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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Wanderungen in der Niederlausitz

blühenden Linden, die ihn schmückten. In den Lüften our ein tausendfältiges
hvnigverkündeudes Summen und surren der Bienen, aber sonst war alles still;
still setzten auch wir uns in die mit dichtem Grün bewachsene Laube vor dem Gast¬
haus und genossen mit wonnigem Behagen die Anmut dieses Ruheplätzchens.

Zur Linken sah man über das Ende des Platzes weg durch ein weitge¬
öffnetes Tor herrliche Gartenanlagen und dahinter ein verheißungsvolles Schloß,
vor uns aber in der Mitte des Marktes und des Lindenhaines lag zur Hälfte
hinter Flieder-, Rosen- und Jasminbüschen versteckt, wie ein schlummerndes Dorn¬
röschen, die ehrwürdige Kirche. Während wir das alles mit vorahnender Freude
betrachteten, hatte uus ein duftender Kaffee die Hitze der Fahrt vergessen lassen --
und wir schickten uns an, den interessanten Ort zu durchwandern. Durch schattige
Alleen gelangten wir ans den neuen, östlich vor dem Flecken liegenden Kirchhof
und machten hier zum erstenmal die Erfahrung, die wir dann noch oft machen
sollten, daß die Lausitzer ihre Kirchhöfe mit ganz besondern: Geschick an wirklich
weihevollen Plätzen anlegen und mit einem besonders reichen Schmuck von Trauer¬
birken, Eschen und Zypressen verschönen. Ans dem Rückwege ließen wir uns die
Wohnung des Herrn Kantors zeigen, denn wir wollten womöglich noch das Innere
der Kirche sehen. Wir fanden ein idyllisches einstöckiges Häuschen, ringsum von
einem kleinen Garten umgeben, wo jeder Zoll Landes sorgfältigst ausgenutzt war.
Vor dem Häuschen inmitten seiner blühenden Rosen und reifenden Johannisbeeren
saß neben Frau und Tochter ein würdiger Herr und schmauchte behaglich die
lange Pfeife im Abendsonnenschein. Über die Brille weg betrachtete uns ein Paar
freundlicher und doch auch wieder inquisitorischer Augen, den Willkommengruß bot
uns eine tiefe sonore Stimme, rollend wie das Grabgeläute eines Gewaltigen und
doch auch wieder milde wie das Glück von Edenhall. Er war sofort bereit, mit
uns zu gehn. Als wir mit ihm quer über den Marktplatz schritten, grüßte thu
Alt und Jung ehrfürchtig und doch vertraulich; nur ein kleines Mädchen, an das
er im Vorübergehn eine Frage richtete, erschrak dermaßen, daß es fast in Tränen
nusbrach. Das Thema unsrer Unterhaltung war natürlich zuerst die Schule. Da
war er in seinem Element. Seine Schule ist die Schule um und für sich, neben der
sich die Seminarübnngsschule, der das Ministerium die Ferien vorschreibt, ausnimmt
wie das despotisch regierte Rußland neben dem konstitutionellen Königreich Preuße".
"Denn sehen Sie, sagte er, wenn so die ersten Mandeln (Getreidepuppen) ans dem
Felde stehn, dann schicke ich zu den wichtigsten Bauern und lasse sagen: Ihr wißt,
wieviel es für eure Kinder Ferien gibt: wann wollt ihr sie haben? Und so wird
in gehöriger Vereinbarung das Wohl der Landwirtschaft und das der Schule ge¬
wahrt." Unter solchen Gesprächen waren wir durch die Pforte des alten Kirch¬
hofs gegangen und traten nun in die Vorhalle der aus Feldsteinen erbauten Kirche
hinein. Ich äußerte die Befürchtung, daß wir, da es fast vollkommen dunkel ge¬
worden war, vom Innern der Kirche nichts mehr erkennen würden. Aber mit
überlegnem Lächeln drehte er an einem Knopfe, und im nächsten Augenblick er¬
strahlte die Kirche uns zu Ehren im hellen Glänze elektrischen Lichts. Wir schritten
quer übers Schiff auf die herrschaftliche Kapelle zu und standen bald vor einem
eigentümlichen Denkmal. In einer zwischen Rokoko und Klassizismus schwankende"
Manier war hier der nicht unschöne Kopf eines Mannes in Marmor gemeißelt,
der seines Lebens Ziel und Richtung durch ein beigefügtes Buch, eine Leier und
eine" Lorbeerkranz zu bezeichnen wünschte, sowie durch den darüber gesetzten Spruch:
?riueipibu8 MeuiZss viris. Darunter las man die Inschrift: of-rolus ZZonrieus
av He-inslcsn L^ori Rom. Jux. Lquos ^.reinen lidvialium eultor Obiit IX valcmä.
?kb. NV00X0I L.Loki3 suae, I.XXXIV.

