawen vergegenwärtigt er uns
nicht. So sehr man das vermißt, weil diese Charakterzüge dem von Schiller ent-
worfnen Bilde den Reiz des Ungewöhnlichen, psychologisch Interessanten verleihen,
so unverständig wäre es. wenn man einem Darsteller zumuten wollte, sich dem
Publikum zuliebe „etwas Dämonisches," das seiner Natur fremd ist, künstlich zuzu¬
legen. Niemand kann in solchen Dingen weiter gehn, als es ihm die natürliche
Anlage erlaubt: in diesem Sinne ist es anch ganz richtig wenn man sich der
Redensart bedient, daß diese oder jene Rolle einem Schauspieler „besouders gut
liege." Vertiefen kann allerdings der Künstler die Auffassung die er von einer
Rolle hat. er kann sie durch allerhand wirksame Details beleben und interessant
machen, aber der Guß im ganzen und großen ist ein Erzeugnis des Talents, wenn
nicht des Genies, und da kann der Einzelne, wie anch sonst im Leben, seiner Größe
durch guten Willen und eifrige Bemühung leinen Millimeter zusetzen.

Man pflegte von einem inzwischen verstorbne» Darsteller der Wallensteinrolle.
der ein geborner Tscheche und in seiner mitunter bezähmten, mitunter losbrechenden
natürlichen Leidenschaftlichkeit ein unheimlicher Mensch, ein unbequem.er Geselle war.
zu sagen, er wäre, wenn er sich im gold und schwarzen Wams anch ohne den
Mund aufzutun, nur auf der Bühne zeige, der personifizierte Wallenstein. Freilich
war er das. wie er auch der personifizierte Philipp der Zweite von Spanien, der
personifizierte Richard der Dritte und der personifizierte Franz Moor war, und
daß ihm das Verständnis solcher Charaktere durch die Beschaffenheit des eignen
eher erleichtert als erschwert wurde, begriff jeder, der ,in Privatleben mit ihm zu
tun hatte. Wohl den Angehörigen und Freunden des Schauspielers, dem das
Dämonische von Natur aus fremd ist. So gut es ans der Bühne in den unheim¬
lichen Rollen wirkt, so unbequem wird es im Leben. Wie es aber, da sich das
Dämonische nicht erzwingen läßt, in solchen Fällen durchaus vergebliches Bemühen
wäre, wenn sich der eine die Darstellungsweise des andern in dem Sinne zum
Muster nehmen wollte, daß er ihn zu kopieren versuchte, so darf sich auch das
Publikum nicht einem besonders bekannten und wirkungsvollen Darsteller zuliebe
ein zu bestimmtes und deshalb möglichenfalls einseitiges Bild einer Rolle machen.
Es kommt vielmehr einzig und allein ans die Wirkung an. die der Darsteller mit
seiner Auffassung und Wiedergabe der Rolle auf den Zuschauer ausübt; wie er
sich den Charakter vorstellt, und wie er ihn zur Erscheinung bringt, ist seine Sache,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0053" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/242121"/>
          <fw type="header" place="top"> Leipziger Dramaturgie</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_140" prev="#ID_139"> Feinde mit unglaublicher Verblendung selbst fordernde Melun menschlich nahe ge¬<lb/>
bracht und in Anbetracht seiner freigebigen königlichen Natur trotz aller Verfeh¬<lb/>
lungen als ein würdiger Gegenstand der Teilnahme und des Mitgefühls dar¬<lb/>
gestellt wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_141"> An den Darsteller macht deshalb die Titelrolle große Ansprüche. Er soll<lb/>
imponieren, verschlossen und abenteuerlich sein und doch gewinnen. Nur selten<lb/>
gelingt es besonders begabten Künstlern, die ans der Bühne solchen rätselhaften<lb/>
Charakteren individuelles Leben. Gestalt und plastische Erscheinung geben, aus ein¬<lb/>
ander so widersprechenden Zügen ein Gebild zu gestalten, das, ohne den Reiz des<lb/>
Großen und Unheimlichen zu verlieren, doch wahrscheinlich wirkt. Und den stolzen<lb/>
Gebieter, den an blinden Gehorsam gewöhnten Führer, den ehrgeizigen, niemand<lb/>
über sich noch neben sich duldenden Fürsten vorzustellen genügt bei einem Charakter,<lb/>
wie uns der Wallcnsteinschc von Schiller gezeichnet worden ist, nicht. Ohne die<lb/>
ganz individuellen Züge des etwas finstern, an die Sterne glaubenden Fanatikers<lb/>
