Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.Verwaltung, Behörden und Stände ii: Rußland einer Mitregierung gründlich auf, stellte die ländliche Selbstverwaltung unter Die Vertreter der ländlichen Selbstverwaltung werden durch Wahl berufen. Übrigens ist diese lündliche und städtische Selbstverwaltung nur in dem Abgesehen von den Svndereinrichtungen der Grcnzlünder ist teils wegen *) Vergl. Grenzboten 1901, Heft 38, S, 311: Eine Denkschrift des Ministers Witte. Grenzboten IV 1903 W
Verwaltung, Behörden und Stände ii: Rußland einer Mitregierung gründlich auf, stellte die ländliche Selbstverwaltung unter Die Vertreter der ländlichen Selbstverwaltung werden durch Wahl berufen. Übrigens ist diese lündliche und städtische Selbstverwaltung nur in dem Abgesehen von den Svndereinrichtungen der Grcnzlünder ist teils wegen *) Vergl. Grenzboten 1901, Heft 38, S, 311: Eine Denkschrift des Ministers Witte. Grenzboten IV 1903 W
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Verwaltung, Behörden und Stände ii: Rußland
einer Mitregierung gründlich auf, stellte die ländliche Selbstverwaltung unter
die strenge Aufsicht der Gouverneure und des Ministeriums des Innern, gab
ihr durch Verstärkung des Einflusses des Adels ein mehr ständisches Gepräge
und beschränkte ihre Zuständigkeit sehr wesentlich.*)
Die Vertreter der ländlichen Selbstverwaltung werden durch Wahl berufen.
Die Bevölkerung des Kreises wühlt auf drei Jahre Abgeordnete zur Kreis¬
versammlung, die gewöhnlich einmal im Jahr unter dem Vorsitz des Kreisadels-
marschalls zusammentritt und über die Angelegenheiten des Kreises berät und
beschließt. Aus ihrer Mitte bildet sie ebenfalls durch Wahl auf drei Jahre
die Kreislaudschaftsverwaltung als dauernd amtierendes ausführendes Organ
ihrer Beschlüsse. Dementsprechend wird für die Behandlung aller das ganze
Gouvernement betreffenden Angelegenheiten aus den Abgeordneten der Kreis-
versnmmlung die unter dem Vorsitz des Gouvernementsadelsmarschalls zusammen¬
tretende Gouverncmentsversammlnng gewühlt, die dann wieder die Gonver-
nementslandschaftsverwaltung ernennt. Die städtische Verwaltung ist durch die
Städteordnung vom Jahre 1870 ganz in entsprechender Weise geregelt worden.
Die städtischen Steuerzahler wählen die Stadtverordnetenversammlung (die Duma),
die aber im Gegensatz zu den Landschaftsvertretungen dauernd tagt. Die Duma
wählt aus ihrer Mitte die Stadtverwaltung (Uprnwa) und den Oberbürger¬
meister, „das Stadthaupt," der in Duma und Uprawa deu Vorsitz fuhrt.
Übrigens ist diese lündliche und städtische Selbstverwaltung nur in dem
kleinern Teile der Gouvernements eingeführt. In den die rein russischen Gou¬
vernements umgebenden Gebietsteilen, die in Kulturentwicklung, Lebensverhält-
nissen und Zusannnensetzuug der Bevölkerung anders gestellt sind als jene, ist die
örtliche Verwaltung je nach Bedürfnis abweichend eingerichtet: hier ist die Ver¬
waltungspraxis anders, dort fehlt die ländliche, dort auch die städtische Selbst¬
verwaltung. Ihre Funktionen werden durch Organe der Regierung, Gouvcrnements-
verwaltung und eine Anzahl Spezialbehörden (Gouvernementskomitee, Wohlfahrts¬
komitee, Volksernährungskommission usw.) unter dem Vorsitz des Gouverneurs
und der Mitwirkung der Adelsmarschälle wahrgenommen. In den polnischen Gou¬
vernements z. B. gibt es staatliche Kreisverwaltungen mit einen: Kreishauptmann.
Der Kreis ist eingeteilt in sogenannte Gminy, Ämter, die aus Bauerngemeinden.
Gutsbesitzern und Flecken zusammengesetzt sind, und deren gemeinsame Angelegen¬
heiten durch die Amtsversammlung entschieden werden. Diese wählt für die
Geschäftsführung einen Vorsteher (Woll) mit polizeilichen und administrativen
Befugnissen. Die Aufsicht über die bäuerliche Selbstverwaltung führen Kom¬
missare für die Vauernnngelegeicheiten, die, anders als die Landschaftshauptleute,
nur administrative, keine richterlichen Befugnisse haben. Den Städten ist über¬
haupt keine Selbstverwaltung zugebilligt worden: sie stehn unter den vom Staat
ernannten Magistraten mit einem Präsidenten oder Burmistr Bürgermeister).
Über die Besonderheiten der Verwaltung der Kasakengebiete folgen weiter unten
noch einige Worte.
Abgesehen von den Svndereinrichtungen der Grcnzlünder ist teils wegen
*) Vergl. Grenzboten 1901, Heft 38, S, 311: Eine Denkschrift des Ministers Witte.
Grenzboten IV 1903 W
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