Heineken, das war der Name, der mich eigentlich nach Altdöberu geführt
hatte. Ich kunnte ihn von einem frühern Besuch Altdöberns, vor allem aber aus
dem Abschnitte, den ihm Karl Justi in seinem wundervollen Werke über Winckel-
mann (I", S. 267--271) gewidmet hat., Heineken war der einflußreiche Intendant


Wanderungen in der Niederlausitz

blühenden Linden, die ihn schmückten. In den Lüften our ein tausendfältiges
hvnigverkündeudes Summen und surren der Bienen, aber sonst war alles still;
still setzten auch wir uns in die mit dichtem Grün bewachsene Laube vor dem Gast¬
haus und genossen mit wonnigem Behagen die Anmut dieses Ruheplätzchens.

Zur Linken sah man über das Ende des Platzes weg durch ein weitge¬
öffnetes Tor herrliche Gartenanlagen und dahinter ein verheißungsvolles Schloß,
vor uns aber in der Mitte des Marktes und des Lindenhaines lag zur Hälfte
hinter Flieder-, Rosen- und Jasminbüschen versteckt, wie ein schlummerndes Dorn¬
röschen, die ehrwürdige Kirche. Während wir das alles mit vorahnender Freude
betrachteten, hatte uus ein duftender Kaffee die Hitze der Fahrt vergessen lassen —
und wir schickten uns an, den interessanten Ort zu durchwandern. Durch schattige
Alleen gelangten wir ans den neuen, östlich vor dem Flecken liegenden Kirchhof
und machten hier zum erstenmal die Erfahrung, die wir dann noch oft machen
sollten, daß die Lausitzer ihre Kirchhöfe mit ganz besondern: Geschick an wirklich
weihevollen Plätzen anlegen und mit einem besonders reichen Schmuck von Trauer¬
birken, Eschen und Zypressen verschönen. Ans dem Rückwege ließen wir uns die
Wohnung des Herrn Kantors zeigen, denn wir wollten womöglich noch das Innere
der Kirche sehen. Wir fanden ein idyllisches einstöckiges Häuschen, ringsum von
einem kleinen Garten umgeben, wo jeder Zoll Landes sorgfältigst ausgenutzt war.
Vor dem Häuschen inmitten seiner blühenden Rosen und reifenden Johannisbeeren
saß neben Frau und Tochter ein würdiger Herr und schmauchte behaglich die
lange Pfeife im Abendsonnenschein. Über die Brille weg betrachtete uns ein Paar
freundlicher und doch auch wieder inquisitorischer Augen, den Willkommengruß bot
uns eine tiefe sonore Stimme, rollend wie das Grabgeläute eines Gewaltigen und
doch auch wieder milde wie das Glück von Edenhall. Er war sofort bereit, mit
uns zu gehn. Als wir mit ihm quer über den Marktplatz schritten, grüßte thu
Alt und Jung ehrfürchtig und doch vertraulich; nur ein kleines Mädchen, an das
er im Vorübergehn eine Frage richtete, erschrak dermaßen, daß es fast in Tränen
nusbrach. Das Thema unsrer Unterhaltung war natürlich zuerst die Schule. Da
war er in seinem Element. Seine Schule ist die Schule um und für sich, neben der
sich die Seminarübnngsschule, der das Ministerium die Ferien vorschreibt, ausnimmt
wie das despotisch regierte Rußland neben dem konstitutionellen Königreich Preuße«.
„Denn sehen Sie, sagte er, wenn so die ersten Mandeln (Getreidepuppen) ans dem
Felde stehn, dann schicke ich zu den wichtigsten Bauern und lasse sagen: Ihr wißt,
wieviel es für eure Kinder Ferien gibt: wann wollt ihr sie haben? Und so wird
in gehöriger Vereinbarung das Wohl der Landwirtschaft und das der Schule ge¬
wahrt." Unter solchen Gesprächen waren wir durch die Pforte des alten Kirch¬
hofs gegangen und traten nun in die Vorhalle der aus Feldsteinen erbauten Kirche
hinein. Ich äußerte die Befürchtung, daß wir, da es fast vollkommen dunkel ge¬
worden war, vom Innern der Kirche nichts mehr erkennen würden. Aber mit
überlegnem Lächeln drehte er an einem Knopfe, und im nächsten Augenblick er¬
strahlte die Kirche uns zu Ehren im hellen Glänze elektrischen Lichts. Wir schritten
quer übers Schiff auf die herrschaftliche Kapelle zu und standen bald vor einem
eigentümlichen Denkmal. In einer zwischen Rokoko und Klassizismus schwankende»
Manier war hier der nicht unschöne Kopf eines Mannes in Marmor gemeißelt,
der seines Lebens Ziel und Richtung durch ein beigefügtes Buch, eine Leier und
eine» Lorbeerkranz zu bezeichnen wünschte, sowie durch den darüber gesetzten Spruch:
?riueipibu8 MeuiZss viris. Darunter las man die Inschrift: of-rolus ZZonrieus
av He-inslcsn L^ori Rom. Jux. Lquos ^.reinen lidvialium eultor Obiit IX valcmä.
?kb. NV00X0I L.Loki3 suae, I.XXXIV.

Heineken, das war der Name, der mich eigentlich nach Altdöberu geführt
hatte. Ich kunnte ihn von einem frühern Besuch Altdöberns, vor allem aber aus
dem Abschnitte, den ihm Karl Justi in seinem wundervollen Werke über Winckel-
mann (I«, S. 267—271) gewidmet hat., Heineken war der einflußreiche Intendant