und des als geborner Böhme rastlosen Ehrgeiz und stetes Plnnemachen hinter ge¬<lb/>
winnenden Formen verbergenden Abenteurers, beides Spezialitäten, deren Wieder¬<lb/>
gabe mir verwandten Naturen möglich ist, hat die Rolle etwas alltägliches, banales,<lb/>
das der Schillerschen Dichtung den Reiz des Außerordentliche-, entzieht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_142"> Der Herzog von Friedland, wie er über die Leipziger Buhne geht, ist eine<lb/>
stattliche, ehrfurchtgebietende Erscheinung: namentlich in seinen Politiker Erwägungen<lb/>
und philosophischen Auseinandersetzungen trifft er den richtigen Ton, aber den<lb/>
dämonischen Sonderling und den unheimlichen Slawen vergegenwärtigt er uns<lb/>
nicht. So sehr man das vermißt, weil diese Charakterzüge dem von Schiller ent-<lb/>
worfnen Bilde den Reiz des Ungewöhnlichen, psychologisch Interessanten verleihen,<lb/>
so unverständig wäre es. wenn man einem Darsteller zumuten wollte, sich dem<lb/>
Publikum zuliebe &#x201E;etwas Dämonisches," das seiner Natur fremd ist, künstlich zuzu¬<lb/>
legen. Niemand kann in solchen Dingen weiter gehn, als es ihm die natürliche<lb/>
Anlage erlaubt: in diesem Sinne ist es anch ganz richtig wenn man sich der<lb/>
Redensart bedient, daß diese oder jene Rolle einem Schauspieler &#x201E;besouders gut<lb/>
liege." Vertiefen kann allerdings der Künstler die Auffassung die er von einer<lb/>
Rolle hat. er kann sie durch allerhand wirksame Details beleben und interessant<lb/>
machen, aber der Guß im ganzen und großen ist ein Erzeugnis des Talents, wenn<lb/>
nicht des Genies, und da kann der Einzelne, wie anch sonst im Leben, seiner Größe<lb/>
durch guten Willen und eifrige Bemühung leinen Millimeter zusetzen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_143" next="#ID_144"> Man pflegte von einem inzwischen verstorbne» Darsteller der Wallensteinrolle.<lb/>
der ein geborner Tscheche und in seiner mitunter bezähmten, mitunter losbrechenden<lb/>
natürlichen Leidenschaftlichkeit ein unheimlicher Mensch, ein unbequem.er Geselle war.<lb/>
zu sagen, er wäre, wenn er sich im gold und schwarzen Wams anch ohne den<lb/>
Mund aufzutun, nur auf der Bühne zeige, der personifizierte Wallenstein. Freilich<lb/>
war er das. wie er auch der personifizierte Philipp der Zweite von Spanien, der<lb/>
personifizierte Richard der Dritte und der personifizierte Franz Moor war, und<lb/>
daß ihm das Verständnis solcher Charaktere durch die Beschaffenheit des eignen<lb/>
eher erleichtert als erschwert wurde, begriff jeder, der ,in Privatleben mit ihm zu<lb/>
tun hatte. Wohl den Angehörigen und Freunden des Schauspielers, dem das<lb/>
Dämonische von Natur aus fremd ist. So gut es ans der Bühne in den unheim¬<lb/>
lichen Rollen wirkt, so unbequem wird es im Leben. Wie es aber, da sich das<lb/>
Dämonische nicht erzwingen läßt, in solchen Fällen durchaus vergebliches Bemühen<lb/>
wäre, wenn sich der eine die Darstellungsweise des andern in dem Sinne zum<lb/>
Muster nehmen wollte, daß er ihn zu kopieren versuchte, so darf sich auch das<lb/>
Publikum nicht einem besonders bekannten und wirkungsvollen Darsteller zuliebe<lb/>
ein zu bestimmtes und deshalb möglichenfalls einseitiges Bild einer Rolle machen.<lb/>
Es kommt vielmehr einzig und allein ans die Wirkung an. die der Darsteller mit<lb/>
seiner Auffassung und Wiedergabe der Rolle auf den Zuschauer ausübt; wie er<lb/>
