Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.Louise von Sachsen-Weimar hielt, bis der Einfluß von Herders verstaudesmäßigcr Religiosität sie dem schwül¬ Anna Amalie Hütte diese gern noch hinausgeschoben, aber beide und nicht Am 22. Juni trafen die Prinzen wieder in Weimar ein. Am 3. Sep¬ Nicht uninteressant ist ein Blick auf die materiellen Punkte des Ehekon¬ Louise von Sachsen-Weimar hielt, bis der Einfluß von Herders verstaudesmäßigcr Religiosität sie dem schwül¬ Anna Amalie Hütte diese gern noch hinausgeschoben, aber beide und nicht Am 22. Juni trafen die Prinzen wieder in Weimar ein. Am 3. Sep¬ Nicht uninteressant ist ein Blick auf die materiellen Punkte des Ehekon¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0442" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/242512"/> <fw type="header" place="top"> Louise von Sachsen-Weimar</fw><lb/> <p xml:id="ID_1548" prev="#ID_1547"> hielt, bis der Einfluß von Herders verstaudesmäßigcr Religiosität sie dem schwül¬<lb/> stigen Gefühlschristcutum des Propheten entfremdete. Es war deshalb nicht<lb/> verwunderlich, daß die junge Prinzessin, die in der Welt der Dichter und Denker<lb/> so heimisch war, den Zeitgenossen wie keine andre geeignet schien, an der Seite<lb/> Karl Augusts von Weimar die literarischen Beziehungen weiterzupflegen, die<lb/> dessen geistvolle Mutter, die Herzogin Anna Amalie, mit den größten Geistern<lb/> der Zeit angeknüpft hatte. Der Plan einer Verbindung zwischen Darmstadt<lb/> und Weimar mag schon bei dem Aufenthalt der nach Petersburg reisenden<lb/> Prinzessinnen in Erfurt aufgetaucht sein. Dalberg, der beiden Höfen nahe¬<lb/> stand, spann ihn weiter und leitete durch einen Briefwechsel mit dem Minister<lb/> von Moser die Verhandlungen ein. Louise, auf die der junge Erbprinz einen<lb/> tiefen Eindruck gemacht hatte, war dein Projekt von Anfang an geneigt, wurde<lb/> aber im Verlaufe der Verhandlungen durch Mitteilungen, die ihr von andrer<lb/> Seite zukamen, wankend gemacht. Endlich gelang es Dalbergs Umsicht, das<lb/> Mißverständnis aufzuklären, und am 7. Dezember 1774 trat Karl August in<lb/> Begleitung seines Bruders Konstantin, des Grafen Görtz, des Kammerherrn von<lb/> Stein und Knebels die denkwürdige Reise nach Darmstadt und Karlsruhe an,<lb/> die ihn in Frankfurt zum erstenmal mit Goethe zusammenführte. Schon am<lb/> 19. Dezember konnte Karl August die Mutter um ihre Einwilligung zur Ver¬<lb/> lobung mit Louise bitten. Bezeichnenderweise wurde der alte Landgraf, der in<lb/> seiner Garnison Pirmasens immer mehr zu einem Sonderling und verknöcherten<lb/> Pedanten geworden war, erst mit der vollendeten Tatsache bekannt gemacht.<lb/> Er hielt es übrigens später anch nicht für nötig, der Hochzeit des jungen<lb/> Paares beizuwohnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1549"> Anna Amalie Hütte diese gern noch hinausgeschoben, aber beide und nicht<lb/> zum wenigsten Louise, die offen eingestand, daß sie sich in Karlsruhe „zu sehr<lb/> langweile," drangen auf Beschleunigung. Zunächst reisten die Prinzen nach<lb/> Paris und trafen auf der Rückreise in Karlsruhe nochmals mit Goethe zu¬<lb/> sammen, der eben aus der Schweiz heimgekehrt war. Im überschwenglichen<lb/> Tone der Zeit schreibt dieser an Tauenden Fcihlmer: „Louise ist ein Engel, der<lb/> blinkende Stern konnte mich nicht abhalten, einige Blumen aufzunehmen, die<lb/> ihr vom Busen fielen, und die ich in der Brieftasche bewahre, wo das Herz ist."</p><lb/> <p xml:id="ID_1550"> Am 22. Juni trafen die Prinzen wieder in Weimar ein. Am 3. Sep¬<lb/> tember wurde der Regierungsantritt Karl Augusts überaus festlich begangen,<lb/> und am 18. September reiste er nach Karlsruhe, wo am 3. Oktober die Hoch¬<lb/> zeit stattfand.