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[0450] Wanderungen in der Niederlausitz blühenden Linden, die ihn schmückten. In den Lüften our ein tausendfältiges hvnigverkündeudes Summen und surren der Bienen, aber sonst war alles still; still setzten auch wir uns in die mit dichtem Grün bewachsene Laube vor dem Gast¬ haus und genossen mit wonnigem Behagen die Anmut dieses Ruheplätzchens. Zur Linken sah man über das Ende des Platzes weg durch ein weitge¬ öffnetes Tor herrliche Gartenanlagen und dahinter ein verheißungsvolles Schloß, vor uns aber in der Mitte des Marktes und des Lindenhaines lag zur Hälfte hinter Flieder-, Rosen- und Jasminbüschen versteckt, wie ein schlummerndes Dorn¬ röschen, die ehrwürdige Kirche. Während wir das alles mit vorahnender Freude betrachteten, hatte uus ein duftender Kaffee die Hitze der Fahrt vergessen lassen — und wir schickten uns an, den interessanten Ort zu durchwandern. Durch schattige Alleen gelangten wir ans den neuen, östlich vor dem Flecken liegenden Kirchhof und machten hier zum erstenmal die Erfahrung, die wir dann noch oft machen sollten, daß die Lausitzer ihre Kirchhöfe mit ganz besondern: Geschick an wirklich weihevollen Plätzen anlegen und mit einem besonders reichen Schmuck von Trauer¬ birken, Eschen und Zypressen verschönen. Ans dem Rückwege ließen wir uns die Wohnung des Herrn Kantors zeigen, denn wir wollten womöglich noch das Innere der Kirche sehen. Wir fanden ein idyllisches einstöckiges Häuschen, ringsum von einem kleinen Garten umgeben, wo jeder Zoll Landes sorgfältigst ausgenutzt war. Vor dem Häuschen inmitten seiner blühenden Rosen und reifenden Johannisbeeren saß neben Frau und Tochter ein würdiger Herr und schmauchte behaglich die lange Pfeife im Abendsonnenschein. Über die Brille weg betrachtete uns ein Paar freundlicher und doch auch wieder inquisitorischer Augen, den Willkommengruß bot uns eine tiefe sonore Stimme, rollend wie das Grabgeläute eines Gewaltigen und doch auch wieder milde wie das Glück von Edenhall. Er war sofort bereit, mit uns zu gehn. Als wir mit ihm quer über den Marktplatz schritten, grüßte thu Alt und Jung ehrfürchtig und doch vertraulich; nur ein kleines Mädchen, an das er im Vorübergehn eine Frage richtete, erschrak dermaßen, daß es fast in Tränen nusbrach. Das Thema unsrer Unterhaltung war natürlich zuerst die Schule. Da war er in seinem Element. Seine Schule ist die Schule um und für sich, neben der sich die Seminarübnngsschule, der das Ministerium die Ferien vorschreibt, ausnimmt wie das despotisch regierte Rußland neben dem konstitutionellen Königreich Preuße«. „Denn sehen Sie, sagte er, wenn so die ersten Mandeln (Getreidepuppen) ans dem Felde stehn, dann schicke ich zu den wichtigsten Bauern und lasse sagen: Ihr wißt, wieviel es für eure Kinder Ferien gibt: wann wollt ihr sie haben? Und so wird in gehöriger Vereinbarung das Wohl der Landwirtschaft und das der Schule ge¬ wahrt." Unter solchen Gesprächen waren wir durch die Pforte des alten Kirch¬ hofs gegangen und traten nun in die Vorhalle der aus Feldsteinen erbauten Kirche hinein. Ich äußerte die Befürchtung, daß wir, da es fast vollkommen dunkel ge¬ worden war, vom Innern der Kirche nichts mehr erkennen würden. Aber mit überlegnem Lächeln drehte er an einem Knopfe, und im nächsten Augenblick er¬ strahlte die Kirche uns zu Ehren im hellen Glänze elektrischen Lichts. Wir schritten quer übers Schiff auf die herrschaftliche Kapelle zu und standen bald vor einem eigentümlichen Denkmal. In einer zwischen Rokoko und Klassizismus schwankende» Manier war hier der nicht unschöne Kopf eines Mannes in Marmor gemeißelt, der seines Lebens Ziel und Richtung durch ein beigefügtes Buch, eine Leier und eine» Lorbeerkranz zu bezeichnen wünschte, sowie durch den darüber gesetzten Spruch: ?riueipibu8 MeuiZss viris. Darunter las man die Inschrift: of-rolus ZZonrieus av He-inslcsn L^ori Rom. Jux. Lquos ^.reinen lidvialium eultor Obiit IX valcmä. ?kb. NV00X0I L.Loki3 suae, I.XXXIV. Heineken, das war der Name, der mich eigentlich nach Altdöberu geführt hatte. Ich kunnte ihn von einem frühern Besuch Altdöberns, vor allem aber aus dem Abschnitte, den ihm Karl Justi in seinem wundervollen Werke über Winckel- mann (I«, S. 267—271) gewidmet hat., Heineken war der einflußreiche Intendant

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/450>, abgerufen am 22.07.2024.