sich den Charakter vorstellt, und wie er ihn zur Erscheinung bringt, ist seine Sache,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0053] Leipziger Dramaturgie Feinde mit unglaublicher Verblendung selbst fordernde Melun menschlich nahe ge¬ bracht und in Anbetracht seiner freigebigen königlichen Natur trotz aller Verfeh¬ lungen als ein würdiger Gegenstand der Teilnahme und des Mitgefühls dar¬ gestellt wird. An den Darsteller macht deshalb die Titelrolle große Ansprüche. Er soll imponieren, verschlossen und abenteuerlich sein und doch gewinnen. Nur selten gelingt es besonders begabten Künstlern, die ans der Bühne solchen rätselhaften Charakteren individuelles Leben. Gestalt und plastische Erscheinung geben, aus ein¬ ander so widersprechenden Zügen ein Gebild zu gestalten, das, ohne den Reiz des Großen und Unheimlichen zu verlieren, doch wahrscheinlich wirkt. Und den stolzen Gebieter, den an blinden Gehorsam gewöhnten Führer, den ehrgeizigen, niemand über sich noch neben sich duldenden Fürsten vorzustellen genügt bei einem Charakter, wie uns der Wallcnsteinschc von Schiller gezeichnet worden ist, nicht. Ohne die ganz individuellen Züge des etwas finstern, an die Sterne glaubenden Fanatikers und des als geborner Böhme rastlosen Ehrgeiz und stetes Plnnemachen hinter ge¬ winnenden Formen verbergenden Abenteurers, beides Spezialitäten, deren Wieder¬ gabe mir verwandten Naturen möglich ist, hat die Rolle etwas alltägliches, banales, das der Schillerschen Dichtung den Reiz des Außerordentliche-, entzieht. Der Herzog von Friedland, wie er über die Leipziger Buhne geht, ist eine stattliche, ehrfurchtgebietende Erscheinung: namentlich in seinen Politiker Erwägungen und philosophischen Auseinandersetzungen trifft er den richtigen Ton, aber den dämonischen Sonderling und den unheimlichen Slawen vergegenwärtigt er uns nicht. So sehr man das vermißt, weil diese Charakterzüge dem von Schiller ent- worfnen Bilde den Reiz des Ungewöhnlichen, psychologisch Interessanten verleihen, so unverständig wäre es. wenn man einem Darsteller zumuten wollte, sich dem Publikum zuliebe „etwas Dämonisches," das seiner Natur fremd ist, künstlich zuzu¬ legen. Niemand kann in solchen Dingen weiter gehn, als es ihm die natürliche Anlage erlaubt: in diesem Sinne ist es anch ganz richtig wenn man sich der Redensart bedient, daß diese oder jene Rolle einem Schauspieler „besouders gut liege." Vertiefen kann allerdings der Künstler die Auffassung die er von einer Rolle hat. er kann sie durch allerhand wirksame Details beleben und interessant machen, aber der Guß im ganzen und großen ist ein Erzeugnis des Talents, wenn nicht des Genies, und da kann der Einzelne, wie anch sonst im Leben, seiner Größe durch guten Willen und eifrige Bemühung leinen Millimeter zusetzen. Man pflegte von einem inzwischen verstorbne» Darsteller der Wallensteinrolle. der ein geborner Tscheche und in seiner mitunter bezähmten, mitunter losbrechenden natürlichen Leidenschaftlichkeit ein unheimlicher Mensch, ein unbequem.er Geselle war. zu sagen, er wäre, wenn er sich im gold und schwarzen Wams anch ohne den Mund aufzutun, nur auf der Bühne zeige, der personifizierte Wallenstein. Freilich war er das. wie er auch der personifizierte Philipp der Zweite von Spanien, der personifizierte Richard der Dritte und der personifizierte Franz Moor war, und daß ihm das Verständnis solcher Charaktere durch die Beschaffenheit des eignen eher erleichtert als erschwert wurde, begriff jeder, der ,in Privatleben mit ihm zu tun hatte. Wohl den Angehörigen und Freunden des Schauspielers, dem das Dämonische von Natur aus fremd ist. So gut es ans der Bühne in den unheim¬ lichen Rollen wirkt, so unbequem wird es im Leben. Wie es aber, da sich das Dämonische nicht erzwingen läßt, in solchen Fällen durchaus vergebliches Bemühen wäre, wenn sich der eine die Darstellungsweise des andern in dem Sinne zum Muster nehmen wollte, daß er ihn zu kopieren versuchte, so darf sich auch das Publikum nicht einem besonders bekannten und wirkungsvollen Darsteller zuliebe ein zu bestimmtes und deshalb möglichenfalls einseitiges Bild einer Rolle machen. Es kommt vielmehr einzig und allein ans die Wirkung an. die der Darsteller mit seiner Auffassung und Wiedergabe der Rolle auf den Zuschauer ausübt; wie er sich den Charakter vorstellt, und wie er ihn zur Erscheinung bringt, ist seine Sache,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/53
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/53>, abgerufen am 22.07.2024.