</p><lb/> <p xml:id="ID_1551"> Nicht uninteressant ist ein Blick auf die materiellen Punkte des Ehekon¬<lb/> trakts. Louise erhielt ein Heiratsgut von 20000 Gulden, das als Früulein-<lb/> steuer vom Lande erhoben wurde, dazu als Ausstattung von ihrem Vater<lb/> 28000 Gulden. Die Verfügung über ihr mütterliches und ihr großmütterliches<lb/> Vermögen sowie über die russische Reiseentschädigung hatte sie sich selbst vor¬<lb/> behalten. Vom weimarischen Hofe wurden ihr eine als Leibrente zu betrach¬<lb/> tende Morgengabe von 5000 Talern und außerdem 6000 Taler „als Hand-<lb/> und Spielgeld" zugesichert. Die Witwengabe sollte 12000 Taler betragen.<lb/> Ihre Küche hatte Anspruch auf sechs Hirsche, acht Stück Wild, zwölf Rehe<lb/> vier wilde Schweine, hundert Hasen usw.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0442]
Louise von Sachsen-Weimar
hielt, bis der Einfluß von Herders verstaudesmäßigcr Religiosität sie dem schwül¬
stigen Gefühlschristcutum des Propheten entfremdete. Es war deshalb nicht
verwunderlich, daß die junge Prinzessin, die in der Welt der Dichter und Denker
so heimisch war, den Zeitgenossen wie keine andre geeignet schien, an der Seite
Karl Augusts von Weimar die literarischen Beziehungen weiterzupflegen, die
dessen geistvolle Mutter, die Herzogin Anna Amalie, mit den größten Geistern
der Zeit angeknüpft hatte. Der Plan einer Verbindung zwischen Darmstadt
und Weimar mag schon bei dem Aufenthalt der nach Petersburg reisenden
Prinzessinnen in Erfurt aufgetaucht sein. Dalberg, der beiden Höfen nahe¬
stand, spann ihn weiter und leitete durch einen Briefwechsel mit dem Minister
von Moser die Verhandlungen ein. Louise, auf die der junge Erbprinz einen
tiefen Eindruck gemacht hatte, war dein Projekt von Anfang an geneigt, wurde
aber im Verlaufe der Verhandlungen durch Mitteilungen, die ihr von andrer
Seite zukamen, wankend gemacht. Endlich gelang es Dalbergs Umsicht, das
Mißverständnis aufzuklären, und am 7. Dezember 1774 trat Karl August in
Begleitung seines Bruders Konstantin, des Grafen Görtz, des Kammerherrn von
Stein und Knebels die denkwürdige Reise nach Darmstadt und Karlsruhe an,
die ihn in Frankfurt zum erstenmal mit Goethe zusammenführte. Schon am
19. Dezember konnte Karl August die Mutter um ihre Einwilligung zur Ver¬
lobung mit Louise bitten. Bezeichnenderweise wurde der alte Landgraf, der in
seiner Garnison Pirmasens immer mehr zu einem Sonderling und verknöcherten
Pedanten geworden war, erst mit der vollendeten Tatsache bekannt gemacht.
Er hielt es übrigens später anch nicht für nötig, der Hochzeit des jungen
Paares beizuwohnen.
Anna Amalie Hütte diese gern noch hinausgeschoben, aber beide und nicht
zum wenigsten Louise, die offen eingestand, daß sie sich in Karlsruhe „zu sehr
langweile," drangen auf Beschleunigung. Zunächst reisten die Prinzen nach
Paris und trafen auf der Rückreise in Karlsruhe nochmals mit Goethe zu¬
sammen, der eben aus der Schweiz heimgekehrt war. Im überschwenglichen
Tone der Zeit schreibt dieser an Tauenden Fcihlmer: „Louise ist ein Engel, der
blinkende Stern konnte mich nicht abhalten, einige Blumen aufzunehmen, die
ihr vom Busen fielen, und die ich in der Brieftasche bewahre, wo das Herz ist."
Am 22. Juni trafen die Prinzen wieder in Weimar ein. Am 3. Sep¬
tember wurde der Regierungsantritt Karl Augusts überaus festlich begangen,
und am 18. September reiste er nach Karlsruhe, wo am 3. Oktober die Hoch¬
zeit stattfand.
Nicht uninteressant ist ein Blick auf die materiellen Punkte des Ehekon¬
trakts. Louise erhielt ein Heiratsgut von 20000 Gulden, das als Früulein-
steuer vom Lande erhoben wurde, dazu als Ausstattung von ihrem Vater
28000 Gulden. Die Verfügung über ihr mütterliches und ihr großmütterliches
Vermögen sowie über die russische Reiseentschädigung hatte sie sich selbst vor¬
behalten. Vom weimarischen Hofe wurden ihr eine als Leibrente zu betrach¬
tende Morgengabe von 5000 Talern und außerdem 6000 Taler „als Hand-
und Spielgeld" zugesichert. Die Witwengabe sollte 12000 Taler betragen.
Ihre Küche hatte Anspruch auf sechs Hirsche, acht Stück Wild, zwölf Rehe
vier wilde Schweine, hundert Hasen usw.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |